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Bauern wehren sich gegen Hühnermast

3,33 pro Sekunde, 24.000 pro Stunde, 384.000 pro Tag - so viele Hähnchen werden in einem der größten Geflügelhöfe Deutschlands geschlachtet, in der niedersächsischen Südheide. Franz-Josef Rothkötter, der Firmenchef, will aber mehr: Bei Celle soll ein noch größerer Schlachthof entstehen.

Von Susanne Schrammar | 31.01.2011
    Jeden Montag Nachmittag treffen sie sich vor dem halb fertigen Betonbau vor den Toren von Wietze in der niedersächsischen Südheide die Mitglieder der Bürgerinitiative gegen den geplanten Großschlachthof. Schon seit mehr als 15 Monaten protestieren die Anwohner und Tierschützer, begleitet von vielen Medien. Sie wollen nicht, dass die Region, die vom Tourismus lebt, zu einer Hochburg der Massentierhaltung wird.

    Denn um die Schlachtanlage, in die täglich bis zu 432.000 Hühner gebracht werden sollen, wirtschaftlich betreiben zu können, müssen in der Umgebung rund 140 Mastanlagen gebaut werden. Seit Monaten versucht die Firma "Emsland Frischgeflügel" deshalb, Landwirte aus den umliegenden Landkreisen dafür zu gewinnen, entsprechend große Mastställe zu bauen. Doch bislang zeigen wesentlich weniger Landwirte als erwartet Interesse. Ein Erfolg des Protestes, sagt Uschi Helmers von der Bürgerinitiative in Wietze.

    "Es gibt Landwirte, die verzichten auf einen Maststallbau, weil sie um den Frieden im Dorf besorgt sind. Ich glaube, dass die Landwirte durch diese Signale, die sie bekommen, eigentlich auch vorsichtig geworden sind und nicht mehr so leichtfertig in eine so große Stallanlage investieren wollen."

    Eigentlich sollte der Schlachthof bereits im Frühjahr eröffnen – um die Grillsaison noch mitnehmen zu können, wie es heißt. Doch jetzt hat der Betreiber mitgeteilt, dass der Betriebsbeginn um ein halbes Jahr verschoben wird. Nach Angaben des Unternehmens sei die strenge Witterung schuld. Doch es gibt tatsächlich auffällig wenig Landwirte, die die nötigen Ställe für bis zu 40.000 Hühner bauen wollen. Im Landkreis Celle, sagt Hans-Heinrich Hemme von der Landwirtschaftskammer in Bad Fallingbostel, seien gerade mal fünf Bauanträge gestellt worden, in anderen Landkreisen sei die Zahl ähnlich gering. Die zunehmenden Proteste der Bevölkerung seien ein Grund für die zögerliche Haltung der Landwirte, so Hemme. Doch anders als im Emsland, wo das Unternehmen bereits seit Jahren einen großen Schlachthof betreibt, täten sich die Bauern in der Südheide viel schwerer.

    "Das ist eine völlig neue Produktionsrichtung, die man hier bisher so gut wie nie betrieben hat, in vergleichsweise großen Einheiten, das heißt also, es besteht ein gewisses Risiko, unter Umständen auch eine gewisse Abhängigkeit und gerade hier die Landwirte in dieser Heideregion sind es gewohnt, dass sie doch weitgehend allein entscheiden wollen und sich nicht so eng in solche Verpflichtungen einbringen möchten."

    Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, ebenfalls Gegner des Schlachthofes, glaubt, dass ein derzeit stattfindender Verdrängungswettbewerb unter den fünf großen deutschen Geflügelkonzernen mitverantwortlich für die Verzögerung sei. Derzeit würden bundesweit viel mehr Ställe gebaut als nötig, denn die Absatzzahlen für Geflügel stagnierten, so ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft. Auch ein Geflügelexperte der Universität Vechta hatte kürzlich vor der wachsenden Konkurrenz auf dem Geflügelmarkt gewarnt. Die hohen Investitionskosten könnten Landwirte in den Ruin treiben. Hans-Heinrich Hemme von der niedersächsischen Landwirtschaftskammer.

    "Man weiß, dass die Spannen in der Geflügelbranche recht gering sind, die Gewinnmagen recht gering sind, davon haben natürlich einige Angst, dass wenn sie dann das Produktionsgeschehen nicht so beherrschen, dass dann die Magen gen Null oder sogar ins Minus absinken können und insofern tun die sich ein bisschen schwer damit."

    Während Kritiker bereits von einem "Ende des Geflügelbooms" sprechen, will Wilhelm Hoffrogge, Präsident des niedersächsischen Geflügelverbandes, davon allerdings nichts wissen.

    "Wir haben hier noch erhebliches Wachstumspotenzial, bei Hähnchenfleisch von etwa 400 Gramm Zuwachs pro Jahr. Das ermöglicht also noch einer ganzen Reihe von Landwirten, also auch die Chance, in diesen Betriebszweig einzusteigen. Wachstumschancen sind da, wenn wir sie nicht nutzen, werden es andere tun."

    Sollte es bei dem zurückhaltenden Interesse der regionalen Landwirte bleiben, müsste der Schlachthofbetreiber auf Mäster aus der weiteren Umgebung zurückgreifen. Möglicherweise, glaubt Hans-Heinrich Hemme von der Landwirtschaftskammer, würden manche Landwirte aus dem Kreis Celle zunächst beobachten, wie sich der Schlachthof entwickelt und sich erst später für den Bau einer Mastanlage entscheiden.