Christoph Heinemann: Ist ihm das rausgerutscht, oder hat der SPD-Kanzlerkandidat einen Stein ins Wasser werfen wollen? Fest steht: Neben der Festlegung der Kanzlerin, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben, wird inhaltlich nach dem Kanzlerduell vor allem über eine Passage öffentlich diskutiert, genauer über Peer Steinbrücks Antwort auf die Frage der Moderatorin Anne Will:
O-Ton Anne Will: "Herr Steinbrück, sowohl Sie als auch Ihre Frau, die Lehrerin war, bekommen eine Pension. Bei Frau Merkel ist die Situation ähnlich: Sie wird eine Pension bekommen, ihr Mann, der Professor ist, wird auch eine Pension bekommen. Pensionen sind, das weiß jeder, deutlich höher als die Renten. Gehen Sie an diese Ungerechtigkeit auch nicht ran, weil Sie am eigenen Ast sägen müssten?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Nein. Es hat schon eine Angleichung gegeben. Ich denke, man wird den Weg weitergehen müssen. Es kann nicht sein, dass die Pensionen für diejenigen im öffentlichen Dienst besser behandelt werden oder stärker steigen als die aus der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung. Ich kann mich erinnern, dass in meiner Zeit als Ministerpräsident eine solche Anpassung in Nordrhein-Westfalen schon mal erfolgt ist, und diesen Weg wird man unter Gleichbehandlungs- und Gerechtigkeitsaspekten weitergehen müssen."
O-Ton Anne Will: "Haben Sie aber nicht vor, soweit ich Ihr Programm lese, oder?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Aber ich erkläre Ihnen das, dass das für mich selbstverständlich ist. Ich will ja keine Unwuchten dort haben und ich weiß, dass viele, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, die Rentenversicherungsbeiträge gezahlt haben, sehr genau hingucken, wie das auch mit dem öffentlichen Dienst ist."
O-Ton Anne Will: "Sie sagen uns also heute Abend, das wäre eine echte Neuigkeit, dass Sie die Pensionen begrenzen wollen?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Die Pensionen müssen in ihrer Entwicklung fair gekoppelt werden an das, was in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung stattfindet."
O-Ton Anne Will: "Was heißt fair gekoppelt?"
O-Ton Peer Steinbrück: "…, dass die Zuwächse bei den Pensionen im öffentlichen Dienst nicht überproportional sein können gegenüber den Entwicklungen des Rentenniveaus."
O-Ton Anne Will: "Und wo ist überproportional?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Das weiß ich jetzt aus dem Kopf nicht, welche Zahlen da im Einzelnen sind. Das können Sie ja nicht aus mir rauskitzeln jetzt."
O-Ton Anne Will: "Ja, weil Sie es uns angeboten haben. Deshalb habe ich interessiert nachgefragt, was Sie da vorhaben."
O-Ton Peer Steinbrück: "Es reicht doch völlig die qualitative Aussage, dass es eine faire Behandlung geben muss und eine Drift, eine Schere es zwischen den Pensionen im öffentlichen Dienst und in der gesetzlichen, umlagefinanzierten Rente nicht geben darf. Die Aussage ist doch in sich, wie ich finde, schlüssig."
O-Ton Angela Merkel: "Also ich finde, da müssen jetzt die Polizisten, die Justizvollzugsbeamten, die Lehrer und alle mal ganz genau hinhören. Das sind oft Menschen, die sehr, sehr wenig verdienen. Wenn man Pension hört, denkt man immer an Staatssekretäre oder Ähnliches …"
O-Ton Anne Will: "An Sie, an Herrn Steinbrück!"
O-Ton Angela Merkel: "Es sind Menschen, die ein sehr kleines Gehalt haben, und die müssen jetzt schon mal aufmerksam bei der SPD noch mal nachfragen, was da in Planung ist, denn diese Pensionen werden versteuert. Das ist auch anders, als das bei der Rente ist, und wir dürfen nicht vergessen, dass viele Menschen, die als Facharbeiter arbeiten, auch noch eine Betriebsrente haben. Das heißt, dass man nicht einfach Pension und gesetzliche Rente miteinander vergleichen kann. Und die überwiegende Mehrzahl von Beamten bei uns in Deutschland sind Menschen mit einem sehr kleinen Gehalt, vom Soldaten über den Polizisten bis zum Justizvollzugsbeamten oder gegebenenfalls auch Feuerwehrmann. Also Achtung!"
Heinemann: Ein Auszug aus dem Kanzlerduell – und am Telefon ist jetzt Karl Schiewerling von der CDU, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Karl Schiewerling: Schönen guten Morgen.
Heinemann: Und Sie sind der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Fraktion und Sie sind kein Beamter. Ist das richtig?
Schiewerling: Das ist richtig, ja.
Heinemann: Ist Peer Steinbrück nicht ausgesprochen mutig?
Schiewerling: Peer Steinbrück hat wahrscheinlich im Blick gehabt, dass es völlig unterschiedliche Systeme sind. Diese unterschiedlichen Systeme sind verwurzelt und sind festgemacht in der Verfassung. Wir haben einen hohen Schutz der Versorgung der Beamten im Artikel 33 unserer Verfassung, und den kann ich nicht ohne Weiteres außer Kraft setzen, es sei denn, ich will die Verfassung ändern.
Heinemann: Das hat er ja gar nicht gesagt. Die Frage ist: Müssen die Pensionen an die Rentenentwicklung angepasst werden, ja oder nicht?
Schiewerling: Die Pensionen werden angepasst an die Entwicklung der Einkommen im öffentlichen Dienst. Die Renten werden angepasst an der Entwicklung der Einkommen der Angestellten und derjenigen, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Heinemann: Und beide miteinander?
Schiewerling: Bitte?
Heinemann: Müssen Pensionen und Renten aneinander angepasst werden? Das wäre die Frage.
Schiewerling: Die Pensionen und Renten können aufgrund der unterschiedlichen Systeme nicht ohne Weiteres miteinander verkuppelt werden, weil wir haben ja auch unterschiedliche Versorgungssysteme für Architekten und für Ärzte. Wir haben ganz unterschiedliche Systeme und ich kann nicht einfach hingehen und sagen, die vereinheitlichen wir jetzt, es sei denn, ich gebe die gesamte Altersvorsorge, auch die Beamtenversorgung und alles andere auf und vereinheitliche dies in einem System. Das wird schlechterdings so nicht möglich sein und insofern muss Herr Steinbrück eine Antwort darauf geben, wenn er die miteinander verkoppeln will, wie er die miteinander verkoppeln will und auf welcher Grundlage. Die Beamtenpensionen, noch einmal, sind gekoppelt mit den Einkünften des öffentlichen Dienstes. Die Renten sind gekoppelt an den Steigerungen im Bereich der Wirtschaft.
Heinemann: Herr Steinbrück hat ja nicht gesagt, dass er das vereinheitlichen wollte, dass jetzt beide Alterssysteme sozusagen auf dem gleichen Stand hoch- oder runtergefahren würden, sondern er sagt, wenn bei den einen überproportionale Zuwächse erzielt werden, dann geht das auf Dauer nicht gut.
Schiewerling: Ja da hat er natürlich recht. Das sind …
Heinemann: Da sind wir schon mal einen Schritt weiter.
Schiewerling: Wir sind noch gar keinen Schritt weiter. Das geht auf Dauer gesehen nicht gut. Aber Faktum ist, dass wir seit 1955 und 56, also über 40, 50 Jahre, keineswegs eine Auseinanderentwicklung von Pensionen und von Einkommen aus der gesetzlichen Rente haben. Wir haben im Augenblick eine leicht höhere Entwicklung im Bereich der Beamtenpensionen. Mir scheint diese Diskussion eher eine Diskussion zu sein, die nicht so sehr unter Fragen der Gleichbehandlung geführt wird, sondern da sieht man, dass im Augenblick Dinge sich auseinanderentwickeln, aber die können Sie nicht ohne Weiteres aneinander koppeln und die können Sie nicht ohne Weiteres miteinander vergleichen, weil die Grundlagen andere sind.
Heinemann: Herr Schiewerling, Sie haben jetzt gerade ein halbes Jahrhundert zurückgeblickt. Schauen wir mal nach vorne. Es gibt schwindelerregende Berechnungen seit Jahren, seit Jahrzehnten: 700 Milliarden bis eine Billion Euro wird der Staat bis zur Mitte dieses Jahrhunderts für Pensionslasten aufbringen müssen. Ist das noch bezahlbar?
Schiewerling: Die Frage ist, sollen wir die Beamtenversorgung gänzlich aufgeben. Wenn der Staat sagt, wir versorgen unsere Beamten, die bei uns angestellt sind – und die meisten sind angestellt übrigens bei den Ländern, nicht beim Bund; die sind angestellt als Lehrer, die sind angestellt als Polizisten und so weiter, die Kanzlerin hat ja in ihrem Statement darauf hingewiesen, und die sind angestellt im Justizdienst -, wenn ich jetzt diese Pensionen mir anschaue, dann sind die keineswegs so hoch. Und wenn der Staat sagt, für unsere Beamten stehen wir gerade, weil das mit dem Beamtenrecht, Artikel 33 der Verfassung, die Verpflichtung des Staates ist, dann muss der Staat auch dafür aufkommen und muss die Mittel aufbringen.
Heinemann: Man muss sie sich nur leisten können, Herr Schiewerling. Die Demografie ist nun mal so, wie sie ist. In Deutschland werden viel zu wenige Kinder geboren. Was heißt das für die Entwicklung der Pensionen? Im Rentensystem gibt es den demografischen Faktor.
Schiewerling: Aber die Frage stellt sich doch bei der umlagefinanzierten Rente ganz genauso!
Heinemann: Deshalb gab es ja schon Rentenreformen.
Schiewerling: Ja natürlich! Aber wir haben ja auch eine Absenkung der Beamtenvergütungen und Pensionen mittlerweile erreicht. Die Frage, inwieweit die Beamtenpensionen abgesenkt werden können, ist eine andere Frage. Aber deswegen kann ich ja das gesamte System nicht grundsätzlich auf den Kopf stellen.
Heinemann: Das hat Herr Steinbrück auch nicht getan. – Aber fragen wir weiter: Kann es sich der Staat denn dauerhaft leisten, dass die Beamten keinen Beitrag für ihre Altersvorsorge leisten, oder nur einen sehr, sehr kleinen?
Schiewerling: Wenn der Staat die Patronatserklärung abgibt und sagt, ich sorge bei den Beamten für die Altersvorsorge, und dies ist entsprechend geregelt im Beamtengesetz, dann kann der Staat nicht auf einmal hingehen und sagen, ätschi bätschi, das tun wir in Zukunft nicht mehr, weil die, die Beamte geworden sind, sich auf diese Zusage des Staates verlassen haben.
Heinemann: Aber das sind doch keine Zehn Gebote!
Schiewerling: Das ist doch nicht die Frage, ob es Zehn Gebote sind, sondern es ist die Frage, ob wir geschaffene Strukturen im Bereich der Altersversorgung von jetzt auf gleich auf den Kopf stellen. Ich kann nur sagen, ich kann Ihnen nur sagen: So wie im Augenblick die Diskussion von Herrn Steinbrück geführt wird und auf den Weg gebracht wird, dient es nicht in erster Linie der Sorge, ob der Staat da noch was aufbringen kann, sondern es dient im Augenblick der Diskussion einer momentan gefühlten oder tatsächlichen Ungleichbehandlung. Und ich halte das auf dem Hintergrund der Einkommen der ganz normalen Beamten im einfachen Dienst, im mittleren Dienst für eine Diskussion, die ich nicht als fair empfinde, und deswegen ist es notwendig, gerade diese Fragen sehr sorgsam zu diskutieren und zu klären. Nun heißt das ja nicht, dass wir nicht irgendwann auch einmal diese Fragen angehen müssen, auch gemeinsam vernünftig lösen müssen, sofern die Möglichkeiten, sofern die Rahmenbedingungen dafür da sind. Aber das kann ich doch jetzt nicht im Rahmen eines Wahlkampfes so mal eben aus dem Hut zaubern und dann eine Grundsatzdiskussion darüber eröffnen.
Heinemann: Karl Schiewerling (CDU), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unions-Bundestagsfraktion und deren arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Schiewerling: Bitte schön – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Anne Will: "Herr Steinbrück, sowohl Sie als auch Ihre Frau, die Lehrerin war, bekommen eine Pension. Bei Frau Merkel ist die Situation ähnlich: Sie wird eine Pension bekommen, ihr Mann, der Professor ist, wird auch eine Pension bekommen. Pensionen sind, das weiß jeder, deutlich höher als die Renten. Gehen Sie an diese Ungerechtigkeit auch nicht ran, weil Sie am eigenen Ast sägen müssten?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Nein. Es hat schon eine Angleichung gegeben. Ich denke, man wird den Weg weitergehen müssen. Es kann nicht sein, dass die Pensionen für diejenigen im öffentlichen Dienst besser behandelt werden oder stärker steigen als die aus der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung. Ich kann mich erinnern, dass in meiner Zeit als Ministerpräsident eine solche Anpassung in Nordrhein-Westfalen schon mal erfolgt ist, und diesen Weg wird man unter Gleichbehandlungs- und Gerechtigkeitsaspekten weitergehen müssen."
O-Ton Anne Will: "Haben Sie aber nicht vor, soweit ich Ihr Programm lese, oder?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Aber ich erkläre Ihnen das, dass das für mich selbstverständlich ist. Ich will ja keine Unwuchten dort haben und ich weiß, dass viele, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, die Rentenversicherungsbeiträge gezahlt haben, sehr genau hingucken, wie das auch mit dem öffentlichen Dienst ist."
O-Ton Anne Will: "Sie sagen uns also heute Abend, das wäre eine echte Neuigkeit, dass Sie die Pensionen begrenzen wollen?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Die Pensionen müssen in ihrer Entwicklung fair gekoppelt werden an das, was in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung stattfindet."
O-Ton Anne Will: "Was heißt fair gekoppelt?"
O-Ton Peer Steinbrück: "…, dass die Zuwächse bei den Pensionen im öffentlichen Dienst nicht überproportional sein können gegenüber den Entwicklungen des Rentenniveaus."
O-Ton Anne Will: "Und wo ist überproportional?"
O-Ton Peer Steinbrück: "Das weiß ich jetzt aus dem Kopf nicht, welche Zahlen da im Einzelnen sind. Das können Sie ja nicht aus mir rauskitzeln jetzt."
O-Ton Anne Will: "Ja, weil Sie es uns angeboten haben. Deshalb habe ich interessiert nachgefragt, was Sie da vorhaben."
O-Ton Peer Steinbrück: "Es reicht doch völlig die qualitative Aussage, dass es eine faire Behandlung geben muss und eine Drift, eine Schere es zwischen den Pensionen im öffentlichen Dienst und in der gesetzlichen, umlagefinanzierten Rente nicht geben darf. Die Aussage ist doch in sich, wie ich finde, schlüssig."
O-Ton Angela Merkel: "Also ich finde, da müssen jetzt die Polizisten, die Justizvollzugsbeamten, die Lehrer und alle mal ganz genau hinhören. Das sind oft Menschen, die sehr, sehr wenig verdienen. Wenn man Pension hört, denkt man immer an Staatssekretäre oder Ähnliches …"
O-Ton Anne Will: "An Sie, an Herrn Steinbrück!"
O-Ton Angela Merkel: "Es sind Menschen, die ein sehr kleines Gehalt haben, und die müssen jetzt schon mal aufmerksam bei der SPD noch mal nachfragen, was da in Planung ist, denn diese Pensionen werden versteuert. Das ist auch anders, als das bei der Rente ist, und wir dürfen nicht vergessen, dass viele Menschen, die als Facharbeiter arbeiten, auch noch eine Betriebsrente haben. Das heißt, dass man nicht einfach Pension und gesetzliche Rente miteinander vergleichen kann. Und die überwiegende Mehrzahl von Beamten bei uns in Deutschland sind Menschen mit einem sehr kleinen Gehalt, vom Soldaten über den Polizisten bis zum Justizvollzugsbeamten oder gegebenenfalls auch Feuerwehrmann. Also Achtung!"
Heinemann: Ein Auszug aus dem Kanzlerduell – und am Telefon ist jetzt Karl Schiewerling von der CDU, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Karl Schiewerling: Schönen guten Morgen.
Heinemann: Und Sie sind der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Fraktion und Sie sind kein Beamter. Ist das richtig?
Schiewerling: Das ist richtig, ja.
Heinemann: Ist Peer Steinbrück nicht ausgesprochen mutig?
Schiewerling: Peer Steinbrück hat wahrscheinlich im Blick gehabt, dass es völlig unterschiedliche Systeme sind. Diese unterschiedlichen Systeme sind verwurzelt und sind festgemacht in der Verfassung. Wir haben einen hohen Schutz der Versorgung der Beamten im Artikel 33 unserer Verfassung, und den kann ich nicht ohne Weiteres außer Kraft setzen, es sei denn, ich will die Verfassung ändern.
Heinemann: Das hat er ja gar nicht gesagt. Die Frage ist: Müssen die Pensionen an die Rentenentwicklung angepasst werden, ja oder nicht?
Schiewerling: Die Pensionen werden angepasst an die Entwicklung der Einkommen im öffentlichen Dienst. Die Renten werden angepasst an der Entwicklung der Einkommen der Angestellten und derjenigen, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Heinemann: Und beide miteinander?
Schiewerling: Bitte?
Heinemann: Müssen Pensionen und Renten aneinander angepasst werden? Das wäre die Frage.
Schiewerling: Die Pensionen und Renten können aufgrund der unterschiedlichen Systeme nicht ohne Weiteres miteinander verkuppelt werden, weil wir haben ja auch unterschiedliche Versorgungssysteme für Architekten und für Ärzte. Wir haben ganz unterschiedliche Systeme und ich kann nicht einfach hingehen und sagen, die vereinheitlichen wir jetzt, es sei denn, ich gebe die gesamte Altersvorsorge, auch die Beamtenversorgung und alles andere auf und vereinheitliche dies in einem System. Das wird schlechterdings so nicht möglich sein und insofern muss Herr Steinbrück eine Antwort darauf geben, wenn er die miteinander verkoppeln will, wie er die miteinander verkoppeln will und auf welcher Grundlage. Die Beamtenpensionen, noch einmal, sind gekoppelt mit den Einkünften des öffentlichen Dienstes. Die Renten sind gekoppelt an den Steigerungen im Bereich der Wirtschaft.
Heinemann: Herr Steinbrück hat ja nicht gesagt, dass er das vereinheitlichen wollte, dass jetzt beide Alterssysteme sozusagen auf dem gleichen Stand hoch- oder runtergefahren würden, sondern er sagt, wenn bei den einen überproportionale Zuwächse erzielt werden, dann geht das auf Dauer nicht gut.
Schiewerling: Ja da hat er natürlich recht. Das sind …
Heinemann: Da sind wir schon mal einen Schritt weiter.
Schiewerling: Wir sind noch gar keinen Schritt weiter. Das geht auf Dauer gesehen nicht gut. Aber Faktum ist, dass wir seit 1955 und 56, also über 40, 50 Jahre, keineswegs eine Auseinanderentwicklung von Pensionen und von Einkommen aus der gesetzlichen Rente haben. Wir haben im Augenblick eine leicht höhere Entwicklung im Bereich der Beamtenpensionen. Mir scheint diese Diskussion eher eine Diskussion zu sein, die nicht so sehr unter Fragen der Gleichbehandlung geführt wird, sondern da sieht man, dass im Augenblick Dinge sich auseinanderentwickeln, aber die können Sie nicht ohne Weiteres aneinander koppeln und die können Sie nicht ohne Weiteres miteinander vergleichen, weil die Grundlagen andere sind.
Heinemann: Herr Schiewerling, Sie haben jetzt gerade ein halbes Jahrhundert zurückgeblickt. Schauen wir mal nach vorne. Es gibt schwindelerregende Berechnungen seit Jahren, seit Jahrzehnten: 700 Milliarden bis eine Billion Euro wird der Staat bis zur Mitte dieses Jahrhunderts für Pensionslasten aufbringen müssen. Ist das noch bezahlbar?
Schiewerling: Die Frage ist, sollen wir die Beamtenversorgung gänzlich aufgeben. Wenn der Staat sagt, wir versorgen unsere Beamten, die bei uns angestellt sind – und die meisten sind angestellt übrigens bei den Ländern, nicht beim Bund; die sind angestellt als Lehrer, die sind angestellt als Polizisten und so weiter, die Kanzlerin hat ja in ihrem Statement darauf hingewiesen, und die sind angestellt im Justizdienst -, wenn ich jetzt diese Pensionen mir anschaue, dann sind die keineswegs so hoch. Und wenn der Staat sagt, für unsere Beamten stehen wir gerade, weil das mit dem Beamtenrecht, Artikel 33 der Verfassung, die Verpflichtung des Staates ist, dann muss der Staat auch dafür aufkommen und muss die Mittel aufbringen.
Heinemann: Man muss sie sich nur leisten können, Herr Schiewerling. Die Demografie ist nun mal so, wie sie ist. In Deutschland werden viel zu wenige Kinder geboren. Was heißt das für die Entwicklung der Pensionen? Im Rentensystem gibt es den demografischen Faktor.
Schiewerling: Aber die Frage stellt sich doch bei der umlagefinanzierten Rente ganz genauso!
Heinemann: Deshalb gab es ja schon Rentenreformen.
Schiewerling: Ja natürlich! Aber wir haben ja auch eine Absenkung der Beamtenvergütungen und Pensionen mittlerweile erreicht. Die Frage, inwieweit die Beamtenpensionen abgesenkt werden können, ist eine andere Frage. Aber deswegen kann ich ja das gesamte System nicht grundsätzlich auf den Kopf stellen.
Heinemann: Das hat Herr Steinbrück auch nicht getan. – Aber fragen wir weiter: Kann es sich der Staat denn dauerhaft leisten, dass die Beamten keinen Beitrag für ihre Altersvorsorge leisten, oder nur einen sehr, sehr kleinen?
Schiewerling: Wenn der Staat die Patronatserklärung abgibt und sagt, ich sorge bei den Beamten für die Altersvorsorge, und dies ist entsprechend geregelt im Beamtengesetz, dann kann der Staat nicht auf einmal hingehen und sagen, ätschi bätschi, das tun wir in Zukunft nicht mehr, weil die, die Beamte geworden sind, sich auf diese Zusage des Staates verlassen haben.
Heinemann: Aber das sind doch keine Zehn Gebote!
Schiewerling: Das ist doch nicht die Frage, ob es Zehn Gebote sind, sondern es ist die Frage, ob wir geschaffene Strukturen im Bereich der Altersversorgung von jetzt auf gleich auf den Kopf stellen. Ich kann nur sagen, ich kann Ihnen nur sagen: So wie im Augenblick die Diskussion von Herrn Steinbrück geführt wird und auf den Weg gebracht wird, dient es nicht in erster Linie der Sorge, ob der Staat da noch was aufbringen kann, sondern es dient im Augenblick der Diskussion einer momentan gefühlten oder tatsächlichen Ungleichbehandlung. Und ich halte das auf dem Hintergrund der Einkommen der ganz normalen Beamten im einfachen Dienst, im mittleren Dienst für eine Diskussion, die ich nicht als fair empfinde, und deswegen ist es notwendig, gerade diese Fragen sehr sorgsam zu diskutieren und zu klären. Nun heißt das ja nicht, dass wir nicht irgendwann auch einmal diese Fragen angehen müssen, auch gemeinsam vernünftig lösen müssen, sofern die Möglichkeiten, sofern die Rahmenbedingungen dafür da sind. Aber das kann ich doch jetzt nicht im Rahmen eines Wahlkampfes so mal eben aus dem Hut zaubern und dann eine Grundsatzdiskussion darüber eröffnen.
Heinemann: Karl Schiewerling (CDU), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unions-Bundestagsfraktion und deren arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Schiewerling: Bitte schön – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.