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Basketball-Bundesliga
Finalturnier im gesellschaftlichen Ausnahmezustand

Nach den Fußballern nimmt auch die BBL den Spielbetrieb wieder auf. Ein Finalturnier findet ab Samstag in München statt. Wir klären die wichtigsten Fragen zum Turnier – und ordnen ein, wie die politische Debatte um Rassismus in den USA und Deutschland das Geschehen prägt.

Von Tobias Oelmaier, Niklas Potthoff und Victoria Reith | 05.06.2020
    Alex King, Bayern München, vor dem Beginn des Basketball-Finalturniers.
    Alex King, Bayern München, vor dem Beginn des Basketball-Finalturniers. (www.imago-images.de)

    Wie soll das Saisonfinale jetzt genau ablaufen?

    Ganz anders als in der Fußball-Bundesliga. Das sieht man schon daran, dass nicht alle Teams mitspielen, sondern nur zehn der 17 Mannschaften. Die werden in zwei Fünfergruppen aufgeteilt. Dort spielt jeder gegen jeden.
    Die besten Vier in jeder Gruppe qualifizieren sich dann jeweils für die K.o.-Runde. Ab da geht’s weiter mit Viertelfinale, Halbfinale und Finale. Jeweils mit Hin- und Rückspiel. Das Ganze wird drei Wochen dauern. Samstag beginnt das Turnier, das Finale ist am 28. Juni.

    Wie wird die Einhaltung der Corona-Maßnahmen organisiert?

    Das Finalturnier ist eine in sich fast hermetisch abgeschlossene Veranstaltung. Das heißt: Die Teams, Betreuer und Schiedsrichter werden isoliert, wohnen alle in einem Hotel in München. Das ist ausschließlich für die Basketballer reserviert, die nur zum Training und zu den Spielen das Gebäude verlassen dürfen.
    Es gibt keinen pysischen Kontakt zur Familie oder zu Freunden, keine Friseurbesuche, kein Essen-Gehen im Restaurant, kein Zimmerservice. Die Zimmer werden nur gereinigt, wenn die Spieler zum Spielen weg sind. Die Wäsche müssen die Teams selber waschen.

    Wer sind die Beteiligten?

    Zehn Teams à maximal 22 sogenannte Aktive, darunter fallen Spieler, Trainer, Betreuer, Ärzte, Physiotherapeuten und Sportdirektoren, also insgesamt 220 Personen, dazu die Schiedsrichter. Verlässt ein Spieler diese Quarantäne (etwa für eine Untersuchung im Krankenhaus), darf er erst zurück, wenn er negativ auf Corona getestet wurde.
    In die Halle zu den Spielen dürfen dann auch noch sogenannte Passive: Zeitnehmer, Sprecher, Scouter, Techniker, Sanitäter, Reinigungspersonal, Polizisten und Journalisten. Alle "Passiven" benutzen getrennte Zu- und Ausgänge und getrennte Zonen. In der Fußball-Bundesliga sind gut 300 Personen auf dem Stadiongelände erlaubt, beim Basketball maximal 130.

    Wie geht die Basketball-Bundesliga mit Anti-Rassismus-Äußerungen um, wie sie im Fußball wegen des Tods von George Floyd in den USA getätigt wurden?

    Dr. Stefan Holz, Geschäftsführer der BBL.
    Der Geschäftsführer der Bundesliga, Stefan Holz, meinte erst, grundsätzlich seien politische Äußerungen nicht erlaubt, man habe aber Verständnis, wenn es die Spieler beschäftige. Nach heftiger Kritik auf Social Media hat er dann klar gestellt, dass Spieler nicht sanktioniert werden, die sich solidarisch zeigen und gegen Rassismus einsetzen. Laut Holz plant die Liga nun zum Turnierstart ebenfalls ein deutliches Statement. "Wir haben in zwei Tagen eine Kampagne und einen Hashtag aus dem Boden gestampft", sagte er: "Wir werden die Position der Liga, die sich nicht verändert hat, morgen nochmal klar nach außen adressieren."
    Per Günther, Ratiopharm Ulm
    Per Günther von Ratiopharm Ulm hatte nach der anfänglichen Verwirrung um mögliche Sanktionen getwittert: "Liebe Mitspieler der Basketball-Bundesliga. Wenn ihr eure Meinung sagen wollt und gegen Rassismus im kommenden Turnier Stellung nehmen wollt, bitte tut das. Die ersten 10.000 (Euro) Strafen gehen auf mich." Dafür erntete Günther viel Applaus.
    Johannes Thiemann ALBA, wartet auf den Freiwurf.
    Johannes Thiemann von Alba Berlin hält Äußerungen von Profisportlern zu politischen und gesellschaftlichen Themen für wichtig. "Wir können Leute erreichen, sie bewegen, ihre Meinung zu überdenken. Oder solidarisch zu sein. Ich finde nicht, dass man sich als Sportler da raushalten sollte", sagte Thiemann dem "Spiegel": Man solle nicht zu vorsichtig sein, weil man Angst hat, eine Zielscheibe zu werden. Holz’ missverständliche Äußerungen zu Beginn bezeichnete Thiemann als "sehr, sehr schwaches Statement".
    Danilo Barthel, FC Bayern
    Danilo Barthel, Bayern München, sagte im ZDF-Fernsehen: "Wir haben sehr, sehr viel darüber diskutiert, was wir machen können. Und wir haben von Anfang an klar gesagt, dass wir uns gegen Rassismus stellen. So wird es auch während des Turniers von der einen oder anderen Mannschaft oder dem einen oder anderen Spieler ein Zeichen gegen Rassismus geben."
    Jan F. Orth, Vorsitzender Richter des Landgerichts Köln.
    Laut dem Sportrechtsexperten und Vorsitzenden Richter am Landgericht Köln, Jan F. Orth, widerspricht es den Regeln des Sports, die Meinungsbekundungen straffrei hinzunehmen, so wie es in der Fußball-Bundesliga passiert ist. Er sagte der FAZ: "Als Jurist schüttelt es einen, wenn man als Straftatbestände gesetzte Regeln hat, die für alle gelten sollen, aber über die man sich dann aus Gründen des ‚common sense‘ oder des ‚Augenmaßes‘ nach freiem Belieben hinwegsetzen dürfen soll. Ich sage ja nicht, dass die Spieler bestraft werden sollen, um Gottes willen. Ich sage nur: Es gibt eine Regel, die hat einen Sinn, sie ist nach meiner Auffassung klar übertreten worden." Wenn man Meinungsäußerungen genehmigen wolle, müsse man die Regeln ändern. Wenn man darüber entscheiden möchte, was zulässig und was unzulässig sei, müsse man dafür ein Gremium bestimmen.

    Wer sind die sportlichen Favoriten?

    Bayern München ist auch im Basketball inzwischen der klare Titelfavorit – schon die letzten zwei Meisterschaften holte sich das Team. Vor dem Abbruch der bisherigen Saison - deren Ergebnisse komplett annulliert wurden - stand Bayern auch auf Platz 1 mit nur zwei Niederlagen aus 21 Spielen. Dazu kommt: Das Turnier findet in München statt, in der heimischen Halle – wenn auch ohne Zuschauer.
    Durch die Umstände ist der Ausgang aber wenig berechenbar. Bei vielen Teams gab es Veränderungen während der Corona-Pause. Nachdem am 12. März die Liga unterbrochen wurde, sind viele US-Amerikaner zurück in die USA gegangen und nicht mehr zurükgekehrt. Viele Verträge wurden aufgelöst. Jedes Team durfte daher zwei Spieler nachverpflichten. Deswegen haben sich einige Mannschaften stark verändert.
    Gerade Teams wie die Riesen Ludwigsburg, die Überraschungsmannschaft der bisherigen Hauptrunde, die Merlins Crailsheim oder auch Alba Berlin werden sicher hoffen können, im neuen Turniermodus eine größere Chance zu haben, den dritten Bayern-Titel in Folge zu verhindern.
    Neben den teilweise neu zusammengestellten Kadern könnten dabei laut Bundestrainer Henrik Rödl auch die kurze Vorbereitung und der ungewohnte Rhythmus - mit zwei Spielen alle zwei Tage - eine Rolle spielen. Auch der Modus begünstigt Überraschungen: In normalen Playoffs muss ein Team mindestens drei Partien gewinnen. Jetzt gibt es nur ein Hin- und Rückspiel. Da kann ein schlechter Tag gleich das Aus bedeuten.

    Was sagen die Mannschaften zu dem Prozedere?

    Die Entscheidung, dass es weitergeht, haben alle 17 Teams einstimmig getroffen. Sieben Clubs haben sich dann aber dagegen entschieden, an dem Turnier teilnehmen. Unter den zehn Teilnehmern sind nun vorallem die Mannschaften, die sich Chancen auf den Titel ausrechnen können.
    Von den Top-Ten-Teams der Tabelle vor dem Saisonabbruch nehmen nur die die Würzburg Baskets nicht teil. Geschäftsführer Steffen Liebler meinte, es wären zu viele offene Fragen geblieben.
    Länderspiel, Deutschland - Belgien am 05.08.2017 in der Messe in Erfurt (Thüringen). Deutschlands damaliger Assistenztrainer Henrik Rödl steht vor dem Spiel auf dem Spielfeld.
    Im Dlf-Sportgespräch hatte Henrik Rödl das Konzept des Finalturniers als "überzeugend" bezeichnet und gesagt, es sei auch gut, dass die Spieler dabei mitgenommen würden. Er räumt ein, dass anfangs in der Kommunikation zwischen den Verantwortlichen und den Spielern nicht alles optimal gelaufen sei, aber mittlerweile "sei die Stimmung deutlich besser geworden."

    Warum muss die Saison überhaupt weitergespielt werden?

    Zum einen, weil den Clubs sonst noch größere finanzielle Einbußen drohen, als ohnehin schon. Zuschauereinnahmen gibt es zwar jetzt nicht und die Kosten für das Turnier in München sind hoch, aber bei einem Abbruch der Saison wären Sponsorengelder weggebrochen, sogar hohe Rückforderungen fällig geworden.
    Außerdem geht es um Aufmerksamkeit. Für Bayern Münchens Präsident Herbert Hainer ist das Turnier eine "einmalige Chance" und zugleich ein Mutmacher für andere Sportarten. "Dieses Finalturnier bringt uns wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zurück", sagte Hainer in einem Interview des "Focus".
    Und das Turnier hat Strahlkraft auch ins Ausland. Mit einem ähnlichen Konzept will auch die NBA in den USA ab Ende Juli wieder in die Saison einsteigen. Die Teams dort sollen in Disney World in Florida in Quarantäne untergebracht werden. Dann wäre die BBL sogar mal Vorbild für die große NBA.