
Ganz so einfach, wie die Sache heute in der "Süddeutschen" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" dargestellt wird, ist sie dann eben doch nicht. Dort klingt es fast so, als habe der Bayer-Konzern die wertvolle Bronzestatue aus dem 16. Jahrhundert 2015 vor allem deswegen in die Schweiz gebracht, um ein später drohendes Ausfuhrverbot zu umgehen. Schließlich stand das neue Kulturgutschutzgesetz vor der Verabschiedung, und ein Kunstwerk, das 340 Jahre lang eng mit dem Dresdner Hof und seinen Kunstsammlungen verbunden war, hätte durchaus zu nationalem Kulturgut erklärt werden können.
Unbefristete Ausfuhrerlaubnis
Ist es aber nicht – obwohl das auch 2015, nach den alten Vorschriften, schon möglich gewesen wäre. Ohne Probleme habe die beauftragte Spedition den sogenannten "Freibrief" bekommen, sagt Bayer-Kulturchef Thomas Helfrich, um Giambolognas "Mars" nach Zürich zu transportieren. Dort hatte das angesehene Landesmuseum für eine Ausstellung um die Leihgabe gebeten, die in Deutschland offenbar nicht als "nationales Kulturgut" angesehen wurde. Die Ausfuhrerlaubnis sei eine unbefristete gewesen. Nur deshalb war es möglich, das Kunstwerk anschließend von Zürich statt zurück nach Leverkusen nach Basel zu bringen: Bayer habe zu dieser Zeit eine Pharma-Sparte der Firma Merck übernommen und deshalb erstmals ein Vorstandsmitglied mit Sitz in der Schweiz gehabt. Sein Büro sollte die Renaissance-Plastik künftig schmücken. Auf diese Weise, so Helfrich, wurden auch noch Transportkosten gespart.
Verpflichtung zum höchstmöglichen Preis
Irgendwann habe man in der Konzernspitze dann entschieden, den Giambologna zu verkaufen und sich auf zeitgenössische Kunst zu konzentrieren. Warum nicht an die Kunstsammlungen nach Dresden? Weil eine Aktiengesellschaft verpflichtet sei, den höchstmöglichen Preis zu erzielen – und das auf transparentem, für die Aktionäre nachvollziehbarem Weg, sagt das Unternehmen. Und das gehe nur über eine Auktion. Das allerdings stimmt nicht. Die Kulturstiftung der Länder zeigt seit vielen Jahren, dass auch über unabhängige Gutachten Werke für öffentliche deutsche Sammlungen zu Preisen erhalten werden können, die denen am Kunstmarkt in nichts nachstehen. Und der – allerdings immaterielle – Imagegewinn, den ein Verkauf nach Dresden Bayer eingebracht hätte, wäre ungleich größer gewesen als der Imageschaden, den das Unternehmen, das seine Gewinne seit 155 Jahren von Deutschland aus einfährt, jetzt verarbeiten muss. Ein Anruf in Dresden wäre also nicht nur eine gute Geste, sondern auch ein unternehmensstrategisch geschickter Schachzug gewesen. So eng liegen Kunst und Kommerz bisweilen beieinander.
Wie kann Abverkauf verhindert werden?
Schwarz-Weiß-Malerei führt im Fall des Bayer-Giambologna trotzdem nicht weiter. Wichtiger wäre, über die Frage nachzudenken, wie in Zukunft der Abverkauf wichtiger Werke aus Deutschland verhindert werden kann, um sie für öffentliche Sammlungen zu sichern. Die Endlosdebatte darüber, was denn für den Staat "national wertvoll" ist, ist jedenfalls wieder einmal nicht die richtige Antwort gewesen. Bund und Länder sollten lieber sagen, woher in Zukunft das Geld für entsprechende Ankäufe kommt. Und wann sich Museen, die bislang trotz Kulturstiftung ein Drittel des Preises selbst aufbringen müssen, angesichts auf null gefahrener öffentlicher Ankaufetats überhaupt wieder trauen, noch über Erwerbungen in dieser Preisklasse nachzudenken.