Samstag, 20. April 2024

Archiv


Bartsch: Es wird künftig Bewegung bei den Sozialdemokraten geben

Auch wenn die SPD Gespräche mit der Linkspartei ausgeschlossen hat, werde sich die Partei künftig bewegen, sagt Dietmar Bartsch (Die Linke). Der Fraktionsvize unterstreicht, dass auch bei einer Großen Koalition die Mehrheit im Bundestag im linken Lager bleibe.

Dietmar Bartsch im Gespräch mit Dirk Müller | 23.09.2013
    Dirk Müller: Verloren haben die Linken auch: über drei Prozent. Aber sie sind jetzt drittstärkste Kraft im Deutschen Bundestag, vor den Grünen, vor der FDP jetzt sowieso. Gregor Gysi jedenfalls strahlte, aber nicht nur er, sondern auch der stellvertretende Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch. Guten Morgen!

    Dietmar Bartsch: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Müller: Herr Bartsch, seit wann freuen Sie sich über Verluste?

    Bartsch: Verluste sind es zur letzten Bundestagswahl, aber Sie wissen, dass wir vor zwei Jahren in einer relativ schweren Krise waren. Da waren wir in Umfragen bei circa sechs Prozent. Und aus dieser Sicht ist das ein Erfolg und es bleibt dabei: wir sind drittstärkste Kraft, werden vermutlich die Oppositionsführerschaft im Deutschen Bundestag einnehmen, und das ist so ein grandioses Ergebnis, dass man sich wirklich freuen kann.

    Müller: Da muss ich noch mal nachfragen. Was ist daran grandios, wenn man drei Prozent verliert? Sie haben ja jetzt nur 8,4 Prozent.

    Bartsch: Ich wiederhole es gern. Das damalige Ergebnis 2009 war eines, wo es eine große Koalition gab, wir in einer anderen Formation angetreten sind, und das war ein großer Sieg zweifelsfrei.

    Müller: 11,9 Prozent, um das noch mal klar zu machen.

    Bartsch: 11,9 Prozent, so ist es. Aber wir haben danach ja eine wirklich selbst verantwortete Krise in der Partei gehabt und waren in den Umfragen abgestürzt, sind aus allen westdeutschen Bundesländern bei Wahlen rausgeflogen.

    Gestern haben wir es in Hessen geschafft, wieder in den Landtag zu kommen. Das ist für uns nicht irgendwas. Der Anspruch, gesamtdeutsche Partei zu sein, ist damit noch mal klar geworden und vor allen Dingen von den Wählern honoriert worden. Und wenn man sich auch beim Wahlergebnis anschaut, warum uns die Menschen gewählt haben: Wir sind die Partei, die für soziale Gerechtigkeit steht. Wir sind die Partei, die die Angleichung der Lebensverhältnisse voranbringt. Also es sind nicht die Bäume in den Himmel gewachsen, aber ein Ergebnis, wo wir stolz sein können.

    Müller: Das heißt, personell betrachtet läuft es wieder besser in der Partei, weil Oskar Lafontaine sich zurückgezogen hat?

    Bartsch: Also wer das sagen würde, das wäre völlig falsch. Wir haben natürlich im Saarland die größten Verluste zu verzeichnen, aber wir sind in einer Situation, wo Parteiführung und Fraktionsführung im Wahlkampf gemeinsam agiert hat. Das war ein wichtiger Punkt für unseren jetzigen Erfolg. Und natürlich müssen auch wir schauen, wie wir denn Angela Merkel perspektivisch als Bundeskanzlerin ablösen können.

    Müller: Herr Bartsch, reden wir noch einmal, wie gut oder wie nützlich das jetzt ist, was Sie erreicht haben, trotz der Verluste von über drei Prozent. Sie sagen, drittstärkste Kraft im Bundestag. Das ist ein Faktum, das ist so. Aber Sie haben auch schon ganz klar gesagt, wir werden dann mit großer Wahrscheinlichkeit Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Ist das was, reicht das?

    Bartsch: Schauen Sie, ich bin jemand, der seit Jahren dafür steht, dass wir in Deutschland ein Mitte-Links-Bündnis brauchen. Das wäre gut für das Land, das wäre gut für Europa. Die Sozialdemokratie hat sich hier klar positioniert, das ist deren Problem. Aber ich bin sehr sicher, dass es dort Bewegung geben wird. Es ist ganz klar und eindeutig: Die alte Regierung ist abgewählt worden. Das geht, ob des Ergebnisses der CDU unter, aber es bleibt so, dass Schwarz-Gelb aufgrund des Rauswurfs der FDP keine Mehrheit hat, und theoretisch: Arithmetisch gibt es eine Mehrheit jenseits der Union. Dass diese nicht politikwirksam wird, liegt nicht an der Linkspartei.

    Müller: Das ist für Sie aber auch klar? Das ist für Sie klar, wenn ich Sie hier unterbrechen darf, dass die anderen nicht auf Sie zukommen werden?

    Bartsch: Ja, das ist aber doch nicht unser Problem.

    Müller: Das war eine Frage.

    Bartsch: Wir stehen für Gespräche bereit, das ist völlig klar und eindeutig. Das hat Gregor Gysi formuliert, das haben alle anderen formuliert, das bleibt auch so. Aber die SPD hat ja schon um 18:01 Uhr gesagt, dass sie sich auf eine Große Koalition vorbereitet. Da wird es jetzt ein paar Wellenbewegungen geben, da wird es spannend gemacht werden von Journalistinnen und Journalisten. Am Ende des Tages wird es eine Große Koalition geben, wir werden unsere Aufgabe annehmen. Aber ganz klar und eindeutig: Zu jedem Zeitpunkt ist und bleibt es so, dass im Deutschen Bundestag SPD, Linke und Grüne eine Mehrheit haben.

    Müller: Dietmar Bartsch, ich muss noch mal darauf hinweisen. Wir hatten eben Ralf Stegner von der SPD in Schleswig-Holstein hier bei uns im Programm, wenige Minuten, bevor wir jetzt miteinander reden, der gesagt hat, das ist das letzte Mal, dass das Linksbündnis für uns Tabu ist. Das heißt, die Zeiten werden besser?

    Bartsch: Schauen Sie, das habe ich 2009 gehört. Es deutete einiges auch darauf hin. Wir regieren mit der Sozialdemokratie erfolgreich in Brandenburg, in vielen Kommunen gibt es eine gut funktionierende Zusammenarbeit. Also daran kann es nicht liegen.

    Die SPD hat sich von der CDU disziplinieren lassen, indem sie lange, lange vorher ausgeschlossen hat, überhaupt zu reden. Das ist absurd, das wird es in keinem europäischen Land geben, das ist deren Entscheidung gewesen. Ich bin aber sicher, dass es Bewegung bei der Sozialdemokratie geben wird, dass es auch Bewegung bei Grünen und bei Linken geben muss, denn es geht nicht um die politischen Parteien, es geht um Deutschland und vor allen Dingen auch um Europa, denn außerhalb Deutschlands gibt es nicht nur Jubel ob dieses Ergebnisses für Angela Merkel.

    Müller: Und diese Bewegung – wir müssen ein bisschen auf die Zeit achten – trauen Sie auch Sigmar Gabriel zu?

    Bartsch: Personelle Hinweise verbitte ich mir bei anderen Parteien, was uns betrifft; also gebe ich auch keine für die Sozialdemokratie.

    Müller: Nur eine Einschätzung!

    Bartsch: Meine Einschätzung ist, dass es dort einige Bewegungen unterhalb der Decke geben wird, und ob Sigmar Gabriel dort eine Rolle spielt und welche, das wird zu allererst er entscheiden. Aber da ist er auch selbstbewusst genug, diese Frage zu entscheiden.

    Müller: In Berlin Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.

    Bartsch: Ich danke Ihnen auch.

    Müller: Auf Wiederhören.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.