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BASF-Vorstand fordert mehr Hilfe für China aus Deutschland

Jürgen Hambrecht, Vorstandsvorsitzender des Chemieunternehmens BASF und Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, hat die Deutschen zu mehr Spenden für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in China aufgefordert. Es sei ein Gebot der Menschlichkeit, den vielen Betroffenen zu helfen. Allein die Bereitstellung von drei Millionen Zelten sei ein riesiges Unterfangen, betonte Hambrecht.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Nach dem Erdbeben in China vor zwei Wochen drohen dem Land schwere Überschwemmungen durch aufgestaute Flüsse, die nach zahlreichen Erdrutschen nicht mehr abfließen können. Außerdem besteht die Gefahr, dass fast 70 Staudämme brechen. Dadurch sind mehr als eine Million Menschen neuer Gefahr ausgesetzt. Die chinesische Regierung teilte mit, dass mehr als 65.000 Tote mittlerweile geborgen sind, aber noch über 20.000 Menschen vermisst werden. Im Erdbebengebiet haben ein mobiles Krankenhaus des Deutschen Roten Kreuzes und Experten des Technischen Hilfswerks mit sechs Wasseraufbereitungsanlagen die Arbeit aufgenommen.

    Wie kann man China helfen? Ist überhaupt weitere Hilfe nötig? - Darüber wollen wir sprechen mit einem Asien-Kenner: mit Jürgen Hambrecht, dem Vorstandsvorsitzenden des Chemieunternehmens BASF und dem Vorsitzenden den Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Guten Morgen Herr Hambrecht!

    Jürgen Hambrecht: Guten Morgen Herr Spengler!

    Spengler: BASF ist seit Jahren in der Volksrepublik China engagiert. Es gibt so viele Niederlassungen, in Shanghai, Nanjing, Guan Ju, dass wir hier gar nicht alle Standorte aufzählen können. Was ist denn der Schwerpunkt Ihrer Investitionen in China?

    Hambrecht: Unsere Großinvestition in China ist in Nanjing und das ist ein gutes Stück weg vom Erdbebengebiet.

    Spengler: Sind denn überhaupt irgendwelche Niederlassungen betroffen von der Erdbebenkatastrophe?

    Hambrecht: Ja. Wir haben direkt im Erdbebengebiet in der Stadt Maishan eine Aktivität, die im Wesentlichen in Bauchemikalien wie Zement und Additive tätig ist.

    Spengler: Und die ist inwiefern betroffen?

    Hambrecht: Wir sehen natürlich, dass um unsere Anlage herum nicht mehr sehr viel steht. Das ist ziemlich im Herzen des Erdbebengebietes. Und wir sehen das große, große Leid. Man kann sich das ja nicht vorstellen. Um das den Zuhörern vielleicht etwas zu verdeutlichen: Es ist gerade so, als ob ganz Hessen etwa vom Erdbeben betroffen wäre und die ganze Bevölkerung von Hessen praktisch kein Dach mehr überm Kopf hätte.

    Spengler: Sie haben ja eigene Leute vor Ort. Sie sind gar nicht auf Presseberichte angewiesen. Woran mangelt es denn vor allen Dingen jetzt im Augenblick dort in dem Gebiet?

    Hambrecht: Ich glaube die unmittelbarste Hilfe, wenn man mal davon absieht, was dann anschließend im Aufbau zu tun ist, ist vor allem, dass man Zelte hinbekommt, um den Leuten wieder ein Dach überm Kopf zu geben. Das ist das Dringendste. Und was Sie eben angesprochen haben, Technisches Hilfswerk, Wasseraufbereitung, solche Dinge spielen jetzt eine große Rolle.

    Spengler: Engagiert sich die deutsche Wirtschaft eigentlich bei der Katastrophenhilfe oder dann später beim Wiederaufbau?

    Hambrecht: Bei beidem! Es ist ein Zufall: Als das Erdbeben geschah, hatten wir ja die Deutschland-Woche in Chongqing und viele, viele deutsche Unternehmen waren direkt vor Ort und haben dann auch unmittelbar und sehr spontan gespendet. Inzwischen sind etwa zehn Millionen Euro hier zusammengekommen. Ich glaube, dass das eine tolle Sache ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass nicht genügend für China derzeit aus Deutschland heraus getan wird.

    Spengler: Was könnte denn noch getan werden?

    Hambrecht: Ich glaube, dass wir in einer breiten Form aus der Bevölkerung hier spenden sollten. Ich sage mal die BASF-Mitarbeiter allein am Standort Ludwigshafen haben innerhalb von wenigen Tagen etwa deutlich über 100.000 Euro gespendet. Dieses Unternehmen wird das Ganze noch mal verdoppeln. Ich glaube so sollte es in Deutschland etwas in der Breite sein. Das gilt übrigens nicht nur für China. Wir schauen jetzt sehr stark nach China; wir sollten uns auch sehr um Birma kümmern.

    Spengler: Aber um noch mal bei China zu bleiben: Sie fühlen sich dort als Investor auch besonders in der Pflicht?

    Hambrecht: Nicht nur als Investor. Natürlich ist das ein großes Produktionsland. Viele fahren auch gerne in Urlaub nach China. Ich glaube das ist ein Gebot der Menschlichkeit. Wir können uns das nicht vorstellen. Wir leben in Deutschland wirklich fast wie im Himmel. Wir haben keine Stürme, wir haben keine Erdbeben, wir haben keine Dürrekatastrophen, wir haben keine Seuchen, wir haben nichts hier. Wir können uns nicht vorstellen, wie es ist, wenn der Boden so wackelt wie das dort der Fall war.

    Spengler: Was mich immer wundert ist, das war doch klar, dass das ein Erdbebengebiet sein würde. Das wissen doch Geologen. Warum hat man dort eigentlich nicht erdbebensicherer gebaut? Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Hambrecht: Ich glaube nicht, dass man mit der Form des Erdbebens gerechnet hat oder dass man das in dieser Region wirklich angenommen hat. Es ging ja hoch bis über 8 in der Richter-Skala. Natürlich wackelt dort der Boden, ähnlich wie übrigens in Japan. Jeden Tag können Sie in Japan ein Erdbeben erleben. Die Menschen leben dort damit. Die sind über die Jahre hinweg natürlich im Bau und in der Technik weiter fortgeschritten. Das wird in China auch kommen und es gibt auch viele Gebäude in der Region, die noch stehen. Da sieht man eben, wie über die Zeit hinweg die Technologie auch dort Einzug gehalten hat.

    Spengler: Herr Hambrecht, Sie appellieren an die Spendenbereitschaft. Nun fällt es vermutlich vielen potenziellen Spendern schwer, Geld an China zu geben, auch weil man die Bilder der Unterdrückung in Tibet vor Augen hat. Verstehen Sie das, dass man da zurückhaltend ist?

    Hambrecht: Ich habe ein bisschen ein Problem, gerade wenn man mit Tibet argumentiert und mit Menschenrechten. Jetzt ist die Menschlichkeit gefordert, direkt vor Ort und ich glaube da sollte man zuerst mal diese Dinge auf die Seite stellen. Was man über dieses Erdbeben vielleicht doch sieht, dass China viel, viel offener ist als viele es glauben. Wir sollten in unserer Berichterstattung vielleicht nicht ganz so einseitig sein. Tibet ist ein Thema. Das wissen wir, das adressieren wir. Das ist auch in Ordnung. Aber jetzt geht es unmittelbar um Menschlichkeit und bitte helfen!

    Spengler: Und China ist auch nicht reich genug, obwohl es so viele Währungsreserven hat, sich selbst zu helfen?

    Hambrecht: Nein! Wir wären ja auch nicht in der Lage, uns zu helfen. Überlegen Sie mal! Wenn Hessen kein Dach mehr überm Kopf hat, wo wären wir denn da? Wir sind doch auch froh gewesen, als wir die Flutkatastrophe an der Elbe und so weiter hatten, als uns von draußen geholfen wurde. Alleine drei Millionen Zelte auf dieser Erde zusammen zu bekommen, ist ein Riesen großes Thema.

    Spengler: Jürgen Hambrecht, der Vorstandsvorsitzende des Chemieunternehmens BASF, mit einem Appell, China zu helfen. Herr Hambrecht, danke für das Gespräch!

    Hambrecht: Gern geschehen.