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Baum: Menschenrechtspolitik wird anderen Zielen untergeordnet

Der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen für den Sudan, Gerhart Rudolf Baum, hat kritisiert, dass der mit internationalem Haftbefehl als Kriegsverbrecher gesuchte sudanesische Präsident Omar al-Baschir im Beisein zahlreicher diplomatischer Vertreter - auch des Westens - vereidigt wird.

Gerhart Rudolf Baum im Gespräch mit Gerd Breker | 27.05.2010
    Gerd Breker: Der mit internationalem Haftbefehl als Kriegsverbrecher gesuchte sudanesische Präsident Omar al-Baschir wird heute vereidigt, und das im Beisein zahlreicher diplomatischer Vertreter auch des Westens. Al-Baschir hatte nach offiziellen Angaben bei den ersten Wahlen seit 24 Jahren 68 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Die Oppositionsparteien im größten Land Afrikas, die ihre Kandidaten kurz vor der Wahl zurückgezogen hatten, sie warfen al-Baschir und seiner Partei Wahlfälschung und Behinderung des Wahlkampfes vor.

    Am Telefon bin ich nun verbunden mit Gerhart Rudolf Baum, ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Vereinten Nationen für den Sudan. Guten Tag, Herr Baum.

    Gerhart Rudolf Baum: Guten Tag!

    Breker: Da lässt sich einer nach einer zweifelhaft inszenierten Wahl feierlich ins Präsidentenamt einführen, der per internationalem Haftbefehl gesucht wird, und die Staatengemeinschaft nimmt Anteil. Das kann man pragmatisch nennen, das kann man naiv nennen, auf jeden Fall ist das eine schallende Ohrfeige für den Internationalen Strafgerichtshof, Herr Baum.

    Baum: Ja, das ist so. Der Gerichtshof ist ein ganz großer Fortschritt im internationalen Völkerrecht gewesen. Er ist vor acht Jahren eingerichtet worden. Es findet jetzt in Kürze eine große internationale Konferenz statt, wo der Gerichtshof gefeiert wird, wo man seine Existenz noch mal bekräftigt, und die Wirklichkeit sieht anders aus und das macht sich fest an diesem Haftbefehl. Das ist ja nicht von Pappe, dass ein amtierender Staatspräsident wegen Menschenrechtsverbrechen jetzt zur Fahndung ausgeschrieben ist, und das schon seit einem Jahr, und im Grunde die Völkergemeinschaft keinen Nachdruck darauf gesetzt hat, dass dieser Haftbefehl auch umgesetzt werden kann.

    Breker: Dass die Vereinigten Staaten das nicht tun, Herr Baum, das mag ja daran liegen, dass sie überhaupt Probleme mit dem Internationalen Strafgerichtshof haben.

    Baum: Das stimmt. Sie haben sich aber durch die Stimmenthaltung damals dem Mandat, die Verbrechen in Darfur zu untersuchen, nicht widersetzt. Sie haben jetzt eine ziemlich zweifelhafte Position eingenommen im Sudan. Sie sind der Meinung, man müsse jetzt die Regierung tolerieren. Sie möchten, dass im nächsten Jahr eine Volksabstimmung im Süden stattfindet, mit der dann der Süden wahrscheinlich sich abtrennt vom Norden. Diese Ruhe, die sie jetzt propagieren, steht in einem Widerspruch zur Menschenrechtsposition und zum Völkerrecht, und das ist bedauerlich. Die Chinesen spielen noch ihr eigenes Spiel. Der Sudan ist immer wieder hoch gekommen, er hat immer wieder seine verheerende Politik fortsetzen können, weil die Völkergemeinschaft uneinig war.

    Breker: Und weil es im Süden des Landes Öl gibt.

    Baum: Und weil es auf der Grenze zwischen Nord und Süd Öl gibt, und dies hat zu einer Verständigung zwischen dem Norden und dem Süden geführt. Ob sie hält, wird man sehen. Aber wir dürfen nicht vergessen: Der große westliche Landesteil, so groß wie Frankreich, Darfur, ist eine offene Wunde. Hier geht der Bürgerkrieg weiter. Mehr als zweieinhalb Millionen Menschen vegetieren dahin in Lagern, viele sind umgekommen und es ist keine Besserung in Sicht. Jetzt, wenn Baschir heute eingeführt wird, wird er sich bestärkt fühlen, er wird sich reingewaschen fühlen durch die zweifelhafte Wahl, und solange der Westen, solange die Völkergemeinschaft nicht nachdrücklich auf einen Friedensprozess im ganzen Sudan setzt, wird das weitergehen, und ich fürchte, dass es eher noch schlimmer wird.

    Breker: Aber die Tatsache, Herr Baum, dass überhaupt diplomatische Vertreter der Europäischen Union, diplomatische Vertreter Deutschlands an der Amtseinführung teilnehmen, das ist doch grotesk.

    Baum: Ja, das ist wirklich grotesk. Ich meine, die Deutschen haben das schon abgemildert, sie schicken einen rangniederen Beamten, andere Staaten wollten den Botschafter schicken. Das ist ein solcher Widerspruch in sich. Denken Sie mal zurück an die Festnahme von Milosevic, von einem anderen Gericht in Den Haag veranlasst; da war die Völkergemeinschaft sehr konsequent. Hier ist sie nachsichtig und beschädigt das Ansehen des Internationalen Strafgerichtshofs. Entweder man erkennt ihn an und will seine Autorität stärken, dann kann man sich nicht so verhalten, wie die Staaten es heute tun bei der Amtseinführung des mit Haftbefehl gesuchten Präsidenten.

    Breker: Aber das deutsche Außenamt, Herr Baum, wird vom FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle geführt.

    Baum: Das ist so. Man muss allerdings sagen, dass das Außenamt sich bemüht hat, bei der Abstimmung der Europäer eben möglichst wenig Flagge zu zeigen heute in Khartum. Da gibt es keine einmütige Haltung, jeder macht was er will. Die Deutschen immerhin haben ihre Repräsentanz reduziert. Besser wäre es gewesen, wenn niemand hingegangen wäre und damit klar gemacht hätte, dass die Autorität des Internationalen Gerichtshofs höher anzusiedeln ist als diese fragwürdige Amtseinführung.

    Breker: Offenbar will man mit den Mächtigen weiter reden.

    Baum: Das ist so und hier geht es um Wirtschaftsinteressen, hier spielt China eine ganz große Rolle. Es ist wieder der fatale Eindruck, dass die Menschenrechtspolitik untergeordnet wird anderen Zielen. Der Schlüssel für diese Änderung im Sudan liegt in Khartum. Nur durch Druck auf die Regierung in Khartum wäre eine Änderung schon seit Jahren möglich gewesen, aber die Völkergemeinschaft hat sich nie auf eine klare Linie verständigen können und davon profitiert das Regime in Khartum.

    Breker: Und darunter leiden die Menschen in Darfur?

    Baum: Darunter leiden die Menschen. Die Menschen sind nicht nur in Darfur, sondern auch in anderen Landesteilen marginalisiert. Es gibt Gebiete, die vollkommen vernachlässigt worden sind. Es ist ja nicht von Ungefähr ein Aufstand in Darfur vor einigen Jahren ausgebrochen, weil sie sich benachteiligt fühlen. Im Übrigen hat es ein Abkommen gegeben vor der Wahl, vor einigen Wochen zwischen der größten Rebellenorganisation in Darfur und der Regierung. Das war ein wirklich Aufsehen erregender Schritt. Nichts von diesem Abkommen ist umgesetzt worden. Das heißt, die Politik, die Darfur-Krise militärisch und nicht politisch zu lösen, geht weiter.

    Breker: Der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen für den Sudan, Gerhart Rudolf Baum, im Deutschlandfunk.
    Sudans Präsident Omar al-Baschir nimmt in Khartum eine Militärparade ab.
    Sudans Präsident Omar al-Baschir nimmt in Khartum eine Militärparade ab. (AP)