Donnerstag, 25. April 2024

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Beckstein (CSU) über Markus Söder
"Der Stärkste, den wir haben"

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein hat sich dafür ausgesprochen, dem neuen CSU-Parteivorsitzenden Markus Söder Zeit und Chancen zu geben. Söder werde das Verbindende mit der CDU herausstellen und nicht den Streit um des Streitens willen fortsetzen, sagte Beckstein im Dlf.

Günther Beckstein im Gespräch mit Silvia Engels | 19.01.2019
    Der Vizepräses der EKD-Synode und ehemalige bayerische Ministerpräsident, Günther Beckstein (CSU), spricht am 12.11.2013 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf dem Podium.
    Günther Beckstein: "Ich traue Markus Söder zu, dass er ein starker Ministerpräsident wird, aber auch ein starker Parteivorsitzender." (dpa / picture alliance / Jan-Philipp Strobel)
    Silvia Engels: Im Schnellverfahren und ganz harmonisch – so wollen die Verantwortlichen den heutigen CSU-Sonderparteitag in München über die Bühne bringen. Horst Seehofer tritt nach gut zehn Jahren als Parteivorsitzender ab, einziger Kandidat für seine Nachfolge ist Ministerpräsident Markus Söder. Ausgerechnet also Söder und Seehofer, die ärgsten Rivalen in den vergangenen Jahren in der CSU sollen nun also für den glatten Übergang stehen.
    Mitgehört hat Günther Beckstein, 2007 bis 2008 war er bayrischer Ministerpräsident, zuvor lange bayrischer Innenminister. Er überblickt die CSU-Entwicklungen seit den 70er-Jahren aus nächster Nähe. Guten Tag, Herr Beckstein!
    Günther Beckstein: Ein herzliches Grüß Gott!
    Engels: Grüße Sie! Zehn Jahre Horst Seehofer an der Spitze der CSU werden nun bald Geschichte sein. Was ist Ihrer Ansicht nach der größte Verdienst Horst Seehofers?
    Beckstein: Horst Seehofer hat 2013 die absolute Mehrheit wiedergeholt, 2008 hatten wir – auch unter meiner Verantwortung als Ministerpräsident, Erwin Huber war Parteivorsitz – die absolute Mehrheit schon verloren. Dass er das wiedergeholt hat, war ein Riesenerfolg.
    Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, kommt zu einer Pressekonferenz zu dem umfangreichen Daten-Diebstahl bei etwa 1000 Politikern und Prominenten. Nach dem massiven Online-Angriff will die Bundesregierung Konsequenzen ziehen und die Cyber-Sicherheit verbessern.
    Günther Beckstein betonte im Dlf, Horst Seehofer habe während seiner Amtszeit als Parteivorsitzender viel für das "S", das Soziale, in der CSU getan (Bernd von Jutrczenka/dpa)
    Er steht auch für das S in der CSU, das Soziale. Das hat er sehr stark insgesamt betont, und das ist, glaube ich, auch ein historisches Verdienst, dass wir sehr viel stärker als die CDU wissen, dass wir gerade auch für die Normalbürger zu sorgen haben, für die Frau mit der kleinen Rente, für den Bürger, der beim Arzt Wartezeiten hat, weil er nur Kassenpatient ist, dafür müssen wir sorgen, und das hat uns Horst Seehofer immer wieder vorgelebt und vorgesagt.
    "Die Auseinandersetzung im letzten Jahr war schwierig"
    Engels: Welches war auf der anderen Seite seine größte Schwäche in diesen zehn Jahren?
    Beckstein: Die Auseinandersetzung im letzten Jahr war schwierig. Da ist es natürlich drum gegangen, dass Horst Seehofer, der ursprünglich angekündigt hatte, dass er 2018 aufhört, dann wollte er doch weitermachen. Dann die Auseinandersetzung mit Markus Söder, da war es schon zunehmend schwierig, zumal er offensichtlich auch in der Landtagsfraktion dann erheblich an Zustimmung verloren hat, und der Übergang zu Markus Söder war schon insgesamt holprig.
    Engels: Die CSU ist ja nicht im besten Zustand, um es vorsichtig zu formulieren. Der erbitterte Streit mit der CDU über die Zuwanderung im Sommer – Sie haben es angesprochen –, das ist alles noch in frischer Erinnerung, dazu das letzte Wahlergebnis für die CSU mit 37,2 Prozent bei den Landtagswahlen, das ist mit dem Selbstverständnis der CSU eigentlich nicht vereinbar. Sind die alten, die fetten Jahre endgültig vorbei?
    Beckstein: Also ich bin da zurückhaltend mit dem Wort endgültig, weil Politik schnelllebig ist, es ändert sich alles. Diese Veränderung ist natürlich auch ein Grund, dass es schwieriger wird, in Bayern absolute Mehrheiten zu kriegen. Es sind sehr, sehr viele Menschen von anderen Bundesländern zugezogen. Bayern hat einen starken Wachstumskurs. Es sind sehr viele Menschen aus anderen Teilen Europas auch Bürger geworden.
    Es hat auch das klassische Wählerklientel, Landwirtschaft, auch die katholische Kirche, alles das hat Federn lassen müssen. Also es ist schwieriger als früher, aber der Anspruch lautet schon: zurück zu alter Stärke, und das ist auch das Motto, mit dem Markus Söder heute antritt.
    "Söder als unser stärkstes Pferd angesehen"
    Engels: Da ist das Stichwort genannt: Markus Söder wird nun Seehofer auch im Parteivorsitzenden-Amt beerben. Die CSU gilt ja als Partei, die immer dem folgt, der für Wahlerfolge steht. Warum durfte also Markus Söder mit 37,2 Prozent eigentlich überhaupt Ministerpräsident bleiben, Sie aber mussten damals 2008 mit 43,4 Prozent gehen? Zeigt das, dass die CSU sich mittlerweile als normale Partei definiert und nicht mehr als Ausnahmepartei?
    Beckstein: Also es war damals 2008 ein Schock, wenn man das erste Mal die absolute Mehrheit seit über 40 Jahren verliert, ist das sicher schlimmer als jetzt im Jahr 2018, zumal man sagen muss, dass insgesamt die beiden großen Volksparteien ja im Moment in schwierigen Verhältnissen sind.
    Aber das Entscheidende für Markus Söder ist, dass er wohl nach einer ganz, ganz breiten Mehrheit innerhalb der CSU mit Abstand der Stärkste ist, den wir haben. Das ist auch der Grund, dass niemand anderes antritt. Das war damals 2008 anders, da war Horst Seehofer als Gegenkandidat für Erwin Huber da. Da war klar, dass Horst Seehofer als Ministerpräsident auch ein Schwergewicht ist. Also es hat damals harte Wettbewerbe gegeben, während diesmal ganz eindeutig Markus Söder als unser stärkstes Pferd angesehen worden ist.
    "Man sollte Söder die Zeit und die Chance geben"
    Engels: Markus Söder – Sie haben ihn früh unterstützt. Er ist Franke, Sie sind Franke. Nun ist allerdings, obwohl er ja mittlerweile ja auch schon einige Zeit Ministerpräsident ist, es ihm nie gelungen, so populär zu werden wie vor ihm beispielsweise Horst Seehofer oder frühere Ministerpräsidenten wie Stoiber oder gar Strauß. Woran liegt das?
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder spricht auf dem CSU-Sonderparteitag in München
    Günther Beckstein ist überzeugt: Markus Söder könne sowohl ein starker Ministerpräsident als auch ein starker Parteivorsitzender für die CSU sein (AFP / Christof STACHE)
    Beckstein: Er war nur ganz kurz Ministerpräsident. Man kann nicht von jemandem, der gerade ein halbes Jahr im Amt ist, erwarten, dass er dieselbe Bedeutung hat, dieselbe Resonanz hat, denselben Zuspruch wie wenn jemand zehn oder 15 Jahre Ministerpräsident gewesen ist. Das ist auch jetzt klar, dass ein Parteivorsitzender Markus Söder nicht dasselbe Gewicht von vornherein hat wie wenn jemand das längere Zeit ist.
    Ich traue aber Markus Söder zu, dass er sowohl ein starker Ministerpräsident wird, aber auch ein starker Parteivorsitzender. Aber es braucht halt auch da eine gewisse Zeit, sich in all diese Bereiche mit Berechtigung, mit neuen Ideen und mit Durchschlagskraft einzuarbeiten. Also ich denke, man sollte ihm die Zeit und die Chance geben.
    Engels: Horst Seehofer brachte aber, als er Ministerpräsident wurde, recht schnell auch seine persönlichen Beliebtheitswerte in den Umfragen deutlicher nach vorne als das Markus Söder jetzt gelungen ist. Liegt das auch daran, dass er immer noch als jemand gilt, der die Berechnung nach vorne stellt und nicht so sehr den Inhalt?
    Beckstein: Vor allem war es damals so, dass die Partei auch nicht irgendwelche harten Auseinandersetzungen um Horst Seehofer hatte. Horst Seehofer hatte zwar gegen Erwin Huber kandidiert, aber 2008 war dann völlig klar, dass alle zu ihm gehen, während bei Markus Söder es ja noch im Sommer rechte Auseinandersetzungen auch mit Horst Seehofer gegeben hat, und dass das gewisse Wunden hinterlässt, ist klar. Aber ich bin sehr zuversichtlich, er wird den Kurs, den er jetzt geht, Landesvater, er wird das Verbindende mit der CDU herausstellen und nicht den Streit um des Streitens willen fortsetzen. Also ich werbe sehr dafür, Markus Söder Zeit und Chancen zu geben. Er wird sie nutzen.
    "Heute geht es um Vorschusslorbeeren"
    Engels: Sie haben es angesprochen: das Verbindende mit der CDU wieder herauszustellen. Von Söder wird ja nun auch in der CSU erwartet, dass er die Partei auch auf Bundesebene profiliert. In der Vergangenheit gelang das den früheren Vorsitzenden auch immer durch Abgrenzung von der CDU. Dieses Stilmittel soll er ja nun nicht ziehen. Wie soll er das also machen?
    Beckstein: Also selbstverständlich wird es nicht immer eitel Freudenschein und immer Harmonie geben, sondern es muss schon manchmal auch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen geben. Es wird schon manchmal auch Streit geben, aber es muss ganz klar sein, dass der Streit nie Selbstzweck ist und dass gerade jetzt in Richtung Europawahl wir einen gemeinsamen Spitzenkandidaten haben, dass dieser Spitzenkandidat von der CSU kommt, das ist ein optimaler Start, dass wir wirklich den Europawahlkampf gemeinsam führen. Das wird dann auch das Vertrauen schaffen, dass man dann, wenn es mal unterschiedliche Meinungen gibt, das auch austrägt. Demokratie lebt davon, dass nicht immer alle einer Meinung sind. Das gilt auch für eine Partei, erst recht für die Schwesterparteien CDU und CSU, aber trotzdem muss klar sein, dass wir insgesamt gesehen von derselben Grundlage ausgehend Politik gemeinsam gestalten wollen.
    Engels: Wie viel Prozent der Delegiertenstimmen muss Markus Söder heute bekommen, damit es ein Erfolg ist?
    Beckstein: Also ich rechne damit, dass es irgendwo zwischen 80 und 85 Prozent werden, aber selbst wenn er nur 75 Prozent kriegen sollte, ist das ohne Bedeutung. Er ist in der Partei insgesamt völlig unumstritten, und die Partei wird ihm auch die Chancen geben. Es kommt dann im Herbst ja schon die nächste Wahl, wenn die normale Wahl aller Parteigremien ist, da wird man dann sehen etwas stärker, heute geht es um Vorschusslorbeeren. Ich hoffe, dass es ein gutes Ergebnis wird. Er wird in jedem Fall so stark sein, dass er in CSU ganz energisch mit seinen Themen führen kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.