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"Bayern kommt immer zuerst"

Der Politikberater Michael Spreng hat dem bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber mangelnde Loyalität gegenüber Unionskanzlerkandidatin Merkel vorgeworfen. Hauptinteresse der CSU sei immer schon gewesen, den bayerischen Wählern zu gefallen, erklärte Spreng.

Moderation: Christine Heuer |
    Heuer: Ostdeutschland, das ist für Edmund Stoiber ein Wahlkampfthema der besonderen Art. Zuletzt hat der CSU-Vorsitzende die Spannung noch einmal gesteigert mit dem Angebot eines direkten Schlagabtauschs mit dem Spitzenkandidaten der Linkspartei Oskar Lafontaine. Die Fernsehsender freuten sich schon, doch dann hieß es plötzlich aus München, Stoiber habe gar kein TV- sondern ein Printduell angeboten, eine Auseinandersetzung via Zeitung. Was sollen wir nun davon halten? Aufklärung erhoffen wir uns von dem Mann, der den Wahlkampf des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber 2002 gemanagt hat. Guten Morgen, Michael Spreng.

    Spreng: Ja, guten Morgen.

    Heuer: Stoiber gegen Lafontaine, hätten Sie Edmund Stoiber dazu geraten?

    Spreng: Nein, ich halte es für einen taktischen Fehler, jetzt Lafontaine und die PDS aufzuwerten durch dieses Angebot. Der eigentliche Gegner der CDU/CSU ist ja Rot-Grün und nicht die PDS und je mehr Herr Stoiber sich an Herrn Lafontaine reibt, umso mehr wird er auch zum Gegenpol von Lafontaine und dadurch wird die Mitte für die SPD frei. Das kann nicht die richtige Strategie für die Union sein.

    Heuer: Wäre es die richtige Strategie gewesen, die Linkspartei weiterhin das Problem der SPD sein zu lassen, wie es ja angelegt war im Unionswahlkampf?

    Spreng: Ja, gut, in erster Linie ist es natürlich ein Problem der SPD, weil es zumindest im Westen Fleisch vom Fleische der SPD ist. Im Osten sind das natürlich auch sehr viele Protestwähler, die bei früheren Umfragen oder früheren Landtagswahlen sich für die CDU entschieden hatten. Nur der Kampf um die Protestwähler, den wird die CDU nicht gewinnen, denn sie kann die Versprechen, die die PDS macht, und die Wolkenkuckucksheimer Luftschlösser, die die PDS baut, da kann die Union nicht mithalten. Also diesen Wettbewerb kann sie nicht gewinnen. Ich würde der CDU/CSU raten, sich im Osten um die Menschen zu kümmern - und das sind ja immerhin 70 Prozent, 30 Prozent wählen ja nur PDS - die 70 Prozent, die Lust auf Zukunft haben, die vom Leben was wissen wollen, die ansprechbar sind für Veränderungen und Reformen und nicht die Protestwähler und Reformverlierer.

    Heuer: Edmund Stoiber war ja im TV-Duell, in den beiden TV-Duellen gegen Gerhard Schröder, seinerzeit mäßig erfolgreich. Hat er gegen Oskar Lafontaine überhaupt eine Chance?

    Spreng: Ja, gut, bei den TV-Duellen glaube ich hatte er gegen Schröder das erste gewonnen, das zweite hat Schröder gewonnen, der dann auch besser präpariert war, außerdem fand damals das zweite Duell in einem Umfeld statt, in dem die Umfragen für die CDU/CSU schon am Kippen waren, was dann auch über die Einschätzung eines solchen Duells beeinflusst. Jetzt hätte er eine Chance, wenn er sich gegen Lafontaine etwa so verhält, wie Frau Merkel im Fernsehen auftritt, nämlich sehr sachlich, sehr argumentativ, ohne Zorn und ohne Aggressivität, wenn er sich aber von Lafontaine provozieren lassen würde vor der Kamera, könnte er verlieren. Nur das hat sich ja jetzt erledigt, da es ja nur noch ein Zeitungsgespräch sein soll.

    Heuer: Ja. Kann Stoiber besser schreiben als reden?

    Spreng: (Lacht) Nein, das Zeitungsgespräch schreibt er ja nicht selbst, da redet er ja auch, nur ein Zeitungsgespräch ist im Grunde ein Doppelinterview und kein Duell, denn die Beobachtung beim Duell, die man machen kann im Fernsehen, die gibt es ja in der Zeitung zwangsläufig nicht.

    Heuer: Wir haben über die Effekte in Ostdeutschland bei den Wählern dort gesprochen. Kann man mit Ost-Bashing im Westen Wählerstimmen gewinnen?

    Spreng: Ja, ich glaube das schon, zumindest in Teilen, das heißt, in Süddeutschland, in Bayern bestimmt, aber auch in Teilen des Ruhrgebiets. Nur es ist ein kurzsichtiges Verhalten, denn auf der anderen Seite verliert man Stimmen im Osten und was noch viel schlimmer ist: Die CDU hat eine Kanzlerkandidatin aus dem Osten. Es ist natürlich geradezu absurd, bei einer Kanzlerkandidatin aus dem Osten Wahlkampf gegen die frustrierten Ostdeutschen zu machen. Dann wirkt die Union öffentlich nicht geschlossen und zerstritten und das ist ja das, was bürgerliche Wähler immer am meisten abstrafen.

    Heuer: Angela Merkel bemüht sich ja um Schadensbegrenzung. Haben Sie den Eindruck, Edmund Stoiber wollte ihr vielleicht sogar schaden oder hat es zumindest in Kauf genommen, dass er dies tut sehenden Auges?

    Spreng: Ja, also, sein Motiv war es mit Sicherheit nicht, aber die CSU hatte ja in den letzten anderthalb Wochen eine Haltung eingenommen, das wurde ja auch deutlich durch die Berichte aus dieser Strategierunde, bei der ja auch Herr Wolff war, eine Haltung eingenommen nach alten Verhaltensmustern aus der Ära Strauß, also, die anderen haben keine Ahnung, wir wissen es besser, jetzt zeigen wir denen mal, wie es richtig gemacht wird. Und diese Einstellung, die geht halt häufig schief, so wie sie auch bei Strauß häufig schiefgegangen ist, weil das, was in Bayern sehr gut ankommt und auch bis zu Zweidrittelmehrheiten führen kann, in anderen Teilen Deutschlands kontraproduktiv ist und völlig anders gesehen wird.

    Heuer: Aber die CSU gewinnt, darauf scheint es Stoiber doch anzukommen.

    Spreng: Ja, sein Hauptinteresse - und das war schon immer bei der CSU so - ist natürlich Bayern. Bayern kommt immer zuerst und die Heimatbasis und erst dann kommt Deutschland und Ostdeutschland glaube ich ganz am Ende oder gar nicht, aber das war bei der CSU immer so. Es ist eine bayerische Regionalpartei mit bundesdeutschem Anspruch, aber wenn es hart auf hart geht, geht es immer um Bayern.

    Heuer: Aber es ist schon illoyal gegenüber der Kanzlerkandidatin, die seinerzeit ja verzichtet hat zugunsten Edmund Stoibers.

    Spreng: Ja, das ist ja ein Vorwurf, den ich mache, dass Edmund Stoiber die außerordentliche Loyalität, die Angela Merkel 2002 gezeigt hat - und ich kann es ja beurteilen, ich war ja auch Mitglied des Führungsgremiums "Team 40 plus" damals und bei allen Gesprächen dabei - das heißt, diese außerordentliche Loyalität, die bis zur Selbstverleugnung ging, dass die nicht mit einer ähnlichen Haltung beantwortet wird, sondern jetzt mit mehrfachen Illoyalitäten.

    Heuer: Wie finden Sie es eigentlich, dass sich die Herren Ministerpräsidenten von der CDU so auffällig aus der Debatte heraushalten?

    Spreng: Ja, das ist auffällig. Man hat den Eindruck, dass der ein oder andere Ministerpräsident in der Muppetloge sitzt wie Statler und Waldorf in der berühmten Fernsehcomic-Puppenserie und grantelnd, amüsiert oder schweigend zusehen, wie Frau Merkel sich abstrampelt.

    Heuer: Erhoffen die sich vielleicht, dass sie scheitert?

    Spreng: Ach, so weit würde ich nicht gehen. Vielleicht der ein oder andere, der selbst noch Ambitionen hat, nein, aber es ist glaube ich, die nehmen den Wahlkampf nicht richtig ernst. Also, denn wenn die Union behauptet, es sei eine Schicksalswahl, bei einer Schicksalswahl müssen nicht nur die Besten der Besten ran, sondern sie müssen auch ununterbrochen ran und dürfen nicht in der Loge sitzen. Insofern wird auch der Anspruch, eine Schicksalswahl zu bestreiten, dadurch ein bisschen unglaubwürdig.

    Heuer: Also wichtige CDU-Politiker nehmen den Wahlkampf nicht ernst. Was raten Sie Angela Merkel in dieser Situation? So weitermachen wie bisher?

    Spreng: Ja. Ich finde, Angela Merkel macht das sehr nervenstark und souverän und sie kann nicht weiter auf solche Haltungen oder auf Streit oder auch auf Stoibers Verhalten eingehen, denn wie gesagt, das Schlimmste für bürgerliche Wähler ist Zerstrittenheit ihrer eigenen Partei und das darf Frau Merkel nicht fördern. Sie muss die Zähne zusammenbeißen und weitermachen wie bisher.

    Heuer: Jetzt hat sie angeblich, wir lesen das heute in Zeitungen, Peter Müller, den Ministerpräsidenten aus dem Saarland und Paul Kirchhoff, den Finanzfachmann, in ihr Kompetenzteam berufen. Ist das eine gute Wahl?

    Spreng: Es ist schwer zu sagen. Peter Müller war ja ohnehin im Gespräch, das ist keine Überraschung, dass er in das Kompetenzteam kommt, er sollte für Arbeit in das Kompetenzteam, jetzt möglicherweise für Wirtschaft, Professor Kirchhoff, Paul Kirchhoff ist ja ein anerkannter Wissenschaftler und Steuerexperte, nur er hat keine politische Erfahrung und er wird auch glaube ich keinem Kabinett Merkel angehören, sondern er hat mehr die Funktion jetzt eines herausgehobenen Beraters. Das finde ich gut, aber damit ist immer noch keine Entscheidung über das Kabinett gefallen, denn es steht unter dem Vorbehalt von Stoiber, erst nach der Wahl entscheiden zu wollen, was er macht und natürlich der Ansprüche der FDP. Ich kann mir vorstellen, dass unter diesen Umständen die FDP mit Herrn Solms das Finanzministerium beanspruchen wird.

    Heuer: Horst Seehofer hat sich in diese Personaldebatte heute eingemischt, er empfiehlt, Friedrich Merz ins Kompetenzteam zu holen. Ist das auch ein Störmanöver aus München?

    Spreng: Ja gut, wobei Herr Seehofer ja bekanntermaßen meist andere Interessen verfolgt als Herr Stoiber. Er kommt ein bisschen spät, würde ich sagen, also kurz vor Toreschluß macht es keinen Sinn mehr, Ratschläge zu geben, weil dann intern schon längst die Entscheidungen gefallen sind. Diesen Rat hätte er vielleicht vor einigen Wochen sinnvoller geben können, er wäre aber auch dann nicht befolgt worden, weil einerseits Frau Merkel nicht über ihren Schatten springen kann und Friedrich Merz berufen und zum Zweiten Friedrich Merz bei aller Befähigung auch ein problematischer Kandidat gewesen wäre, denn er ist jederzeit in der Lage, auch mitten im Wahlkampf, die wildesten Störmanöver zu veranstalten.