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Bauernhof im Bottich
Mit Fermentation das Klima retten

Hefen und Bakterien lassen sich als winzige Bioreaktoren nutzen. Damit können Milchproteine, Spinnenseide, Aromastoffe und sogar Flugbenzin klima- und ressourcenschonender produziert werden. Doch was im Labor funktioniert, kann im Produktionsmaßstab in der freien Wirtschaft oft nicht bestehen.

Von Thomas Reintjes | 05.05.2019
Petri-Schale mit Agrar-Sülze
Petri-Schale mit Agrar-Sülze: Liegt im Invitro-Fleisch die Zukunft? (imago/Richard Wareham)
Der New Yorker Stadtteil Brooklyn, abends um sieben. Ich habe mich mit zwei Deutschen, die in der Stadt leben, hier verabredet. Stephanie Gast Zepeda und Simon Cordes. Ich möchte sie zum Burgeressen einladen.
Reporter: Ich würde einfach ganz gerne mit euch einen Burger essen heute Abend. Ja, und warum gucken wir nicht einfach mal in die Karten rein und gucken, was uns so zusagt. Du weißt schon?
Simon Cordes: Ja, ich nehme den Ruben Burger, schön mit Pastrami, Sauerkraut und Pickles. Hört sich gut an. Ist halt typisch New York.
Stephanie Gast Zepeda: Ich hab das noch nie probiert, deswegen würde ich das glaube ich auch mal bestellen.
Reporter: Habt ihr den Impossible Burger gesehen auf der Karte?
Stephanie Gast Zepeda: Ja, klang auch interessant.
Simon Cordes: Also, ich denke mal, dass das ein vegetarischer oder veganer Burger ist. Da bin ich kein Fan von. Es muss schon Fleisch sein.
Eine Frau hält einen Burger in den Händen. Darin steckt ein kleines Fähnchen mit der auuschrift "Impossible".
Schmeckt wie Fleisch, ist es aber nicht. Der "Impossible Burger" bekommt seinen Geschmack durch den Blutbestandteil Häm, der bei der Fermentation durch Hefe hergestellt werden kann. (Getty Images/Phillip Faraone)
Wegen des Impossible Burgers sind die drei hier, denn in Deutschland bekommt man ihn bisher nicht. Der Burger ist rein pflanzlich, soll aber nach Fleisch schmecken. Menschen wie Simon Cordes, die sagen "es muss schon Fleisch sein", sind genau die Zielgruppe dieses Produkts. Das sagte - bei der Einführung des Burgers in einem anderen Restaurant - der Gründer der Herstellerfirma, Pat Brown.
"Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt, die Fleisch lieben. Ich glaube, es ist unrealistisch zu hoffen, dass die irgendwann aufhören wollen Fleisch zu essen. Die Lösung ist nicht, sie zu bitten weniger oder kein Fleisch zu essen, sondern das Fleisch, das sie lieben, auf eine bessere Art und Weise herzustellen."
"Tiere als Mittel der Nahrungsproduktion zu ersetzen"
Das Thema beschäftigt Pat Brown jetzt schon seit Jahren. Seit er 2009 eine Auszeit von seiner Forscherkarriere nahm und eine neue Herausforderung suchte.
"Ich war 25 Jahre Forscher in Stanford. Mein Traumjob, ich habe diesen Job geliebt. Aber während eines Sabbaticals habe ich mich entschieden, mich dem wichtigsten Problem zu widmen, bei dem ich etwas bewirken kann. Und das war ohne Zweifel, Tiere als Mittel der Nahrungsproduktion zu ersetzen, weil das die zerstörerischste Technik der Welt ist."
Die Alternative, die Pat Brown vorschlägt: Fermentation. Hefezellen stellen für seinen Burger den Blutbestandteil Häm her, der ihm den fleischigen Geschmack gibt. Jeder einzelne Burger soll im Vergleich zu einem Fleischburger in etwa so viele Emissionen einsparen, wie ein Auto auf einer Strecke von 30 Kilometern produziert. Außerdem eine halbe Badewanne voll Wasser und sieben Quadratmeter Land.
Geschmackvoller Klimaschutz
Ähnliche Vorteile der Bioproduktion nennen andere Experten, beispielsweise Ralf Takors von der Universität Stuttgart. Obwohl er nicht flächenintensive Tierhaltung ersetzen will, sondern Aromen, die aus Pflanzen gewonnen werden.
"Man darf nicht die Augen davor verschließen, dass diese Aromen dann zwar in der Pflanze hergestellt worden sind, aber oftmals in Monokulturen, und die Monokulturen haben auch Nachteile. Agrarwirtschaftliche Nachteile, die eine Monokultur mit sich bringt, Überdüngung und Ähnliches und das Prinzip der Monokultur an sich. Und wenn ich dann stattdessen mit viel höheren Erträgen umgerechnet auf einen Hektar Land die gleiche Menge Aromastoff anders herstellen kann und den dann in die Lebensmittel zugebe, hat das Klima am Ende gewonnen."
"Anders herstellen" heißt: mittels Fermentation. Sein Institut in Stuttgart arbeitet mit einem Startup in den USA daran, das er nicht namentlich nennen will. Takors sagt, wenn die Mikroorganismen aus diesem Projekt mit einem Kilo Zucker gefüttert werden, erhalte er daraus 300 Gramm des Aromastoffs. Der Anbau der dafür nötigen Zuckerrüben oder des Zuckerrohrs verbrauche viel weniger Fläche als der Anbau der Pflanzen aus denen der Aromastoff bisher gewonnen wird – sei es die Rinde von Zimtbäumen oder Blütenblätter.
"Fermentation ist eine ganz alte Technik. Wenn Sie an unsere Lebensmittel denken wie Käse, wie andere Milchprodukte, wie auch Alkoholika, Bier, Wein und so weiter, das sind alles ganz ureigene biotechnische Produkte, vor Tausenden von Jahren zum ersten Mal entwickelt, ohne dass die Leute wussten, dass es da irgendwelche Mikroorganismen waren, die die Umsetzungen eigentlich durchgeführt haben."
Alte Technik neu entdeckt
Fermentation war also nie out, aber im Moment ist sie besonders in: Homebrewer fermentieren Getreide zu ihrem eigenen Bier, andere machen Sauerkraut oder Kimchi – fermentiertes Gemüse – selbst. Viele Hobbybäcker haben Sauerteig-Kulturen im Kühlschrank. Auch in der Industrie sind fleißige Mikroorganismen gefragter denn je. Hefen, Bakterien und Algen sollen landwirtschaftliche oder chemische Prozesse durch biologische ersetzen. Sie sollen beispielsweise das oft klimaschädlich gewonnene Palmöl schonender herstellen oder Probleme im Hanfanbau durch alternative Gewinnung von Opioiden lösen.
"Die Fermentation kommt insbesondere genau dann ins Spiel, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Wenn es darum geht, Prozesse zu entwickeln zu neuen Produkten im Bereich Gesundheit, im Bereich Lebensmittel, Kosmetika, Aromastoffe, Fein-Chemie, was auch immer. Um nachhaltig ein Produkt herzustellen, was vielleicht schon auf dem Markt ist, wo also das Verfahren an sich das Nachhaltige, das Neue ist, oder aber erst ganz neue Produkte zu entwickeln, die so hoch funktional sind, dass sie nur über solche Wege hergestellt werden können."
Nachhaltigkeit bedeutet für Ralf Takors, dass die Rohstoffe erneuerbar sind und dass der CO2-Fußabdruck minimiert wird. Hinzu kommen andere Umweltfaktoren, etwa Versauerung von Böden oder Emissionen von Methan oder Stickstoffmonoxid. In allen diesen Faktoren können Fermentationsprozesse traditionellen Produktionsmethoden überlegen sein – und damit auch ein anderes Problem angehen, sagt Alexander Mathys, Nachhaltigkeits-Experte von der ETH Zürich.
"Weltweit haben wir ein Bedürfnis, mehr Lebensmittel zu produzieren, weil wir eine steigende Weltbevölkerung vorfinden. Und das bedarf zum Beispiel, wenn wir mit den derzeitigen Früchten arbeiten, mehr Platz. Den haben wir nicht. Es gibt nicht mehr Agrarfläche, wir nutzen bereits unsere verfügbaren Agrarflächen. Und dann kommen Innovationen zum Tragen die weniger Land benötigen, die zum Beispiel mit Fermentation von Mikroorganismen arbeiten. Und das sind signifikante Herausforderungen für uns in der Akademia, aber natürlich auch für die Gesellschaft und für die Industrie."
Mehr Lebensmittel, mehr Platz?
Die effizienteren Produktionsmethoden könnten sogar doppelt gut für's Klima sein. Hersteller von Fleischalternativen hoffen etwa, dass durch die neuen Produkte Flächen frei werden, auf denen bisher Vieh steht. Diese könnten dann aufgeforstet werden, was gut für die CO2-Bilanz wäre. Daran glaubt Alexander Mathys aber nicht so recht.
"Ich denke, wir sollten uns über alternative Primärproduktion Gedanken machen. Und hier könnten Mikroorganismen eine signifikante Rolle einnehmen. Aber das heißt nicht, dass diese Mikroorganismen komplett unsere derzeitigen Früchte, zum Beispiel Getreide oder Soja, ersetzen können oder sollen. Das heißt einfach, dass unsere Landwirtschaft diverser werden kann, um die zusätzlichen Produktionskapazitäten, die notwendig sind, zu realisieren."
Pat Brown hat beim Impossible Burger allerdings genau das gemacht: Soja durch Fermentation ersetzt - aus den eben genannten Effizienzgründen. Das Häm ließe sich auch natürlich aus den Wurzeln der Sojapflanze gewinnen - aber in geringen Mengen. Die Hefen seiner Firma produzieren es hingegen anscheinend mit Leichtigkeit.
"Unsere Hefe produziert Häm in einem Fermenter, ähnlich wie in einer Brauerei, nur dass wir anstatt Bier das Häm-Protein für unsere Produkte herstellen."
Ein Portrait des Biochemikers Pat Brown. Er gestikuliert mit den Händen und spricht zu jemandem hinter der Kamera.
Der Biochemiker Pat Brown hat das Unternehmen "Impossible Foods" gegründet. (picture alliance/AP Photo/Mark Lennihan)
Im Burgerladen in Brooklyn habe ich meine beiden Gäste überzeugen können, den Impossible Burger zu probieren. Wir haben zwei davon vor uns und zum Vergleich einen Fleisch-Burger.
Reporter: Wie ist der optische Eindruck?
Simon Cordes: Sieht nicht gerade knusprig aus, sieht ein bisschen hell aus.
Stephanie Gast Zepeda: Also, wenn man genau hinschaut, denkt man schon, huch, was ist das für ein komisches Fleisch?
Reporter: Also dein richtiges Fleisch, das sieht schon ein bisschen fleischiger aus. Dann machen wir jetzt den großen Vergleich. Guten Appetit. Schmeckt gut, aber es fehlt der Biss. Also geschmacklich ist es auch nicht wirklich 100 Prozent Fleisch.
Simon Cordes: Also klar, man merkt, dass es kein Fleisch ist, aber ich finde den Geschmack gut. Ich könnte den auch jetzt jedes Mal bestellen.
Stephanie Gast Zepeda: Ich würd sagen, optisch ist es noch näher am Fleisch als geschmacklich.
Reporter: Meinst du, wenn du jetzt schon zwei Bier getrunken hättest, wäre das anders?
Stephanie Gast Zepeda: Schwierig. Also, je nachdem wie groß diese Biere sind... so nach zwei Halben...
Simon Cordes: ... Maß Bier auf dem Oktoberfest... ja, vielleicht.
Alleskönner dank Gentechnik
Es gibt eine ganze Reihe von Startups, die tierische Proteine mithilfe von Mikroorganismen produzieren wollen. Perfect Day Foods nutzt Hefen für Milchproteine. Bolt Threads will Spinnenseide im Fermenter herstellen. Modern Meadow's Hefe produziert Collagen, woraus das Unternehmen Leder herstellt. Dass Mikroorganismen dazu gebracht werden können, beinahe beliebige Moleküle zu produzieren, ist Gentechnik zu verdanken, sagt Ralf Takors.
"Das hat damit zu tun, dass gerade in den letzten Jahren, vielleicht Jahrzehnten, viele neue Techniken entwickelt worden sind um Mikroorganismen, sei es beispielsweise ein klassischer Mikroorganismus wie Escherichia Coli, sei es die Bäckerhefe, sei es andere, so gezielt zu verändern durch molekularbiologische Methoden, dass sie den Stoffwechsel der Zelle so verändern oder ganz neue Reaktionen hineinbringen, die den Weg vom Zucker zum Zielprodukt erst ermöglichen. Und im Endeffekt wird dann aus einem Mikroorganismus eine Produktionszelle, um Produkte herzustellen, die wir haben wollen."
Die Endprodukte, sagt Ralf Takors, sind von den natürlichen Molekülen nicht zu unterscheiden. Die Genveränderung betrifft nur die Mikroorganismen, die das Produkt herstellen. Im Endprodukt sind sie nicht enthalten. Trotzdem mahnt Alexander Mathys an, dass die Gentechnik-Komponente oft nicht klar genug kommuniziert wird.
"Wenn wir uns die Startups anschauen, die in dem Bereich arbeiten, wird dort oft gespielt: pflanzliche Quellen und Mikroorganismen, alles kein Problem. Ganz oft werden hier aber gewisse Inhaltsstoffe aus gentechnisch veränderten Zellen produziert. Ich möchte das nicht bewerten. Für mich ist das eine interessante Option und das muss jedes Unternehmen, auch jede Konsumentin und Konsument selber entscheiden, ob sie diesen Weg gehen möchten oder nicht. Für mich ist es nur wichtig, dass es klar kommuniziert wird und nicht nur im Internet auf der Seite x, Unterseite y, sondern auf der Verpackung."
Mathys fordert Transparenz, um Misstrauen ab- und Vertrauen aufzubauen. Nicht ohne Grund sitzen die meisten Bio-Industrie-Startups in den USA und nicht in Europa. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind hierzulande skeptischer gegenüber allem eingestellt, was mit Gentechnik zu tun hat.
Retortenfleisch - nichts für Deutsche?
"In Europa ist das Geld, das in solche Bereiche fließt, viel, viel geringer als es in USA ist. Dort sind Startups, die erfolgreich sind, vergleichsweise leicht in ein paar Jahren bei 100, 200 Millionen Dollar an Venture Capital. Davon können in der Regel europäische Startups, nur träumen."
Der Impossible Burger in Deutschland - wirklich impossible?
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier die Verbraucher auf so einen Burger springen würden, da gäb's wieder viele Diskussionen."
Stephanie Gast Zepeda: "Wenn das so künstlich hergestellt ist, dann würde ich glaube ich persönlich eher einen anderen vegetarischen Burger bestellen, der nicht versucht Fleisch zu imitieren als einen der so künstlich Fleisch versucht zu imitieren."
Reporter: Bei unserem Burgertest in Brooklyn finden wir Informationen über den Impossible Burger auf einem Flyer neben der Kasse. Stephanie Gast Zepeda sagt, sie habe nichts gegen Gentechnik, setzt aber lieber auf natürliche Zutaten. Simon Cordes stört die Gentechnik auch nicht. Er hat mehr Fragen hinsichtlich der anderen Inhaltsstoffe.
Simon Cordes: Wie zum Beispiel Coconut-Öl, muss ich halt sagen, ist ziemlich ungesund. Man sollte nicht davon ausgehen, dass der Burger auch gesund ist."
Reporter: "Ich frage mich halt, ob Leute wirklich, also.... Ich glaube Leute achten schon viel auf Gesundheit und so, aber ob jetzt jemand ans Klima denkt bei der Entscheidung, was er kauft und wie klimafreundlich oder umweltfreundlich das ist, was man sich auf den Teller tut, ist glaube ich nochmal eine ganz andere Frage."
Stephanie Gast Zepeda: "Ich weiß nicht. Für mich persönlich wäre das Klima noch eher ein Grund als die Gesundheit. Weil ich mir um meine Gesundheit jetzt - gut, ich bin ja noch jung und hab gute Gene - da mache ich mir einfach noch nicht so viele Gedanken. Ich glaube da mache ich mir schon mehr Gedanken um die Umwelt aber ich bin einfach ein bisschen zu desillusioniert vielleicht, als dass ich wirklich dran glauben könnte was jede einzelne kleine Tat... Natürlich setzt sich alles zusammen aus unseren kleinen einzelnen Taten, aber jede einzelne kleine Tat an sich muss innerhalb dieses Rahmens stattfinden, der sich so gestaltet, dass es auch wirklich nachhaltig sein kann. Ohne die Politik und den entsprechenden Rahmen bringt das alles nichts. Können wir alle Vegetarier werden, das Fleisch wird trotzdem subventioniert, wird halt weggeschmissen statt konsumiert..."
Tradition versus biotechnologische Revolution
Unsere Welt ist auf die traditionellen Produktionsweisen ausgerichtet. Wertschöpfungsketten, Industrie-Anlagen, Finanzwesen und Politik sind eingeschliffen auf Verfahren, die sich nicht leicht umstellen lassen. Vieles hängt damit zusammen, dass die Biotechnologie neu ist, während die Fleischwirtschaft oder die chemische Industrie Jahrzehnte und Jahrhunderte Zeit hatten, ihre Prozesse immer effizienter zu machen.
"Die Biotechnologie-Revolution ist faszinierend. Aber wir haben es schwer, konkurrenzfähig zu sein und Dinge herzustellen, die auf dem Markt bestehen."
Jonathan Holladay forscht am Pacific Northwest National Laboratory, einem Forschungsinstitut des amerikanischen Energieministeriums.
"Es gab schon ein paar Beispiele: Polymilchsäuren oder 1,3-Propandiol, mit dem man sehr interessante Polyester herstellen kann. Dupont hat das gemacht. Unternehmen gucken sich das an, aber sie sind nicht unbedingt so erfolgreich wie erhofft."
Ihn beschäftigen vor allem Ansätze, bisher erdöl- und erdgasbasierte Produkte von Mikroorganismen herstellen zu lassen. Kunststoffe beispielsweise. Aber offenbar ist das Öl zu billig im Vergleich zu den neuen Verfahren. Zwei amerikanische Unternehmen, die Bernsteinsäure von Bakterien herstellen lassen wollten, statt sie aus fossilen Rohstoffen zu gewinnen, sind unter dem Preisdruck kollabiert. Und das kalifornische Unternehmen Amyris hatte 2013 eine Kooperation mit dem Ölkonzern Total geschlossen. Inzwischen konzentriert es sich auf einen alternativen Markt:
"Bei Amyris haben sie immer davon geredet, Farnesene für Dieselkraftstoff zu produzieren. Aber sie sind im Treibstoff-Markt nicht konkurrenzfähig. Doch sie setzen dieselbe Komponente, die sie mittels Fermentation produzieren, jetzt in Kosmetik-Produkten ein, wo die Kosten ganz andere sind."
Energie aus Müll
Neben den Entwicklungskosten ist ein wichtiger Faktor das Ausgangsmaterial. Die Mikroorganismen müssen mit etwas gefüttert werden, das sie in das gewünschte Molekül verwandeln können. Das können Vitamine, Aminosäuren, Salze, Ammonium und mehr sein, aber vor allem Zucker oder Stärke. Und deren Preis kann schwanken. Hinzu kommen Energiekosten. Ein Startup, das sich über die Rohstoffkosten fast keine Gedanken machen muss, ist Lanzatech aus Chicago. Dort ist Michael Köpke Direktor der Abteilung für Synthetische Biologie.
"Die Mikroben, die wir verwenden, haben die spezielle Fähigkeit, Gase wie Kohlenmonoxid, CO2 oder Wasserstoff direkt zu verwerten und fermentieren zu können. Das können zum einen Abgase von der Industrie sein, beispielsweise Abgase von einem Stahlwerk oder der Metallverarbeitung. Diese Abgase können wir direkt für den Prozess einfangen, bevor sie zum Schornstein hinaus geblasen werden und als Treibhausgase in der Atmosphäre landen würden. Aus den Abgasen können wir dann durch den Fermentationsprozess über unseren speziellen Mikroorganismus Treibstoff oder andere Chemikalien herstellen."
Köpke nimmt dafür eine Bakterienart, die im Darm von Tieren und auch in Böden vorkommen kann und die in der Natur geringe Mengen Ethanol produziert. Er hat daraus einen Stamm gezüchtet, der sehr viel Ethanol produziert. Lanzatech hat anscheinend die Durststrecke überstanden, an der viele Startups scheitern: Mehr als zehn Jahre hat das Unternehmen in Forschung und Entwicklung investiert und laut Michael Köpke eine Pilotanlage 70.000 Stunden laufen lassen, um den Prozess zu perfektionieren. Bis im Mai 2018 die erste Anlage den Regelbetrieb aufnehmen konnte.
"Die erste kommerzielle Anlage ist jetzt am Laufen. Das ist zur Herstellung aus Ethanol aus Stahlwerk-Abgasen. Die Anlage ist in China direkt neben einem großen Stahlwerk. Pro Jahr produziert diese Anlage 48 000 Tonnen Ethanol zur Verwendung als Treibstoff für Autos."
Flugzeugtreibstoff aus Ethanol von Bakterien
Eine zweite Anlage ist neben einem Stahlwerk in Belgien im Bau. Mit der Menge Ethanol, die eine dieser Anlagen produziert, sagt Michael Köpke, könnten 100.000 Autos ein Jahr lang betankt werden. Im Endeffekt landet das CO2 aus dem Stahlwerk dann aber doch wieder in der Luft, wenn es aus dem Auspuff der Autos kommt. Zudem ist bei Autos absehbar, dass Verbrennungsmotoren der Vergangenheit angehören. Anders im Flugverkehr. Kommerzielle Flugzeuge werden auf absehbare Zeit weiter Treibstoff verbrennen. Michael Köpke hofft, dass dieser Flugzeugtreibstoff in Zukunft aus dem Ethanol von seinen Bakterien gemacht wird. Auch diesen Prozess entwickelt Lanzatech.
"Nach ausgiebigen mehrjährigen Tests wurde letztes Jahr im April dieser Flugzeug-Treibstoff zertifiziert und zugelassen. Im Oktober hatten wir einen ersten kommerziellen transatlantischen Personenflug mit einer mit Lanzatech-Flugzeug-Treibstoff betankten Boeing 747 von Orlando nach London."
Der Treibstoff sei herkömmlichem Kerosin sogar überlegen: Die Abgase enthalten weniger Schwefel und Ruß, es gebe 80 Prozent weniger Kondensstreifen, die sogar einen stärkeren Einfluss auf das Klima haben sollen als das ausgestoßene CO2. Und dieser Sprit hat eine höhere Energiedichte, was bedeutet, dass Flugzeuge weniger tanken müssen, somit leichter sind und weniger Abgase ausstoßen. John Holladay, der Forscher am amerikanischen Energieministerium, hat mit Lanzatech zusammengearbeitet und kennt den Prozess und die Vorteile des Treibstoffs genau. Trotzdem sagt er:
"Es ist sehr schwer mit Öl zu konkurrieren, ohne irgendeine Form von Kohlenstoff-Steuer oder Emissionshandel. Solange wir Kohlenstoff nicht besteuern, ist es sehr schwer mit Öl zu konkurrieren, ob Sie nun Treibstoff machen oder eine Chemikalie."
Oder umgekehrt: Lanzatech fordert, dass der Treibstoff aus Abgasen von der Politik als Bio-Treibstoff gefördert wird. Die Eisen- und Stahl-Industrie ist einer der größten Klimakiller: sie ist verantwortlich für rund ein Viertel der CO2-Emissionen in der Industrie. Wenn Lanzatech an allen Stahlwerken, bei denen es machbar ist, die Abgase fermentiert, ließe sich damit 20 Prozent des Flugbenzins ersetzen.
Billiges Fleisch und teurer Fleischersatz
Im Burgerrestaurant kommen die Besitzerin und ihr Sohn an unseren Tisch. Der Impossible Burger sei gerade ein großes Ding in Brooklyn, sagt Lesley Covitz Fulton. Ich erzähle ihr von unserem Gespräch, dass Stephanie meinte, Fleisch sei zu billig, und sage, dass mir aufgefallen ist, dass der vegane Burger der teuerste auf der Karte ist.
Er koste im Einkauf etwa dreimal so viel wie Fleisch, sagt sie. Umgerechnet zwölf Euro haben wir für einen Impossible Burger bezahlt. Der günstigste Hamburger auf der Karte kostet sieben Euro.
Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, dann werden alternative Produkte auf Basis von Mikroorganismen wohl teuer bleiben - und nicht bereit sein für einen wirklichen Massenmarkt, der global für signifikant mehr Nachhaltigkeit sorgt.
"Deswegen arbeiten wir auch hier zum Beispiel an der ETH Zürich mit vielen verschiedenen Partnern aus dem afrikanischen oder auch aus dem asiatischen Bereich zusammen, um Low-Tech-Lösungen zu ermöglichen."
Nicht jede Lösung funktioniere in jeder Region gleich gut, sagt Alexander Mathys. Wo es viel Sonne gibt, könne eine weitere Alternative wirtschaftlicher Proteine produzieren als Hefen und Bakterien: Mikroalgen.
"Bei den Mikroalgen könnten wir aus sehr einfachen Systemen, das wird bereits durchgeführt, diese Biomasse produzieren. Das sind Open Pond Systeme, die kann man sich vorstellen wie eine Badewanne. Wir haben Sonne zur Verfügung, entsprechend Wasser muss zur Verfügung stehen. Manche Algen wachsen auch sehr gut im Salzwasser. Das heißt hier kann man bereits ohne viel technischen Aufwand gerade so im kleineren Maßstab produzieren."
Lebensmittel aus Mikroalgen
Diese Mikroalgen können CO2 in Nahrung verwandeln - und das relativ unkompliziert unter freiem Himmel. Kompliziert könnte es allerdings werden, wenn es darum geht, daraus ein vermarktbares Produkt zu entwickeln, das den Appetit der Kunden anregt wie ein Burger, statt langweilig zu sein wie eine Reiswaffel.
"Da hat man wieder diese starke emotionale, soziale Komponente im Bereich der Konsumentenschaft. Was man nicht kennt, ist man erst mal skeptisch. Aber die neueste Smartwatch wollen alle haben. Das heißt, wir haben bei uns in der Branche vom Innovations-Push ganz andere Randbedingungen als vielleicht in der Elektronikbranche, wo alle sofort das neueste Produkt haben möchten. Also sehr konservative Konsumentinnen und Konsumenten wie auch sehr konservatives Business."
Bestehende Produkte zu imitieren hält Alexander Mathys nicht immer für den besten Weg. Was funktionieren mag, um Verbrauchern die neue Kost schmackhaft zu machen - vegane Milch, Fleisch aus dem Labor - das ist ihm anscheinend langfristig zu unkreativ. Der Nachhaltigkeits-Experte denkt an vollkommen neuen Lebensmittel, die sich aus Mikroalgen machen ließen, will damit aber noch nicht an die Öffentlichkeit.
"Das erste Brot wurde auch irgendwann mal gebacken. Das sieht ja auch nicht aus wie Getreide und das wurde signifikant mechanisch bearbeitet das wurde biotechnologisch bearbeitet und das wurde thermisch signifikant bearbeitet. Das ist ein hoch prozessiertes Produkt und alle lieben Brot. Und irgendwann wurde das Brot vorgeschlagen. Vielleicht müssen wir auch mal über solche Konzepte nachdenken. Das sieht dann halt ganz anders aus, kennt man vielleicht noch nicht. Wir könnten doch die ganzen Stärken der pflanzlichen Quellen noch viel besser ausspielen. Die Stärken so gut wie möglich nutzen und nicht immer ein Stück Fleisch kopieren oder simulieren wollen."
Bioproduktion ist nicht automatisch positiv fürs Klima
Im Hinblick auf die gesamte Kohlenstoffwirtschaft bleibt das Imitieren von herkömmlichen Produkten sicherlich ein wichtiger Treiber der Biotechnologie. Insbesondere dann, wenn das Imitat Eigenschaften hat, die dem Original überlegen sind: energiereicherer Treibstoff, biologisch abbaubares Plastik, einfacher zu gewinnende Aromastoffe. Michael Köpke empfiehlt allerdings, genau hinzusehen.
"Wichtig ist natürlich dabei: wie viel kann man herstellen über mikrobielle Prozesse? Und nicht unbedingt jeder Prozess ist positiv für das Klima."
Ein Vorteil, den die Bioproduktion langfristig ausspielen könnte, ist ihre Flexibilität. Köpkes Firma will inzwischen rund 50 verschiedene Produkte durch Fermentation von Abgasen produzieren können. In Zukunft will sie je nach Angebot und Nachfrage innerhalb kurzer Zeit von einem auf das andere Molekül umschwenken.
"Für die neuen Produkte benötigen wir eben nicht eine neue Anlage speziell für das Produkt sondern wir können einfach die Bakterien auswechseln. Dadurch kann eine Anlage, die heute Ethanol herstellt, dann in der nächsten Woche ein anderes Produkt herstellen und somit auf fluktuierende Preise reagieren. Das ist wirklich ein Paradigmenwechsel im Vergleich zur traditionellen Chemikalien-Herstellung, wo Anlagen nicht auf ein neues Produkt umschwenken können und zum Teil geschlossen oder lahmgelegt werden müssen, falls der Marktpreis fällt." Auch eine Art von Nachhaltigkeit.
"Ich weiß nicht, ob ich den Begriff Revolution oder Evolution verwenden soll. Denn es geht ja schon um eine gewisse Biologisierung unserer Technologie. Es ist ein großer Trend das, was bislang immer Chemie-basiert, Erdöl-basiert gewesen ist, eben nachhaltiger zu gestalten."
Simon Cordes: Also mein Fazit ist: Ich habe den Burger das erste Mal probiert. Hab das schon öfters auf Werbetafeln gesehen und auch auf Menükarten in Restaurants. Ich würde ihn nochmal bestellen, aber ich würde es wie gesagt mehr hinterfragen das Ganze. Es ist wirklich so gesund und gut für die Umwelt wie es gesagt wird, wie es versprochen wird. Ich würde das Ganze nochmal wirklich hinterfragen.
Reporter: Was nimmst du mit aus dem Abend?
Stephanie Gast Zepeda: Vegetarische Burger sind lecker. Und ich versuche nach wie vor im Privaten weniger Fleisch zu konsumieren, aber ich glaube nach wie vor dass wir einfach andere Politik brauchen, die es erlaubt, dass der Preis so gestaltet wird, dass die umweltfreundlichen Alternativen auch für den Geldbeutel freundlicher sind.
Reporter: Was ich mitnehme, ist auch so ein bisschen Nachgeschmack. Ich habe jetzt ziemlich fleischigen Nachgeschmack im Mund würde ich sagen.