Dirk Müller: "Alles nur purer Aktionismus, Populismus", winken die Skeptiker ab und meinen damit, dass einigen Politikern wieder einmal ein Verbot der NPD einfällt. Die Polizei in Passau hat erneut zwei Verdächtige festgenommen, vier Tage nach dem Messerattentat auf Polizeichef Alois Mannichl. Ein Vorgesetzter, der selbst mit in den Einsatz gegen Neonazis gegangen war, das persönliche Risiko dabei nicht gescheut hat. Aber wurde sein konsequenter Kurs, sein konsequentes Vorgehen gegen rechts von der Politik wirklich gestützt? Die bayerische Landesregierung hat gestern ausdrücklich gesagt, "ja, wir haben auch alles dafür getan". Andere bezweifeln dies.
Hermann Benker ist Chef der bayerischen Polizeigewerkschaft, jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen.
Hermann Benker: Guten Morgen!
Müller: Herr Benker, sind Sie sauer auf die Politik?
Benker: Insoweit ja. Es ist tatsächlich so, dass auch in Bayern - aber nicht nur in Bayern - der so genannte staatliche Rechtsschutz, also ein Instrument, das den Kolleginnen und Kollegen helfen soll, ihre Rechte auch im dienstlichen Bereich durchsetzen zu können, das Wort eigentlich nicht verdient. Diese Rechtsschutzinstrumentarien sind bürokratische Monster, die allein durch die Vorgaben abschrecken, davon Gebrauch zu machen.
Müller: Und deshalb hat Alois Mannichl auch entschieden, aus privater Tasche einen Anwalt zu bezahlen, damit Schmähungen im Internet verschwinden?
Benker: Ja, und ich habe auch bereits hier deutlich gemacht, dass ich es absolut nicht verstehe, wenn über mehrere Wochen oder Monate hinweg hier ein Kollege in den Internet-Foren dieser Neonazis hier zum Feind abgestempelt wird, ein Feindbild geschaffen wird, dass ähnlich wie ein Steckbrief dieser Kollege dann bei den Neonazis durchgereicht wird, durchs Web getrieben wird, dass der sich selbst helfen muss. Hier setzt für mich die Fürsorge des Dienstherrn an, die nicht vorhanden war, und hier muss etwas verbessert werden.
Ich bin auch insoweit schon richtig froh darüber, denn genau das, was der Minister soeben gesagt hatte, habe ich am Montagmorgen dem bayerischen Landespolizeipräsidenten mitgegeben als mögliche Verbesserung. Und ich freue mich, wenn ich bereits zwei Tage später höre, dass man das aufgreifen möchte.
Müller: Herr Benker, Sie haben das in der Vergangenheit ja auch schon häufiger angesprochen. Die Polizeigewerkschaften bundesweit haben das immer wieder angesprochen. Wer blockiert da? Warum wird das nicht umgesetzt?
Benker: Diese Rechtsschutzinstrumentarien werden leider Gottes von Ministerialbeamten gemacht, die wenig Bezug zur Praxis haben, die das ganze vom Schreibtisch aus sehen. Da ist es ja auch in aller Regel nicht so gefährlich wie auf der Straße.
Müller: Gibt es Ministerverantwortung?
Benker: Letztendlich ja, aber Minister leben von Beratern und wenn die Berater diese Probleme nur gefiltert nach oben bringen, dann kann man dem Minister insoweit nur einen schwachen Vorwurf machen. Er müsste auch mal auf andere hören, nicht nur immer auf die Einflüsterer in seinem Stockwerk.
Müller: Weil die Polizeigewerkschaft und die vielen Kollegen, die draußen auf der Straße sind, viel Praxiserfahrung haben, letztendlich sich doch nicht, wenn es um Konzepte und Strategien geht, durchsetzen können?
Benker: Es ist leider Gottes eine Binsenweisheit, dass die Politik immer nur dann regiert, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Szenarien oder auch Befürchtungen allgemeiner Art, die wir aus dem täglichen Betrieb heraus an die Politik herantragen, werden meistens zerredet, aber nicht aufgegriffen, weil man eben noch kein Problem gesehen hat. Wenn dann etwas passiert, dann stürzt die Politik in einen Aktionismus, der schon wieder erschreckend ist, und schafft es allerdings dadurch - gerade auch wieder die Diskussion um ein neues NPD-Verbotsverfahren -, die Themen zu beeinflussen und von den eigentlichen Problemen, von den eigentlichen Fehlern abzulenken.
Müller: NPD-Verbotsverfahren zu diskutieren, zu fordern, wie das jetzt die bayerische Landesregierung tut, wie das auch der neue Ministerpräsident tut, ist das Aktionismus?
Benker: Das ist für mich Aktionismus. Erstens hätte es in diesem Zusammenhang mit dieser Tat überhaupt nichts gebracht. Es hätte diese Tat nicht verhindert. Zweitens: Dieses in diesem Zusammenhang zu fordern zeigt, dass man letztendlich hilflos ist mit der Situation. Ich würde es lieber sehen, wenn man eben ansetzt: Der Nährboden dieser Tat, wenn es denn so ist - momentan müssen wir von Vermutungen ausgehen -, dass hier aus der Neonazi-Szene und deren Umfeld gehandelt wurde, dann muss man ansetzen, wenn in diesen Internet-Foren oder in sonstigen Veröffentlichungen hier so steckbriefartig Feindbilder entstehen. Dadurch wird dann irgendein Idiot auf die Idee gebracht, hier jemanden vielleicht zu eliminieren, und deswegen muss in diesen Internet-Foren, wenn so etwas auftaucht, nicht nur dagegen durch Unterlassungsverfügungen vorgegangen werden, sondern hier muss auch ein Straftatbestand ansetzen. Hier muss eine Möglichkeit bestehen, das aus dem Web zu entfernen, egal von wo es eingestellt wurde, weil dadurch der Nährboden auch dann für diese Ideen entzogen wird.
Müller: Blicken wir, Herr Benker, noch einmal auf den Spätsommer zurück. Wahlkampf in Bayern. Während dieser Zeit hat es ganz bewusst sehr, sehr viele Aufmärsche der Rechten in Bayern gegeben. Hat es da ausreichend Unterstützung durch die Politik gegeben?
Benker: Das würde ich schon so sagen. Wir haben nicht nur Passau. Auch in meinem Bereich, in Oberfranken, im Raum zwischen Hof und Bamberg, gibt es mehrere Neonazi-Veranstaltungen. Dabei ist Wunsiedel bekannt für das Grab des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Hess. Da gibt es Gräfenberg als Ersatzveranstaltung, Warmensteinach, wo sich die Rechte Lokalitäten anwerben will. Hier wurde meines Erachtens schon die Polizei unterstützt, aber es ist tatsächlich so, dass sich hier seitens der rechten Szene ein enormer Aktionismus breit gemacht hat. Es vergeht fast kein Wochenende mehr, wo die Polizei nicht irgendwie zu Einsätzen ausrücken muss. Leider Gottes müssen unsere Kolleginnen und Kollegen diese Veranstaltungen sogar noch schützen, weil sie in aller Regel auch vorher von den Gerichten bestätigt wurden. Das heißt, wir müssen uns noch hier zum Mithelfer machen, dass diese Szene auf der Straße ihr Gedankengut ausbreiten kann.
Müller: Reden wir in diesem Zusammenhang noch über einen Punkt. Es hat aus dem Umfeld Äußerungen gegeben, auch in vielen Analysen und Hintergrundberichten ist das jetzt nachzulesen, wonach die bayerische Landesregierung mit Blick auf diese Aufmärsche gesagt hat und mit Blick natürlich auf die Situation im Wahlkampf, macht das nicht zu groß, macht nicht so viel Aufhebens darüber. Können Sie das bestätigen?
Benker: Es ist auch eine sehr weit verbreitete Meinung gewesen, auch in politischen Kreisen in Bayern, dass man erst durch diese Berichterstattung und diese Öffentlichkeitsarbeit hier den Blick auf diese Neonazi-Szene gelenkt hat. Aber das ist, glaube ich, der falsche Ansatz. Man muss dieses Gedankengut wirklich im Keim ersticken und es ist auch sehr gut, dass es viele Bürgerinitiativen gibt. Aber ohne diese Bürgerinitiativen würde man hier diese Diskussion öffentlich nicht so führen.
Müller: Und die Politik in Bayern ist nicht blind auf dem Auge rechts?
Benker: Das würde ich nicht sagen. Man muss auch sagen, es gilt, gegen jegliche Gewalt und gegen jeglichen Extremismus vorzugehen, denn man darf weder links noch rechts blind sein.
Müller: Hermann Benker bei uns im Deutschlandfunk, Chef der bayerischen Polizeigewerkschaft. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Benker: Danke. Auf Wiederhören!
Hermann Benker ist Chef der bayerischen Polizeigewerkschaft, jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen.
Hermann Benker: Guten Morgen!
Müller: Herr Benker, sind Sie sauer auf die Politik?
Benker: Insoweit ja. Es ist tatsächlich so, dass auch in Bayern - aber nicht nur in Bayern - der so genannte staatliche Rechtsschutz, also ein Instrument, das den Kolleginnen und Kollegen helfen soll, ihre Rechte auch im dienstlichen Bereich durchsetzen zu können, das Wort eigentlich nicht verdient. Diese Rechtsschutzinstrumentarien sind bürokratische Monster, die allein durch die Vorgaben abschrecken, davon Gebrauch zu machen.
Müller: Und deshalb hat Alois Mannichl auch entschieden, aus privater Tasche einen Anwalt zu bezahlen, damit Schmähungen im Internet verschwinden?
Benker: Ja, und ich habe auch bereits hier deutlich gemacht, dass ich es absolut nicht verstehe, wenn über mehrere Wochen oder Monate hinweg hier ein Kollege in den Internet-Foren dieser Neonazis hier zum Feind abgestempelt wird, ein Feindbild geschaffen wird, dass ähnlich wie ein Steckbrief dieser Kollege dann bei den Neonazis durchgereicht wird, durchs Web getrieben wird, dass der sich selbst helfen muss. Hier setzt für mich die Fürsorge des Dienstherrn an, die nicht vorhanden war, und hier muss etwas verbessert werden.
Ich bin auch insoweit schon richtig froh darüber, denn genau das, was der Minister soeben gesagt hatte, habe ich am Montagmorgen dem bayerischen Landespolizeipräsidenten mitgegeben als mögliche Verbesserung. Und ich freue mich, wenn ich bereits zwei Tage später höre, dass man das aufgreifen möchte.
Müller: Herr Benker, Sie haben das in der Vergangenheit ja auch schon häufiger angesprochen. Die Polizeigewerkschaften bundesweit haben das immer wieder angesprochen. Wer blockiert da? Warum wird das nicht umgesetzt?
Benker: Diese Rechtsschutzinstrumentarien werden leider Gottes von Ministerialbeamten gemacht, die wenig Bezug zur Praxis haben, die das ganze vom Schreibtisch aus sehen. Da ist es ja auch in aller Regel nicht so gefährlich wie auf der Straße.
Müller: Gibt es Ministerverantwortung?
Benker: Letztendlich ja, aber Minister leben von Beratern und wenn die Berater diese Probleme nur gefiltert nach oben bringen, dann kann man dem Minister insoweit nur einen schwachen Vorwurf machen. Er müsste auch mal auf andere hören, nicht nur immer auf die Einflüsterer in seinem Stockwerk.
Müller: Weil die Polizeigewerkschaft und die vielen Kollegen, die draußen auf der Straße sind, viel Praxiserfahrung haben, letztendlich sich doch nicht, wenn es um Konzepte und Strategien geht, durchsetzen können?
Benker: Es ist leider Gottes eine Binsenweisheit, dass die Politik immer nur dann regiert, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Szenarien oder auch Befürchtungen allgemeiner Art, die wir aus dem täglichen Betrieb heraus an die Politik herantragen, werden meistens zerredet, aber nicht aufgegriffen, weil man eben noch kein Problem gesehen hat. Wenn dann etwas passiert, dann stürzt die Politik in einen Aktionismus, der schon wieder erschreckend ist, und schafft es allerdings dadurch - gerade auch wieder die Diskussion um ein neues NPD-Verbotsverfahren -, die Themen zu beeinflussen und von den eigentlichen Problemen, von den eigentlichen Fehlern abzulenken.
Müller: NPD-Verbotsverfahren zu diskutieren, zu fordern, wie das jetzt die bayerische Landesregierung tut, wie das auch der neue Ministerpräsident tut, ist das Aktionismus?
Benker: Das ist für mich Aktionismus. Erstens hätte es in diesem Zusammenhang mit dieser Tat überhaupt nichts gebracht. Es hätte diese Tat nicht verhindert. Zweitens: Dieses in diesem Zusammenhang zu fordern zeigt, dass man letztendlich hilflos ist mit der Situation. Ich würde es lieber sehen, wenn man eben ansetzt: Der Nährboden dieser Tat, wenn es denn so ist - momentan müssen wir von Vermutungen ausgehen -, dass hier aus der Neonazi-Szene und deren Umfeld gehandelt wurde, dann muss man ansetzen, wenn in diesen Internet-Foren oder in sonstigen Veröffentlichungen hier so steckbriefartig Feindbilder entstehen. Dadurch wird dann irgendein Idiot auf die Idee gebracht, hier jemanden vielleicht zu eliminieren, und deswegen muss in diesen Internet-Foren, wenn so etwas auftaucht, nicht nur dagegen durch Unterlassungsverfügungen vorgegangen werden, sondern hier muss auch ein Straftatbestand ansetzen. Hier muss eine Möglichkeit bestehen, das aus dem Web zu entfernen, egal von wo es eingestellt wurde, weil dadurch der Nährboden auch dann für diese Ideen entzogen wird.
Müller: Blicken wir, Herr Benker, noch einmal auf den Spätsommer zurück. Wahlkampf in Bayern. Während dieser Zeit hat es ganz bewusst sehr, sehr viele Aufmärsche der Rechten in Bayern gegeben. Hat es da ausreichend Unterstützung durch die Politik gegeben?
Benker: Das würde ich schon so sagen. Wir haben nicht nur Passau. Auch in meinem Bereich, in Oberfranken, im Raum zwischen Hof und Bamberg, gibt es mehrere Neonazi-Veranstaltungen. Dabei ist Wunsiedel bekannt für das Grab des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Hess. Da gibt es Gräfenberg als Ersatzveranstaltung, Warmensteinach, wo sich die Rechte Lokalitäten anwerben will. Hier wurde meines Erachtens schon die Polizei unterstützt, aber es ist tatsächlich so, dass sich hier seitens der rechten Szene ein enormer Aktionismus breit gemacht hat. Es vergeht fast kein Wochenende mehr, wo die Polizei nicht irgendwie zu Einsätzen ausrücken muss. Leider Gottes müssen unsere Kolleginnen und Kollegen diese Veranstaltungen sogar noch schützen, weil sie in aller Regel auch vorher von den Gerichten bestätigt wurden. Das heißt, wir müssen uns noch hier zum Mithelfer machen, dass diese Szene auf der Straße ihr Gedankengut ausbreiten kann.
Müller: Reden wir in diesem Zusammenhang noch über einen Punkt. Es hat aus dem Umfeld Äußerungen gegeben, auch in vielen Analysen und Hintergrundberichten ist das jetzt nachzulesen, wonach die bayerische Landesregierung mit Blick auf diese Aufmärsche gesagt hat und mit Blick natürlich auf die Situation im Wahlkampf, macht das nicht zu groß, macht nicht so viel Aufhebens darüber. Können Sie das bestätigen?
Benker: Es ist auch eine sehr weit verbreitete Meinung gewesen, auch in politischen Kreisen in Bayern, dass man erst durch diese Berichterstattung und diese Öffentlichkeitsarbeit hier den Blick auf diese Neonazi-Szene gelenkt hat. Aber das ist, glaube ich, der falsche Ansatz. Man muss dieses Gedankengut wirklich im Keim ersticken und es ist auch sehr gut, dass es viele Bürgerinitiativen gibt. Aber ohne diese Bürgerinitiativen würde man hier diese Diskussion öffentlich nicht so führen.
Müller: Und die Politik in Bayern ist nicht blind auf dem Auge rechts?
Benker: Das würde ich nicht sagen. Man muss auch sagen, es gilt, gegen jegliche Gewalt und gegen jeglichen Extremismus vorzugehen, denn man darf weder links noch rechts blind sein.
Müller: Hermann Benker bei uns im Deutschlandfunk, Chef der bayerischen Polizeigewerkschaft. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Benker: Danke. Auf Wiederhören!