Dienstag, 19. März 2024

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BDK zu Racial-Profiling-Studie
"Wir müssen Vertrauen schaffen"

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hat die Absage von Innenminister Seehofer (CSU) für eine unabhängige Studie über möglichen Rassismus bei der Polizei kritisiert. Derzeit würde über Gefühle diskutiert. Doch das könne nicht die Substanz einer Debatte sein, sagte der BDK-Vorsitzende Sebastian Fiedler im Dlf.

Sebastian Fiedler im Gespräch mit Philipp May | 07.07.2020
Der Vorsitzende des BDK, Sebastian Fiedler, in einer Aufnahme vom Januar 2018 in der Staatskanzlei in Düsseldorf
Der Bundesvorsitzende des BDK, Sebastian Fiedler, spricht sich für die Durchführung einer Studie zu Rassismus bei der Polizei aus (dpa / picture alliance / Rolf Vennenbernd)
Der Bundesvorsitzende Sebastian Fiedler des BDK sagte im Dlf, er könne die Logik der Argumentation nicht verstehen. "Das erinnert mich an ein Gespräch mit einem Freund, der Angst hat zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen, weil er Angst hat, dass etwas Schlimmes rauskommen könnte."
Die 25 vom Bundesinnenministerium genannten Fälle von Polizeirassismus in den letzten acht Jahren, seien ausschließlich Kontrollen der Bundespolizei gewesen. "Dazu muss man erklären, dass es eine Vorschrift gibt, die es der Bundespolizei ermöglicht, aufgrund grenzpolizeilicher Erfahrung Kontrollen zu machen. Und um diese Vorgänge ging es." Das sei aber nicht der Aufhänger für eine vom BDK geforderte Untersuchung gewesen, betonte Fiedler. Der BDK habe eine klare Haltung zum Thema Rassismus.
Polizeibeamte kontrollieren mit einer Hundertschaft im und um den Görlitzer Park in Berlin Kreuzberg mutmaßliche Dealer, um den Drogenhandel einzudämmen. Dabei wird der Park mit Lichtmasten ausgeleuchtet.
Mihalic: "Deutschland steht in diesem Feld weit hinten an"
Die Innenministerien würden sich nur sehr öffnen für polizeiliche Forschung, das sei bedauerlich, sagte Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic im Dlf. Die Studien im Bereich der Polizeiforschungseien alle schon sehr alt. Die ausgebildete Polizistin wünscht sich eine größere Offenheit von den Innenministerien.
Ein Polizist steht vor einem Auto. Er kontrolliert den aus Frankreich kommenden Verkehr.
Streit um Racial Profiling durch deutsche Polizei
Die Diskussion um Rassismus bei der Polizei und die Absage einer wissenschaftlichen Studie durch das Innenministerium sorgt für einen innenpolitischen Streit in Berlin.
Mitglieder das Netzwerks Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern e.V. bei einer Demonstration im Münchner Hauptbahnhof im Juni 2017
Kommentar: Eine vertane Chance
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat mit seine Absage zu einer Studie über Rassismus in der Polizei ist eine vertane Chance, kommentiert Gudula Geuther. Denn um das Problem anzugehen, brauche es Klarheit über die aktuelle Lage. Das sei am Ende auch im Interesse der Polizisten. Von Gudula Geuther
Racial Profiling ist menschenrechtswidrig
Racial Profiling bedeute, dass sich Polizeiarbeit ausschließlich an Vorurteilen aufhänge. Das sei menschenrechtswidrig und verfassungswidrig. "Problematisch wird es dann, wenn eine polizeiliche Maßnahme aufgrund von Vorurteilen ausnahmslos anhand der Optik einer Person ausgerichtet wird." Dann werde sie auch rechtswidrig. Das Risiko, Vorurteile auszubilden, sei natürlich dann größer, wenn man sich über einen langen Zeitraum in hochproblematischen Stadtteilen immer wieder mit den gleichen Bevölkerungsgruppen auseinanderzusetzen hat. "Da besteht möglicherweise eher die Gefahr, nicht mehr zu differenzieren, als in anderen Dienststellen, sagte Fiedler. Aber hieraus könne keine Schlussfolgerung zur Beurteilung der Lage gezogen werden.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter habe das Thema im vergangenen Jahr breit diskutierte. Die Bundesvorstandschaft habe sich mit solchen Fragen auseinandergesetzt - und auch wie es zum Beispiel zum Hannibal-Netzwerk oder NSU 2.0 kommen konnte. Diese Fälle seien zehnmal dramatischer als Racial Profiling - ohne sie gegeneinander auszuspielen, sagte Fiedler im Dlf.
Dossier: Rassismus
Dossier: Rassismus (picture alliance / NurPhoto / Beata Zawrzel)

May: Verstehen Sie noch Horst Seehofer?
Fiedler: Nee! Ich kann die Logik der Argumentation nicht so ganz verstehen. Das erinnert mich so ungefähr an ein Gespräch mit einem Freund, der Angst vor einer Vorsorgeuntersuchung beim Arzt hat, weil ja was Schlimmes rauskommen könnte. Uns beiden ist dann, glaube ich, klar, wie der freundschaftliche Rat dann ausgehen würde, und ein bisschen erinnert mich seine Argumentation an so etwas.
Einstellungsuntersuchung in den Sicherheitsbehörden längst gefordert
May: Jetzt verweist ja das Innenministerium auf gerade einmal 25 dokumentierte Fälle, Einzelfälle von Polizeirassismus in den letzten acht Jahren. Klingt das für Sie auch danach, dass das Problem wirklich möglicherweise nicht so groß ist, oder doch eher nach einem ausgeprägten Korpsgeist? Salopp formuliert: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Fiedler: Nee. Man muss da schon, glaube ich, ein bisschen genauer ins Detail gucken, worum es eigentlich geht. Diese 25 Fälle waren ausschließlich Kontrollen der Bundespolizei, die man sich genauer angeschaut hat. Dazu muss man erklären, dass es da eine Vorschrift gibt, die der Bundespolizei ermöglicht, aufgrund grenzpolizeilicher Erfahrung Kontrollen zu machen. Um diese Vorgänge ging es. Das ist allerdings nicht der Aufhänger gewesen, warum wir schon im letzten Jahr gefordert haben, dass wir eine Einstellungsuntersuchung in den Sicherheitsbehörden haben müssten, sondern das ist nur ein ganz kleiner Teilaspekt des eigentlichen Themas.
BDK "hat eine klare Haltung"
May: Sie fordern schon lange oder schon seit einem Jahr eine Untersuchung zu diesem Thema, zum Thema Rassismus auch bei der Polizei. Und dennoch scheint das Thema nicht nur bei Seehofer, sondern auch bei vielen anderen Vertretern von Sicherheitsbehörden ein Tabuthema zu sein, das häufig sehr pauschal zurückgewiesen wird, eben mit dem Verweis auf Einzelfälle. Warum ist das so?
Fiedler: Offen gestanden, da müssten Sie die Leute fragen, die Sie jetzt gerade im Blick haben. Ich spreche ja immerhin für den Bund Deutscher Kriminalbeamter und wir haben das im letzten Jahr intensiv im Bundesvorstand diskutiert und sind aus guten Gründen zu einer breiten Beschlusslage gekommen, und die hängte sich auf an ganz anderen Fallkonstellationen. Wir haben da im Bundesvorstand uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie es zu solchen Netzwerken wie diesem Hannibal-Netzwerk in den Sicherheitsbehörden bis in die Bundeswehr hinein kommen kann, wie es zu solchen Vorfällen wie in Frankfurt, Stichwort NSU 2.0, oder Fällen wie in Hamm oder so kommen kann, und diese Fälle sind meines Erachtens noch zehnmal dramatischer als das Racial Profiling, ohne das eine gegen das andere auszuspielen. Aber das war jedenfalls damals unser Aufhänger, dass wir gesagt haben, wir müssen Vertrauen schaffen, und deswegen lasst uns doch Wissenschaftler ermöglichen, eine Untersuchung zu machen. Wo ist das Problem!
May: Und wo ist das Problem? Haben Sie da schon eine Erklärung für?
Fiedler: Das ist eine offene Frage. – Nee! Sie erkennen ja daran, dass wir da eine klare Haltung zu haben, dass wir das Problem nicht erkennen. Mir erschließt sich die Gegenargumentation bis heute nicht.
May: Aber Sie sehen schon, dass die Polizei ein Problem mit Rechts hat?
Fiedler: Nein! Ich sehe, dass wir es nicht wissen, sondern dass wir über Gefühle diskutieren oder über Fälle, die das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben, und das kann ja nicht die Substanz einer Debatte sein, weil wir müssen doch hinterher am Ende uns fragen, was könnten denn Lösungsstrategien sein. Und diejenigen, die sich in der Forschung mit solchen Fragen auseinandersetzen, wie Professor Zick beispielsweise, der zu Vorurteilen schon lange geforscht hat, der sagt: Wenn es Vorurteile irgendwo gibt, dann müssen wir sie auf zwei Wegen angehen – erstens über die Bildung und zum Zweiten über Kontakte mit den jeweiligen Gruppen, die vorurteilsbehaftet sind. Und wenn wir über solche Lösungen diskutieren, müssen wir ja vorher Substanz haben. Im polizeilichen Alltag geht es immer im ersten Schritt darum, die Lage zu beurteilen, und das muss natürlich auch gelten, wenn es uns selber betrifft.
May: Das heißt, die Lösung liegt eigentlich schon auf dem Tisch, es fehlt nur noch der Befund.
Fiedler: Ja, eine potenzielle Lösung liegt auf dem Tisch. Aber wir können ja nicht, um das Wort zu bemühen, einen generalistischen Verdacht über alle Sicherheitsbehörden deswegen herstellen, weil wir solche dramatischen Fälle zu diskutieren haben, sondern wir müssen ja erst mal einen Befund erheben, wie man das immer so tut. Noch mal, ich wiederhole mich jetzt hier: Ich verstehe die Gegenargumente derzeit nicht.
Racial Profiling ist "menschenrechtswidrig und verfassungswidrig"
May: Herr Fiedler, schauen wir einmal genau auf dieses Racial Profiling, um das es jetzt ja geht, das Kontrollieren von Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe. Das ist ja in der Praxis für die Polizei häufig schwammiger als man denkt. Nehmen wir das Klassikerbeispiel in den letzten Tagen: Berlin, Görlitzer Park. Da werden Drogen verkauft, meist von Schwarzafrikanern. Wenn die Polizei dort verstärkt Schwarze kontrolliert, ist das Racial Profiling, oder einfach nur legitime Polizeiarbeit?
Fiedler: Erst mal: Die Sachverhaltsbeschreibung greift zu kurz. Und zum Zweiten ist das natürlich dummes Zeug. Racial Profiling bedeutet, dass sich Polizeiarbeit ausschließlich an der Frage von Vorurteilen aufhängt, nämlich weil die polizeiliche Maßnahme sich dann ausschließlich nach den äußeren Kriterien eines Menschen ausrichten würde. Das ist in jedem Fall erstens menschenrechtswidrig und verfassungswidrig und zum Zweiten unprofessionell, weil es uns natürlich nicht zum Ziel führt.
Natürlich kann die äußere Erscheinung einer Person, muss sie sogar Teil unserer Arbeit sein, unserer Verdachtsschöpfung sein, aber nur ein Teilaspekt von mehreren. Und wenn Sie schon sagen, Görlitzer Park, und wir wissen, dass dort Drogen gehandelt werden, wir wissen, dass bestimmte Kriminalitätsfelder von bestimmten Gruppen dominiert werden, dann ist das eine ganz andere Fragestellung, hat mit Racial Profiling nun wirklich überhaupt nichts zu tun.
May: Wenn die Polizei aus Erfahrungswerten heraus zum Beispiel für den internen Sprachgebrauch das Wort "Nafri" einführt, Nordafrikanische Intensivtäter, eben weil es so ist, kann man das den Beamten dann auch nicht verdenken?
Fiedler: Ganz ehrlich: Das ist eine Diskussion, die haben wir nach der Silvesternacht in Köln ja nun rauf und runter diskutiert.
May: Aber es spielt ja mit rein.
Fiedler: Ja! Aber Ihr Wort, wenn Sie das aussprechen, Nordafrikanische Intensivtäter, heißt, wir reden hier über Straftäter, die aus Nordafrika kommen. Das hat doch nichts mit Vorurteilen zu tun.
May: Wo wird es denn problematisch, ganz konkret?
Fiedler: Wie ich gerade schon sagte. Es wird dann problematisch, wenn eine polizeiliche Maßnahme aufgrund von Vorurteilen ausnahmslos anhand der Optik einer Person ausgerichtet wird. Dann wird sie auch rechtswidrig.
"Polizei ist nicht das Spiegelbild der Gesellschaft"
May: Wenn wir davon ausgehen, dass wir auch hier in Deutschland ein Rassismusproblem haben, muss man dann nicht auch davon ausgehen, dass die Polizei auch davon betroffen ist, möglicherweise sogar strukturell stärker als andere Teile der Gesellschaft? Gehen Sie davon aus?
Fiedler: Nein, davon muss man nicht ausgehen. Wenn ich das alles schon wüsste, dann würde ich ja nicht fordern, dass wir eine Studie dazu benötigen würden. Sie spielen ein bisschen ab auf diesen Spruch, den ich immer mal wieder lese, die Polizei sei Spiegelbild der Gesellschaft. Das ist sie nicht und das darf sie nicht sein. Sie muss aus der Breite der Gesellschaft kommen, aber sie muss natürlich einen Eid auf die Verfassung schwören und muss auch mit beiden Beinen auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen und muss sie verteidigen. Das ist ihre Rolle, die ihr zukommt, und daran darf es nicht den Hauch eines Zweifels geben.
May: Die Polizei muss besser sein als die Gesellschaft?
Fiedler: Sie muss selbstverständlich insoweit besser sein, als dass sie besser als alle anderen natürlich die Verfassung verteidigt und im Zweifel unter Einsatz ihres eigenen Lebens.
May: Es gibt ja immer die zwei Theorien, die man hört. Zum einen: Beamten haben viel Kontakt mit Kriminellen aus migrantischen Milieus. Da bilden sich dann bestimmte Einstellungen leichter heraus. Und die andere, die man häufig hört: Der Polizeidienst ist in besonderem Maße attraktiv für eine bestimmte Klientel. Können Sie damit etwas anfangen?
Fiedler: Nee, ich kann damit nichts anfangen, weil es solche Pauschalen Erzählungen sind, deren Hintergrund mir, ehrlich gesagt, sich nicht ganz erschließt. Was man sagen kann ist, dass das Risiko, Vorurteile auszubilden, natürlich dann größer ist, wenn man über einen langen Zeitraum sich in bestimmten Stadtquartieren, die hoch problematisch sind, immer wieder mit den gleichen Bevölkerungsgruppen auseinanderzusetzen hat, und da besteht natürlich eher die Gefahr, nicht mehr zu differenzieren, als in anderen Dienststellen möglicherweise. Aber deswegen ist es, glaube ich, nicht geeignet zu sagen, hieraus ziehen wir jetzt Schlussfolgerungen und wir sind schon fertig mit der Beurteilung der Lage, sondern wir müssen damit erst anfangen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.