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Umweltexperte: Neuregelung des Streuobstwiesenschutzes ist "eine miese Geschichte"

Matthias Luy vom Landesbund für Vogelschutz Bayern hat die dort geplante Neuregelung des Streuobstwiesenschutzes kritisiert. Der Bestand der Wiesen sei durch das angenommene Volksbegehren gesetzlich gesichert, sagte er im Dlf. Die bayerische Regierung versuche das durch "einen faulen Trick" zu umgehen.

Matthias Luy im Gespräch mit Britta Fecke | 19.11.2019
Äpfel liegen auf einer Streuobstwiese.
Bei der Neuregelung von Streuobstwiesen in Bayern gehe es vor allem darum, Landwirte zu befrieden, sagte der Umweltexperte Matthias Luy im Dlf (imago / Blickwinkel)
Britta Fecke: Streuobstwiesen sind ein Paradies für viele auch seltene Tierarten, die in den intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen nicht mehr vorkommen. So ernähren sich Maus, Wiesel, Siebenschläfer, Steinkäuze, Wendehälse und ganz selten sogar der Wiedehopf von den vielen Insekten- und Pflanzenarten, die in oder im Umfeld der Obstbäume leben. Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten zählen die Streuobstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen in ganz Europa und eine wichtige Forderung beim Volksbegehren Artenvielfalt war deshalb auch der gesetzliche Schutz dieser Streuobstwiesen.
Doch wenn die Biotopschutzverordnung der bayerischen Staatsregierung so durchkommt wie geplant, würden ausgerechnet die ökologisch so wertvollen Streuobstwiesen nicht mehr geschützt werden.
Ich bin nun verbunden mit Matthias Luy. Er ist Landwirtschaftsreferent beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern. – Herr Luy, warum stehen die Streuobstwiesen nach dem erfolgreichen Volksbegehren für mehr Artenvielfalt vielleicht bald schlechter da als zuvor?
Matthias Luy: Ja, das ist tatsächlich erst mal erstaunlich. Der Landtag hat ja unser Volksbegehren angenommen und damit auch den gesetzlichen Schutz von den Streuobstwiesen beschlossen. Jetzt ging es aber darum zu definieren, was eine Streuobstwiese ist, eine extensiv genutzte Streuobstwiese. Man kann es zwar auch als Laie eigentlich auf den ersten Blick einfach sehen: Das sind Obstbäume, die relativ weit auseinander stehen und wo die Wiese im Unterwuchs nur zweimal im Jahr gemäht wird in der Regel. Aber trotzdem: Wegen der Planungssicherheit sollte das jetzt neu definiert werden.
Und wir sind jetzt höchst überrascht, dass hier Kriterien ausgesucht wurden, die, wenn man sie in der Praxis anwendet, dazu führen, dass der größte Teil der Streuobstwiesen gar nicht unter diesen gesetzlichen Schutz fällt, und das erscheint dann doch als ein ganz fauler Trick der Staatsregierung in dem Fall.
Fecke: Was sind denn das für Kriterien?
Luy: Es geht hier vor allem um den Kronenansatz der Obstbäume. Das Kriterium in der Verordnung sagt, er muss mindestens 1,80 Meter Höhe haben.
Fecke: Nur für den Laien: Der Kronenansatz ist da, wo der Stamm aufhört und die Äste beginnen.
Luy: Genau! Wenn man vom Boden hochgeht, dann ist ja erst mal der Stamm nicht beastet, und dann sind die Obstbäume so geschnitten, von den Baumschulen auch, dass dann mehrere Äste einen Kronenansatz bilden, die dann auch die Früchte tragen.
Es gibt sehr viele Bäume, die haben diesen Ansatz in 1,60 Meter Höhe und bei Kirschbäumen oft noch niedriger, und alle diese Bäume würden dann rausfallen, beziehungsweise der ganze Bestand.
Es ist auch insofern sehr merkwürdig, weil es bisher eine Biotop-Kartierungsanleitung gab, die auch mit 1,60 Metern gearbeitet hat.
"Das ist schon eine miese Geshichte"
Fecke: Und nun sind es 1,80 Meter. Halten Sie das für einen Trick oder einfach nur für Unwissenheit?
Luy: Das ist schon ein sorgfältig ausgewählter Trick – leider -, weil die Staatsregierung bemüht sich, die Landwirte zu befrieden, und hat sich wohl gedacht, dann machen wir das so, dass nur ein kleinerer Teil oder ein ganz kleiner Teil der Streuobstwiesen unter diesen Schutz fällt. Aber das widerspricht einfach dem Beschluss und auch dem gesellschaftlichen Wunsch, der mit dem Volksbegehren ja ausgedrückt wurde, und das ist schon eine miese Geschichte.
Wir haben jetzt auch einen Brief an Herrn Ministerpräsidenten Söder geschrieben und ihn dringend gebeten, hier noch mal dafür zu sorgen, dass das verändert wird und dass fachlich sinnvolle Kriterien gewählt werden, damit der größte Teil der Streuobstwiesen unter Schutz gestellt wird, wie vom Volksbegehren gefordert.
Bauern befürchten Entwertung ihrer Grundstücke durch Streuobstwiesenschutz
Fecke: Nun gibt es ja diese Streuobstwiesen oft schon sehr lange, was man den Bäumen ja auch ansieht. Warum müssen denn die Landwirte jetzt befriedet werden? Warum müssen sie denn mit dieser Verhinderung der Schutzstellung eigentlich ruhiggestellt werden?
Luy: Landwirte befürchten zum Teil, dass ihr Grund damit entwertet wird, weil ein kartiertes Biotop, das unter gesetzlichem Schutz steht, natürlich nicht einfach beseitigt werden kann. Das ist ein bisschen paradox, weil die Landwirte gleichzeitig auch sagen, dass sie ja über Jahrzehnte diese Streuobstwiesen gepflegt haben und auch sehr mögen.
Gleichzeitig wollen sie aber die Option haben, die Streuobstwiesen zu entfernen, um zum Beispiel eine intensivere Nutzung, sei es eine Obstplantage oder auch einen Acker beispielsweise anzulegen.
Genau das will aber das Volksbegehren verhindern, weil wir in den vergangenen Jahrzehnten mehr als zwei Drittel aller Obstbäume verloren haben. Eine Untersuchung der Landesanstalt für Landwirtschaft hat 70 Prozent Rückgang belegt bis 2012, und der ist natürlich danach noch weitergegangen. Wir haben einen ganz massiven Verlust der Streuobstwiesen. Darum ist es so wichtig, die jetzigen zu erhalten.
"Es geht natürlich auch um Förderung"
Fecke: Wäre denn eine finanzielle Maßnahme sinnvoll, beziehungsweise vielleicht sogar das einzige und letzte Mittel, um die Landwirte dazu zu bewegen, so extensiv zu bewirtschaften?
Luy: Ja, es geht natürlich auch um Förderung. Die Landwirte sollen auch natürlich entlohnt werden. Es soll honoriert werden, wenn sie diesen Mehraufwand auf sich nehmen, eine Streuobstwiese zu pflegen. Das ist ja anders als bei einer Plantage. Da kann man nicht beliebig oft spritzen beispielsweise. Man muss die Bäume schneiden, das ist ein hoher Aufwand. Man hat nicht so eine hohe Baumdichte, auch geringere Erträge wirtschaftlich auf der Fläche. Und es ist ja auch schon bisher so, dass Streuobstbestände gefördert werden vom Freistaat. Da gibt es zwei Programme, Vertragsnaturschutz- und Kulturlandschaftsprogramm. Der Staat hat aber auch im Sinne des Volksbegehrens angekündigt, diese Förderungen noch zu erhöhen. Man will die Landwirte auch so weit wie möglich unterstützen, damit die Streuobstwiesen weiter Bestand haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.