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Bebende Sonnen und kreisende Erden

Planmäßig um 15.23 Uhr MEZ startete am Mittwoch vom kasachischen Weltraumzentrum Baikonur eine Sojus-Fregat-Rakete mit dem europäischen Satelliten COROT. Seine Aufgabe: Er soll in den kommenden zweieinhalb Jahren nach Planeten außerhalb des Sonnensystems suchen und Informationen über das Innere ferner Sterne liefern.

Von Dirk Lorenzen |
    "Convection, Rotation and planetary Transits."

    Konvektion, Drehung und Planetendurchgänge - der Name COROT ist die Abkürzung der wissenschaftlichen Hauptaufgaben, erläutert Ian Roxburgh vom Queen Mary College der Universität London.

    "Bei dieser Mission geht es um zwei Ziele: Zum einen wollen wir Planeten entdecken, die um andere Sterne kreisen. Zum anderen messen wir kleine Schwankungen im Sternlicht, aus denen wir auf das Sterninnere schließen können."

    Der von der französischen Raumfahrtagentur CNES gemeinsam mit der ESA betriebene Satellit soll in gut 800 Kilometern Höhe die Erde über die Pole hinweg umkreisen. COROTs Aufgabe ist vergleichsweise simpel: Der Satellit überwacht Tausende Sterne am Himmel und achtet darauf, ob die Sterne stets exakt gleich hell leuchten oder ob sie minimal flackern. Denn im schwankenden Sternlicht können wertvolle Informationen stecken:

    "Wenn ein Planet beim Lauf um seinen Stern von uns aus gesehen genau vor dem Stern entlang zieht, dann blockt er einen winzigen Teil des Sternlichts ab. Der Stern erscheint uns vorübergehend etwas schwächer. Auf diese Weise sind sogar Planeten zu entdecken, die nur so klein sind wie die Erde. Uns interessiert, wie häufig da draußen Sterne mit Planeten sind. Damit lernen wir auch etwas über unser eigenes Sonnensystem. Wir wollen endlich verstehen, wie sich im Weltall Planeten und Planetensysteme bilden."

    Herzstück des 630 Kilogramm schweren Satelliten ist ein 30-Zentimeter-Teleskop. Auf der Erde ist ein Instrument dieser Größe ein besseres Amateur-Teleskop. Aber ohne die störende Erdatmosphäre leistet es im Weltraum exzellente Dienste - es misst die Sternhelligkeit auf 0,1 Promille genau. Das COROT-Team überwacht Zigtausende von Sternen. Statistisch gesehen wird deshalb bei etlichen die Beobachtungsperspektive genau richtig sein, um einen Planeten wirklich vor einem Stern entlang ziehen zu sehen und nicht oberhalb oder unterhalb am Stern vorbei. Während der zweieinhalbjährigen Mission hoffen die Forscher, mindestens 200 erdähnliche Planeten zu entdecken. Nie zuvor haben Astronomen so systematisch nach Planeten bei fernen Sternen gesucht - und auch die Sterne selbst wurden noch nie so intensiv erforscht:

    "Beim zweiten Missionsziel überwachen wir einige Dutzend helle Sterne sehr genau. Wir achten auf minimale Lichtschwankungen, die von den Sternen selbst kommen. Sterne sind brodelnde Gaskugeln - sie schwingen wie riesige Glocken. Diese Schwingungen verraten viel über das Innere der Sterne, so wie Geologen mit Erdbebenwellen etwas über das Erdinnere herausbekommen. Denn die Bewegung der Wellen hängt vom inneren Aufbau des Körpers ab. Wir wollen nun lernen, wie Sterne aufgebaut sind und wie sie sich entwickeln."

    Die Astronomen sprechen von Sternseismologie: Die durch den Stern laufenden Wellen lassen seine Helligkeit minimal schwanken und verraten so, was in seinem Inneren vor sich geht. Wo wirkt die Konvektion, das Brodeln der heißen Materie? Wie schnell rotiert der Stern? Und so weiter. Der Knackpunkt dabei ist, das Licht extrem präzise zu messen. Auf der Erde ist das wegen der Atmosphäre unmöglich - doch von seinem Logenplatz im All aus macht COROT schon bald die genauesten Helligkeitsmessungen aller Zeiten - und verrät so viel über den Aufbau der Sterne und die Geschwister der Erde im All.