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Bartsch: Brief hätte andere Akzente haben können

Dietmar Bartsch hält die Kritik an den Geburstagswünschen seiner Parteigenossen für Fidel Castro für Wahlkampftaktik. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer der Linken räumt aber ein, dass man auf die demokratischen Missstände auf Kuba hätte hinweisen können.

Dietmar Bartsch im Gespräch mit Peter Kapern | 23.08.2011
    Peter Kapern: So viel dürfte ja wohl feststehen: Hier in Deutschland fand der Brief, den die Vorsitzenden der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, geschrieben haben, mehr Aufmerksamkeit als im Heimatland des Adressaten. Der Heißt Fidel Castro und ist seit Urzeiten Diktator auf Kuba. Gesine Lötzsch und Klaus Ernst haben ihm zum 85. Geburtstag gratuliert, und zwar ganz überschwänglich. Zu einem kampferfüllten und erfolgreichen Leben haben sie den Massimo-Leader beglückwünscht und dazu, dass das sozialistische Kuba mit seinen Errungenschaften ein Beispiel sei für so viele Völker. Allerdings verzichteten die beiden Gratulanten aus dem fernen Deutschland darauf, dem Jubilar auch nur den zartesten Hinweis auf all das zu geben, was sich zum Beispiel auf der Homepage von Amnesty International über Kuba findet.
    Die Linke steckt also in der Kuba-Krise und bei uns am Telefon ist nun ihr ehemaliger Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Guten Morgen, Herr Bartsch.

    Dietmar Bartsch: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Kapern: Herr Bartsch, wie erklären Sie sich diese postalische Ergebenheitsgeste, die die Vorsitzenden Ihrer Partei abgegeben haben?

    Bartsch: Also ich finde es richtig, dass man Fidel Castro zu seinem 85. Geburtstag gratuliert. Er ist zweifelsfrei eine große Persönlichkeit, er hat auf Kuba sehr viel bewegt, die damalige Revolution wurde vom kubanischen Volk begrüßt, und deswegen ist es richtig, ihm zu gratulieren. Das machen im übrigen viele andere, das hat auch Die Linke und die PDS vorher zu runden Geburtstagen gemacht.
    Natürlich - da haben Sie recht - man kann dort auch einen anderen Akzent setzen. Aber es ist bei vielen linken Politikern so, ich selbst war auf Kuba und habe dort - und das kann man bei den Kubanern - auch über Probleme offen geredet. Sie sind dort im übrigen nicht so, dass sie zumachen, da waren sozialistische Länder in Europa ganz anders. Also das muss man ansprechen, das ist unbestritten, aber ich will diesen Brief nun wirklich auch nicht überbewerten. Dort ist jemand, wo ganz andere auch schon Schlange gestanden haben, auch Castro gratuliert haben. Also ich rate allen, dass wieder etwas die Erde eingenommen wird.

    Kapern: Aber, Herr Bartsch, wenn es so ist, wie Sie sagen, dass man auf Kuba selbst ganz offen über demokratische Defizite und Missstände reden kann, warum tun das dann die Vorsitzenden Ihrer Partei nicht?

    Bartsch: Schauen Sie, ich bin nicht sicher, ob ein Geburtstagsschreiben da der richtige Platz ist. Es ist jetzt mehrfach über andere Geburtstagsschreiben auch geredet worden. Wenn deutsche Politiker gratulieren zu Geburtstagen, dann nimmt man das meist nicht zum Anlass zu kritisieren.
    Ich sage, natürlich hätte man darauf hinweisen können. Ich sage auch, die Formulierungen sind nicht unbedingt der Stil, den ich gewählt hätte. Aber noch mal: ich finde, hier wird jetzt - und zwar besonders, weil wir uns in Wahlkämpfen befinden, wo Die Linke gute Chancen hat, auch in den beiden Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Berlin in Regierungsverantwortung zu kommen -, dort wird jetzt versucht, über einen Kuba-Brief dieses zu erschweren. Ich glaube, das wird misslingen.

    Kapern: Wie man so einen Glückwunschbrief schreibt, das hätten sich Lötzsch und Ernst beispielsweise bei Lothar Bisky abschauen können; der hat Fidel Castro 2006 gratuliert und hat in diesem Gratulationsschreiben demokratische Reformen angemahnt. Gabi Zimmer, die damalige Chefin der PDS, hat 2003 schon gefordert, "Castro, Mauer auf!". Entwickelt sich die Partei Die Linke zurück, was solche Dinge angeht, die Forderung nach Demokratie?

    Bartsch: Die Partei Die Linke wird sich nicht zurückentwickeln. Es ist völlig klar: wir stehen für eine demokratische Linke, und dazu gehört selbstverständlich auch, dass Freiheit, dass Gerechtigkeit Werte sind, die wir anstreben, und das gilt in Deutschland und das gilt weltweit. Es ist völlig richtig, Sie haben darauf verwiesen, dass Bisky oder auch Gabi Zimmer oder andere waren. Wir haben mehrfach, alle die auf Kuba sind sprechen darüber, und ich will das gern noch mal wiederholen: Die Kubaner sind dort in einer ganz anderen Weise offen. Natürlich sind sie auch - das will ich mal deutlich sagen - in einer schwierigen Situation. Es gibt seit vielen Jahren ein Embargo für Kuba, es gibt eine ausgesprochen oder es gab eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation. Auch die Bundesregierung im übrigen hat, nachdem es die deutsche Einigung gab, viele Verträge nicht fortgesetzt. Und da gibt es eine natürlich schwierige Situation. Das alles gehört auch mit zur Wahrheit, genauso wie die Tatsache, dass die Menschenrechte auf Kuba nicht so gehandhabt werden, wie das sein sollte.

    Kapern: Genauso wie zur gesamten Geschichte gehört, dass der Zweite Weltkrieg zur Teilung Deutschlands geführt hat. Damit will ich überleiten zu einem anderen Streitpunkt, den es in letzter Zeit gegeben hat: der Streit um den Bau der Mauer. Da reiht sich eine Serie von Äußerungen des Parteivorstands der Linken zusammen, die die Partei insgesamt in ein seltsames Licht rücken und den Unmut in der Partei doch auch verstärken. Die Landesverbände in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin beispielsweise spucken im Moment Gift und Galle.

    Bartsch: Natürlich sind diese Diskussionen für die wahlkämpfenden Länder - ich bin selbst aus dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und engagiere mich da für ein gutes Ergebnis; wir wollen über 20 Prozent erreichen, das ist auch möglich -, da sind diese öffentlichen Diskussionen nur begrenzt hilfreich. Aber es ist keine Überraschung: den 13. August gibt es jedes Jahr und wir werden uns diesen Diskussionen auch jedes Jahr stellen müssen. Da haben wir uns klar und deutlich positioniert. Es ist allerdings so, dass politische Konkurrenten jede abweichende und natürlich auch hoch problematische Dinge aufgreifen. Ich selbst auf dem Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern sehr deutlich diejenigen kritisiert, die beim Gedenken an die Maueropfer sich nicht erhoben haben. Ich sage das auch weiter: Das ist keine Position, die man akzeptieren kann. Jedes Opfer an der Mauer war eines zu viel. Die Linke wie die PDS früher hat sich zu der Frage der Mauer deutlich positioniert und da darf es kein Wenn und Aber geben. Das ist im übrigen Voraussetzung, dass man Wahlkämpfe in diesen beiden Ländern erfolgreich gestalten kann. In Berlin spielt das eine besondere Rolle. Deshalb ist diese Klarheit eingefordert und sie wird im übrigen auch von Gesine Lötzsch und von Klaus Ernst genau so vertreten.

    Kapern: Sind Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ihren Aufgaben gewachsen?

    Bartsch: Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sind bis zum Juni nächsten Jahres Parteivorsitzende und wir werden mit ihnen gemeinsam in den Wahlkämpfen, auf den anstehenden Parteitagen darum kämpfen, dass Die Linke sich stabilisiert. Wir haben angesichts der großen Herausforderungen, der Euro-Krise, der Situation in Europa, des totalen Versagens der schwarz-gelben Regierung, wirklich eine große Aufgabe, weil wir das den Menschen in diesem Land schuldig sind. Wir sind mit fast zwölf Prozent in den Deutschen Bundestag gewählt worden, wir regieren in zwei Ländern mit, sind in Kommunen in Verantwortung. Das ist für uns die Herausforderung und da sind Personaldiskussionen dann angebracht, wenn Parteitage sind, und nicht jetzt.

    Kapern: Darf ich noch mal an meine Frage erinnern? Sind sie ihren Aufgaben gewachsen?

    Bartsch: Ich glaube, ich habe darauf entsprechend geantwortet.

    Kapern: Da sind unterschiedliche Interpretationen möglich. Ich habe kein klares Ja oder Nein gehört.

    Bartsch: Sie sind von einem Parteitag gewählt und sie nehmen ihre Aufgaben wahr, sie sind mit dem Programmparteitag beschäftigt, engagieren sich auch in den Wahlkämpfen. Und ich wiederhole: Personaldiskussionen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig und nicht hilfreich. Sie würden im übrigen den beiden wahlkämpfenden Ländern wiederum schaden. Deshalb werde ich da keine weiteren Äußerungen zu machen.

    Kapern: Dietmar Bartsch war das, der ehemalige Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören, Herr Bartsch.

    Bartsch: Gerne und Grüße in den tiefen Westen.

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