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Bauhaus "ist ein hoher Kulturbegriff"

Als der Baumarkt 1960 den Begriff "Bauhaus" als Marke anmeldete, existierte die Bauhaus-Schule nicht mehr. Es ist nach Einschätzung der Direktorin des Bauhaus-Archivs in Berlin absurd, dass die Heimwerkermarktkette Markenrecht für diesen Begriff besitze.

Annemarie Jaegi im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 07.01.2013
    Tobias Armbrüster: Die deutsche Bauhaus-Epoche hat zwar nur wenige Jahre gedauert, aber dieser schlichte, geradlinige, einfache Designstil ist nach wie vor weltweit im Produktdesign und in der Architektur gegenwärtig. Den Stil darf jeder benutzen, aber wer unter der Bezeichnung "Bauhaus" ein Produkt verkaufen will, der bekommt bei uns in Deutschland ganz schnell große Schwierigkeiten, und zwar mit der Baumarktkette, die genauso heißt. Das hat jetzt wieder ein kleines, von Studenten gegründetes Textilunternehmen erfahren. Die Studenten wollten Taschen verkaufen mit der ironischen Aufschrift "My Bauhaus is better than yours", auf Deutsch also "Mein Bauhaus ist besser als Deins", und gemeint war natürlich die Stilrichtung, nicht der Baumarkt. Aber der Konzern hat sofort eine Abmahnung geschickt, eine Klage drohte, die Studenten mussten ihre Taschen wieder vom Markt nehmen. Ein kleiner Rechtsstreit um einen großen Begriff, gerade im Zusammenhang mit dem Namen Bauhaus kommt so etwas seit Jahrzehnten immer wieder vor. – Am Telefon ist jetzt Annemarie Jaegi, sie ist Direktorin am Bauhaus-Archiv in Berlin. Schönen guten Morgen!

    Annemarie Jaegi: Guten Morgen nach Köln.

    Armbrüster: Frau Jaegi, wem gehört denn der Name Bauhaus, den Rechtsnachfolgern der Bauhaus-Schule oder der Baumarktkette?

    Jaegi: Ja so einfach ist das gar nicht zu beantworten. Wir haben es hier mit dem Markenrecht zu tun, und da gelten eigene Gesetze, und zwar in erster Linie geht die Priorität nach der ersten Anmeldung. Wer zuerst eine Marke, in diesem Falle Bauhaus, angemeldet hat und vor allem Warenklassen besetzt hat - also alle Waren, die man sich überhaupt vorstellen kann, die hergestellt und vertrieben werden können, sind in Kategorien aufgeteilt, und dann besetzen sie diese sogenannten Warenklassen -, da war der Baumarkt einfach schneller.

    Armbrüster: Das heißt, wenn man heute einen Tisch oder eine Lampe unter dem Namen, unter dem Label "Bauhaus" verkaufen wollte, würde man Probleme kriegen?

    Jaegi: Man würde unter Umständen Probleme bekommen. Man müsste genau schauen, welche Warenklassen sind bereits besetzt. Es kommt sicher auch darauf an, wie man diesen Namen "Bauhaus" verwendet, verwendet man ihn pur, verwendet man ihn mit einem Zusatz. Das sind Dinge, die man abwägen muss, und dann muss man schauen, wenn man eine solche Anmeldung wagt, ob man dann Schwierigkeiten bekommt und ob ein Widerspruch eingelegt wird oder nicht.

    Armbrüster: Widerspruch eben von der Baumarktkette, wenn ich Sie richtig verstehe?

    Jaegi: So ist es.

    Armbrüster: Wieso kann denn ausgerechnet ein deutscher Baumarkt – da denken jetzt vielleicht viele, das ist ja ein sehr schnödes Unternehmen -, wieso kann ein solches Unternehmen, ein solcher Konzern frei über diesen doch großen Kulturbegriff verfügen und die Verwendung dieses Begriffs auch anderen Firmen bei ihren Verkaufsaktivitäten untersagen?

    Jaegi: Als der Baumarkt seine Marke angemeldet hat und die ersten Warenklassen besetzt hat, geschah das im Jahr 1960. Das Bauhaus als Schule existiert ja seit 1933 nicht mehr. Und meine Einrichtung, das Bauhaus-Archiv, hat 1971 eine Klage angestrengt, um festzustellen, ob der Baumarkt überhaupt diesen Namen verwenden darf. Und argumentiert hat mein damaliger Vorvorgänger immer damit, dass Walter Gropius den Namen "Bauhaus", diesen Begriff selbst geprägt hat, und Walter Gropius hat dem Bauhaus-Archiv das Recht gegeben, diesen Namen zu verwenden. Da sind wir aber, das Bauhaus-Archiv, vor Gericht unterlegen. Die Richter haben sich dieser Argumentation nicht anschließen wollen.

    Armbrüster: Ist das denn nicht absurd, dass ein Baumarkt sozusagen da die Finger drauf hat, auf diesem Namen?

    Jaegi: Das ist es natürlich, weil unter "Bauhaus" versteht man natürlich etwas anderes als einen Heimwerkermarkt. Deutschland ist ja in der ganzen Welt, in der Welt, die sich für Design und Architektur interessiert – und das sind nicht wenige Menschen auf dem Globus -, Deutschland ist dafür bekannt, dass das Bauhaus aus Deutschland kommt, und das ist ein hoher Kulturbegriff.

    Armbrüster: Es gibt jetzt ja nicht nur Ihr Bauhaus-Archiv in Berlin, sondern auch noch Einrichtungen an den ehemaligen Bauhaus-Standorten in Weimar und auch in Dessau. Geht Ihnen allen Geld durch die Lappen, weil Sie Sachen gerne verkaufen würden unter dem Namen "Bauhaus", die Sie nicht verkaufen können?

    Jaegi: Ganz sicher! Beziffern lässt sich das natürlich nicht. Aber Museen – und das betrifft nicht nur mein Haus, das Bauhaus-Archiv, sondern wie Sie schon sagten die Stiftung Bauhaus Dessau und das Bauhaus-Museum in Weimar -, Museen sind zunehmend darauf angewiesen, Einkünfte zu generieren und Museumsshops zu betreiben, und wir würden natürlich gerne auf dem Feld historischer Bauhaus-Gegenstände in Re-Editionen auf dem Markt stärker vertreten sein, als wir es jetzt schon sind. Und das ganze Merchandising ist etwas, was Museen einfach brauchen.

    Armbrüster: Gibt es denn da regelmäßige Gespräche zwischen Ihnen und der Baumarktkette?

    Jaegi: Vonseiten des Bauhaus-Archivs nicht, aber mein Kollege Philipp Oswalt aus Dessau strebt das jetzt an, er will auf die Baumarktkette zugehen und er schlägt so etwas vor wie eine kultivierte Koexistenz, und das könnte durchaus ein Weg sein, wenn sich der Baumarkt darauf einlässt.

    Armbrüster: Sind Sie da optimistisch?

    Jaegi: Das wird sich zeigen.

    Armbrüster: …, sagt Annemarie Jaegi, Direktorin am Bauhaus-Archiv in Berlin, zu den immer wiederkehrenden Rechtsstreitigkeiten um den großen Namen Bauhaus. Vielen Dank, Frau Jaegi, für das Gespräch.

    Jaegi: Ich danke Ihnen – Tschüß!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.