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Baustelle auf hoher See

Technologie.- Windparks auf hoher See boomen. Experten gehen davon aus, dass künftig pro Jahr 800 Windräder auf dem Meer installiert werden. Das Problem: Mit Montageschiffen lassen sich die Windmühlen der neuesten Generation nur schwer aufstellen. Dazu sind sogenannte Hubinseln nötig.

Von Frank Grotelüschen | 06.05.2010
    "Hier haben wir das wirklich gigantische Bein direkt vor uns. 3,70 Meter im Durchmesser!"

    Ein wenig ehrfürchtig steht Chefingenieur Theo Behr-Kuder vor einem wuchtigen Zylinder aus hochfestem Stahl. Es ist ein Bein von Thor. Die Thor gehört der Hochtief AG und zählt zu den größten Hubinseln weltweit. Sie soll Windräder auf hoher See montieren. Dazu braucht es einen festen Stand. Für den sorgen vier Beine an den Ecken des pontonartigen Schiffes. Jedes ist 83 Meter lang und flexibel ein- und ausfahrbar. Dafür sind enorme Kräfte nötig – und Unmengen an Energie. Erzeugt wird die Energie von Dieselgeneratoren. Einen Teil ihres Stroms liefern sie in einen Raum mit wuchtigen Zylindern und dickwandigen Röhren. Die Kraftzentrale für den Hebemechanismus.

    "Das sind die Hydraulik-Pumpen, zehn Stück an der Zahl. Und damit können wir die Beine fahren. Ein Meter pro Minute können wir mit diesen Beinen fahren. Das ist eine astronomische Geschwindigkeit. Wir bringen fast 9000 Tonnen aus dem Wasser heraus. Und das mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Minute. Das ist wirklich eine sportliche Aufgabe."

    Selbst bei Wassertiefen von 50 Metern kann sich die Thor am Meeresgrund abstützen, um sich dann noch 20 Meter in die Höhe zu hieven – hoch genug, um einem Orkan zu trotzen. Am Ende steht sie mitten im Meer, fast so stabil wie eine Plattform. Gesteuert wird das Ganze auf der Brücke. Dort steht Kapitän Steffen Müller an Kontrollpulten voller Anzeigen und Knöpfen. Doch bevor die Thor ihre Stelzen ausfahren kann, muss sie erst ihre genaue Position finden. Dabei helfen ein präzises GPS-System und ein ausgefeilter Antrieb.

    "Mit unserem Positionierungssystem bewegen wir uns auf die Endposition zu. Dafür benutzen wir unsere vier 360 Grad drehbare Ruderpropeller, mit deren Hilfe wir dieses Schiff exakt auf die Position bringen. Wir reden von Genauigkeiten unter einem Meter."

    Müller zeigt auf vier Joysticks – die Steuerungen für die vier Stelzen.

    "Man kann sich das nicht so vorstellen, dass man den Knopf drückt und dann geht es wie beim Fahrstuhl nach unten oder nach oben. Sondern man muss sehr genau jedes Bein einzeln fahren, um die Insel aus dem Wasser zu bringen."

    Im Vorfeld wird der Meeresboden genau untersucht. Müller und seine Crew müssen wissen, ob der Grund weich ist oder hart, eben oder schief. Drei bis sechs Stunden dauert die Prozedur, dann hat die Insel einen sicheren Stand.

    70 Meter lang und 40 Meter breit ist das Deck der Thor – halb so groß wie ein Fußballfeld. Am Ende thront der Kran. Er ist hoch genug, um die Windräder auf dem Meer aufzustellen, sagt Chefingenieur Behr-Kuder.

    "Dieser Kran ist eine Einzelanfertigung und eine einmalige Sache. Kann 400 Tonnen nehmen, mit dem kürzeren Ausleger über 500 Tonnen."

    Dann, nach getaner Arbeit, zieht die Thor ihre Füße wieder ein. Gerade bei weichen Böden eine heikle Sache. Dann nämlich kann die Hubinsel ein paar Meter tief in den Schlick gesackt sein.

    "Wenn man sich das im Wattenmeer vorstellt mit Gummistiefeln: Man sackt ein und versucht dann, den Stiefel wieder herauszuziehen – das kann manchmal ein bisschen schwierig sein."

    Für diese Fälle haben die Stelzen spezielle Spülsysteme. Sie können den Schlick ganz einfach wegspülen. Nun wird viel Arbeit zukommen auf die Besatzung. Denn in den nächsten Jahren sollen Aberhunderte von Windrädern in der Nordsee entstehen. Die ersten Aufträge hat die Thor schon sicher.