Sebastian Wellendorf: Eine liebevolle Umarmung. Das ist der beste Weg, den Partner oder die Partnerin glücklich zu machen. Isso. Woher weiß ich das? Eine Onlineumfrage der Zeitschrift Fit for fun hat das rausgefunden, über 1000 Leser haben sich daran beteiligt. Onlineumfragen sind ein gutes Mittel, um die Mehrheitsmeinung zu wichtigen Themen zu erfragen. Was früher umständlich per Telefon und mit langem Vorlauf zustande kam, Stichwort Infratest Dimap, das ist heute per Online-Umfrage schnell und einfach einzuholen und produziert griffige Überschriften dazu. Das Problem ist, dass diese Form gerade in politischen Kontexten oft nur ein sehr ungenaues Bild der Realität widerspiegelt. Und mittlerweile hat sich auch der Deutsche Presserat schon mehrere Male mit Online-Umfragen befasst. Im jüngsten Fall ging es um Umfragen auf den Online-Seiten der Bayerischen Staatszeitung. Ich hab Stefan Fries aus der mediasres-Redaktion gefragt, um was für eine Umfrage da ging?
Umfragen ohne großen Aufwand manipulierbar
Stefan Fries: Die Bayerische Staatszeitung erscheint ein Mal die Woche und stellt da dann immer auch eine Frage der Woche, bei der bayerische Politiker ihre Position zu einem Thema darstellen können - der eine pro, der andere contra. Und in die Leser können sich dann online auch entsprechend entscheiden, und auf ja oder nein klicken. Das Problem war: Man konnte die Umfragen manipulieren, weil man mehrmals abstimmen konnte, und damit konnte man die eine oder andere Seite auch so übermäßig befürworten, dass das Ergebnis verfälscht war. Und man konnte sogar auf diese Weise das Verhältnis zwischen von Ja- und Nein-Stimmen umdrehen.
Das andere Problem dabei war: Die Redaktion hat aus diesen Umfragen wieder Artikel gemacht, in denen sie behauptet hat, so und so seien die Meinungen bei ihren Lesern vertreten, dabei kann man das aus den Daten gar nicht herauslesen - besonders nicht, wenn sie manipuliert sind.
Wellendorf: Der Deutsche Presserat hat ja schon im Dezember über diesen Fall beraten, die Entscheidung ist jetzt öffentlich geworden. Wie hat er entschieden und wie hat er die Entscheidung begründet?
Fries: Ja, er hat der Beschwerde stattgegeben und gesagt: Die Umfragen sind manipulierbar und hätten so nicht erscheinen dürfen. Und auch die Berichterstattung darüber sei nicht sorgfältig genug gewesen, weil die Redaktion, zumindest in einigen Fällen, nicht darauf hingewiesen habe, wie aussagekräftig - beziehungsweise wie wenig aussagekräftig - die Umfragen eigentlich sind. Der Presserat hat einen Hinweis ausgesprochen - das ist eine relativ sanfte Sanktion. Darüber muss die Redaktion nach den Regeln des Pressekodex nicht mal die Öffentlichkeit informieren - was sie in dem Fall auch gar nicht gemacht hat. Das hat der Beschwerdeführer gemacht. Und dass sie einer Rüge oder sogar einer öffentlichen Rüge entgangen ist, mag wahrscheinlich darauf zurückzuführen sein, dass sie einsichtig war und die bemängelten Online-Umfragen sogar noch vor der Entscheidung des Presserats offline genommen hat. Das waren über 320 Umfragen, und die Redaktion hat auch erklärt, künftig auf solche Umfragen zu verzichten.
Wellendorf: Sie haben eben schon angesprochen, wie die Umfrage manipuliert worden war - also man konnte mehrfach abstimmen. Wie funktioniert das technisch? Das muss denen doch auch aufgefallen sein.
Online-Umfragen mit wenig Aussagekraft
Fries: Sie wussten das auch, weil der Beschwerdeführer sie darauf hingewiesen hat. Und sie haben versucht, es sicher zu machen. Der technische Trick ist: Wenn man einmal abstimmt, setzt der Browser einen Cookie, und dann weiß der Browser: über dies IP-Adresse ist schon mal abgestimmt worden. Aber man kann die Cookies ja einfach löschen. Und der Beschwerdeführer hat das in diesem Fall gemacht. Das ist Dirk Wildt, ein Software-Entwickler aus Passau und auch Lokalpolitiker der Grünen, und er wollte damit demonstrieren, wie unsicher diese Umfragen sind. Und nachdem er die Redaktion mehrmals darauf hingewiesen hat, auch mit dem Chefredakteur telefoniert hat, und der immer gesagt hat, wir ändern das, wir ändern das. Am Ende haben sie herausgefunden: Es gibt gar kein technisches Mittel, um dieses Ding sicher zu machen vor Manipulationen.
Wellendorf: Ist denn die technische Manipulation der einzige Grund, weswegen die Umfragen keine Aussagekraft haben?
Fries: Nein, es gibt noch einen weiteren Grund. Denn die meisten Wissenschaftler sehen in Online-Umfragen ein grundsätzliches methodisches Problem, das ist die sogenannte Selbstselektion. Normalerweise läuft es ja bei diesen klassischen Umfragen so, dass die Meinungsforscher zufällig Leute ansprechen, meistens anrufen und um Mitwirkung bitten. Und zufällig heißt: es wird irgendeine Telefonnummer gewählt, aus einem Verzeichnis mit allen Telefonnummern oder es wird eine Nummer zufällig generiert. Online geht das aber nicht, weil es kein Verzeichnis aller Online-Nutzer gibt, das heißt man kann gar nicht zufällig Leute ansprechen, ob sie mitmachen wollen, weil man die gar nicht einzeln erreicht. Und die Leute, die dann tatsächlich bei solchen Online-Umfragen teilnehmen, tun das freiwillig. Und die unterscheiden sich, sagen Wissenschaftler, systematisch von denjenigen, die nicht an Online-Umfragen teilnehmen. Und schon allein dadurch ist das Ergebnis so stark verfälscht, dass es gar keine Aussagekraft mehr hat.
Wellendorf: Nach einer Entscheidung des Presserats hat die Bayerische Staatszeitung 350 Online-Umfragen gelöscht und will erstmal jetzt auf Online-Umfragen verzichten. Ich hab mit Stefan Fries über das Thema gesprochen.
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