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Bauern kämpfen um jede Tonne Getreide

Die Aussaatphase im vergangene Herbst war für die Landwirte zu nass und nun ist auch die Erntezeit verregnet. Das Erntejahr ist 2011 unterdurchschnittlich. Daher könnte laut dem Bauernverband der Getreidepreis steigen - und mit ihm auch der Brotpreis.

Anja Nehls im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Susanne Kuhlmann: Und damit kommen wir zum in diesem Sommer besonders strapazierten Thema: Wetter. Der Hochsommer fand im Frühjahr statt. Wochenlang schien die Sonne, kein Tropfen viel vom Himmel und die Bauern klagten über verdorrene Pflanzen auf den Feldern. Dann kam der Juli und mit ihm Kühle und Regen, viel Regen, was wiederum keine einfache Situation in der Landwirtschaft war. Manche Pflanzen konnten ihr Feuchtigkeitsdefizit aber ausgleichen, andere versanken dagegen im Wasser. Vor diesem Hintergrund präsentierte der Deutsche Bauernverband heute in Berlin seine Bilanz des Jahres 2011. - Anja Nehls, wie schlimm war diese Saison denn und wie wird sie sich auf die Lebensmittelpreise auswirken?

    Anja Nehls: Na die Saison war gar nicht gut, und es ist zu erwarten, dass die Lebensmittelpreise steigen, meint der Bauernverband. 39 Millionen Tonnen Getreide sind geerntet worden, im vergangenen Jahr waren es 44 Millionen Tonnen, und auch das vergangene Jahr war schon ein unterdurchschnittliches Erntejahr. Normal wären so ungefähr 45 Millionen Tonnen. Also die Bedingungen für die Bauern, die waren sehr schwierig, und das liegt daran, dass bereits im vergangenen Herbst die Startphase so schlecht war, also das Wetter zu der Zeit, in der ja das meiste Getreide ausgesät wird, und das hat besonders den Raps getroffen, sagt Dr. Helmut Born, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.

    Helmut Born: Wir haben im letzten Jahr eine schlechte Startphase gehabt für Getreide, die war zu nass. Dann hatten wir einen Winter, der in großen Teilen Deutschlands sogar Kahlfröste gebracht hat, also es lag kein Schnee und es war sehr kalt. Das hat uns die Rapsernte völlig durcheinandergebracht. Wir ernten nur 3,7 Millionen Tonnen, im letzten Jahr waren es 5,7 Millionen Tonnen.

    Nehls: Und ähnlich sieht es beim Weizen, beim Roggen und bei der Gerste aus. Überall sind die Erträge zurückgegangen. Lediglich für die Zuckerrüben, für Obst, für den Mais und das Grünland für die Heuernte war das Wetter in diesem Sommer okay. Ansonsten war ja bereits der Frühjahr der Sommer in diesem Jahr, tatsächlich, und das hat den Bauern gar nicht gefallen.

    Helmut Born: Wir hatten im April und im Mai Hitzeperioden, wie wir sie uns jetzt wünschten, und ganz, ganz niedrige Niederschläge, gerade im Frühjahr, wo die Ernte, im Mai kühl und nass, füllt Scheune und Fass. Also da, wo wir die Feuchtigkeit brauchten, hatten wir sie nicht. Und als wir ernten wollten ab Mitte Juni, hat es nur geregnet.

    Nehls: Und das Fazit ist: die Ernte war bis jetzt miserabel, aber die Bauern kämpfen immer noch um jede Tonne. Es ist also zu erwarten, dass die Preise für Getreide steigen. Das hat für uns Verbraucher Auswirkungen, zum Beispiel auf den Brotpreis, aber nicht nur, wie Dr. Helmut Born sagt.

    Helmut Born: Drei Viertel des Getreides ist Futtergetreide und wird dann zu Eiern, zu Milch und zu Fleisch. Die Verbraucher müssen davon ausgehen, dass in diesem Jahr, was jetzt folgt - mit der Ernte versorgen wir ja den Markt über zwölf Monate -, wir werden im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate Steigerungen haben, auch haben müssen, weil die Bauern wesentlich höhere Kosten auf der Dünge- und Energieseite haben. Also sie brauchen nicht nur wegen der niedrigen Ernte, sondern auch wegen der Kostenseite stabilere Nahrungsmittelpreise.

    Nehls: Die Bauern selber sind mit dieser Situation natürlich auch nicht zufrieden. Der Bauernverband fordert jetzt von der Politik bessere und vor allem finanziell attraktivere Möglichkeiten für die Bauern, Rücklagen zu bilden, wenn eben die Ernte mal so wahnsinnig schwankt. Rücklagen können nämlich bisher nur für spezielle Zwecke, zum Beispiel für die Anschaffung von Maschinen gebildet werden. Aber es können nicht Erträge zum Beispiel steuerneutral für schlechte Zeiten einfach auf die Seite gelegt werden.

    Helmut Born: Was wir erwarten ist eine Möglichkeit, dass wir in guten Jahren, wenn wir etwas Speck anlegen können, dass die Betriebe steuerneutral einen Teil ihrer Erträgnisse in eine Rücklage stecken können, die dann in so schlechten Jahren wie jetzt aufgelöst werden. Also das ist unser Wunsch aus diesem Witterungs- und Erntejahr heraus, dass der Finanzminister ein Einsehen hat, bei uns mehr Vorsorge im einzelnen Betrieb zuzulassen, damit wir mit diesen irren Schwankungen zurecht kommen können.

    Nehls: Auf jeden Fall ist nun auch der Begriff Klimawandel für die Bauern keine Floskel mehr, das hat der Bauernverband ganz deutlich festgestellt, und auf viel stärkere Schwankungen in der Ernte wegen unvorhergesehener und extremer Wetterlagen wird man sich dann wohl in Zukunft einstellen müssen.

    Kuhlmann: So weit Anja Nehls über die sehr mäßige Erntebilanz, die der Deutsche Bauernverband heute vorlegte. Danke schön nach Berlin.