Im Vermittlungsausschuss müssen sich Regierung und Opposition nun einigen, und zu diesem Zweck tagt heute die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die von Seiten der Union vom saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller und Bayerns Innenminister Günther Beckstein geleitet wird. Letzterer ist jetzt am Telefon. Herr Beckstein, das Gesetz scheint in einer Art Sackgasse zu stecken, und nicht nur in der SPD sagen viele, schuld ist die Union, die Deutschland als Einwanderungsland schlicht nicht wahrhaben will und hier typische Blockadepolitik zeigt. Was entgegnen Sie diesem Vorwurf?
Beckstein: Ich entgegne, dass wir in der jetzigen aktuellen Situation ganz offensichtlich nicht mehr Zuwanderung brauchen, sondern weniger. Das heißt, unser Ziel ist ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Was allerdings ganz dringend ist, ist eine Verbesserung der Integration, aber nicht nur der Integration derer, die zukünftig neu kommen, sondern der Millionen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gekommen sind und heute noch nicht integriert sind. Die nachholende Integration ist das zentrale Problem, und die ist im bisherigen Gesetz überhaupt nicht geregelt. Das muss aber gemacht werden, sonst brauchen wir kein Gesetz.
Remme: Das heißt, wenn man dieses Gesetz von der Intention her in zwei Teile aufteilt, nämlich, sagen wir mal, die eine mit der Überschrift "Ausländerrecht", die andere mit der Überschrift "Zuwanderung", dann könnten Sie auf letzteres verzichten?
Beckstein: In der Tat. Das Musterbeispiel ist der Paragraph 20, wo eine Zuwanderung nach einem bestimmten Kontingent vorgesehen ist. Ein derartiges Zuwanderungserweiterungsgesetz machen wir nicht mit. Wenn man vier bis fünf Millionen Arbeitslose hat, wenn die Osterweiterung der Europäischen Union bevorsteht, wenn das große zentrale Problem des nächsten Jahrzehnts ist, wie schafft man es, dass die Arbeitslosigkeit dramatisch zurückgeht, dann brauchen wir nicht noch mehr Zuwanderung. Also das Ziel heißt insoweit ganz klar Zuwanderungsbegrenzung.
Remme: Aber wenn Sie schon die sozialen Probleme ansprechen, dann ist Ihnen auch klar, dass es gerade in diesen Wochen und Tagen aus jedem Lautsprecher schallt: In Sachen junge Generation ist das deutsche Boot fast leer. Werden denn die demographischen Probleme dem Aspekt, den Sie erwähnt haben, nicht wenigstens aufgewogen?
Beckstein: Wir haben das sorgfältig mit Wissenschaftlern erörtert. Um das demographische Problem zu regeln, bräuchten wir ungeheure Zahlen von Zuwanderern, die kein Land verkraften könnte, denn Zuwanderer machen dasselbe Problem, nämlich dass sie auch selbst älter werden. Das bedeutet, dass die große Zahl der alten Menschen, die in 20 Jahren zu versorgen sind, nicht dadurch reduziert wird, dass man Zuwanderung erhöht. In der Frage des demographischen Problems bleibt uns gar nichts anders übrig, als das wir die Bereitschaft, in Deutschland Kinder zu kriegen, fördern. Das heißt, Familienpolitik und, wenn Sie so wollen, auch Bevölkerungspolitik ist das zentrale Thema, und nicht etwa dass wir die fehlenden Kinder durch Kinder aus Indien oder Kenia ersetzen.
Remme: Aber auch die Herzog-Kommission kommt zu dem Schluss, dass Zuwanderung und demographische Probleme in Deutschland zusammenhängen und durchaus ein Teil der Lösung des Problems sein können.
Beckstein: Also ich will nicht eine Politik des Mauerns, der Mauern hoch, denn wir wissen, dass in den vergangenen Jahren jedes Jahr etwa zwischen 150.000 und 250.000 Menschen gekommen sind. Das heißt, wir werden auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine nennenswerte Zuwanderung haben, aber eine Erweiterung der Zuwanderung gegenüber dem Maß der vergangenen Jahre scheidet für uns aus, und wir fühlen uns in der Analyse der gegenwärtigen Situation bestätigt. Wenn eine hohe Anzahl von Zuwanderern und Zuwandererkindern arbeitslos sind, wenn es größte Mühe bereitet, für die Kinder derer, die vor 20 Jahren aus der Türkei gekommen sind, Lehrstellen zu finden, dann kann es nicht die erste Aufgabe sein, neue Zuwanderer hierher zu holen und diejenigen, die hier sind, in der Arbeitslosigkeit und in Sozialsystemen zu belassen. Wir müssen als das allererste und dringlichste Problem lösen die Integration derer, die in den vergangenen Jahrzehnten gekommen sind, und nicht etwa die Zuwanderungserweiterung.
Remme: Kommen wir auf einen anderen Aspekt. Es ist ja eigentlich unüblich, wenn man sich auf eine Kompromisssuche macht, mit einem der größten Stolpersteine zu beginnen. Heute auf der Tagesordnung die humanitären Aspekte der neuen Regelung. Die sind der Union sehr wichtig. Die Kirchen und die humanitären Organisationen fordern, dem Schily-Entwurf in diesen Dingen zuzustimmen. Warum sperren sich gerade die Parteien mit dem C im Namen gegen eine Verbesserung des Schutzes zum Beispiel von nichtstaatlicher Verfolgung?
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Beckstein: Wir sagen, dass bereits heute hier eine sehr großzügige Regelung in Deutschland besteht, die wahrscheinlich die großzügigste Regelung in Europa ist, wenn man mal Schweden beiseite lässt. Das heißt, ich sage, dass genau das, was Schily bis vor einem Jahr gesagt hat, richtig ist, nämlich dass es keine Schutzlücke gibt. Wir sind bereit, die Genfer Konvention ohne irgendwelche Einschränkung zu regeln, das heißt, wer von der Genfer Konvention geschützt ist, der kommt nach Deutschland und bleibt hier und kriegt erhebliche Sozialleistungen; eine Schutzlücke besteht nicht. Wir wehren uns dagegen, dass wieder Anreize geschaffen werden, dass Leute unter dem Vorwand der Verfolgung kommen, um hier einzuwandern. Dieser Vorwand der Verfolgung hat dazu geführt, dass wir in den zwei zurückliegenden Jahrzehnten sehr viele Menschen bekommen haben, die mehr Probleme geschaffen als gelöst haben. Deswegen wollen wir keine Erweiterungen humanitärer Lösungen, die dazu führen, dass wir hier Probleme schaffen und nicht lösen.
Remme: Sie werden sich jetzt also zusammensetzen in dieser Arbeitsgruppe, und man wird einige Male tagen. Für wie groß halten Sie die Chancen einer Einigung?
Beckstein: Aus meiner Sicht ist es Fünfzig zu Fünfzig. Allerdings muss man ganz klar sagen, wenn nicht das Vorzeichen des Gesetzes geändert wird, werden wir nicht zustimmen. Dieses Vorzeichen heißt, wir wollen in einer Situation der hohen Arbeitslosigkeit auf zehn Jahre nicht Zuwanderungserweiterung, sondern wir wollen Zuwanderungsbegrenzung, aber eine drastische Verbesserung der Integration, und zwar die Integration derer, die gekommen sind, und hier wird der Bund auch viel mehr Geld als bisher aufwenden müssen, weil wir das den Gemeinden, die finanziell notleidend sind, und den Ländern, die finanziell in den extremsten Schwierigkeiten stehen, nicht zumuten können, dieses Problem, das ja nun nichts mit der örtlichen Politik zu tun hat, dann auch auf eigene Kosten zu lösen.
Remme: Vielen Dank für das Gespräch.
Beckstein: Ich entgegne, dass wir in der jetzigen aktuellen Situation ganz offensichtlich nicht mehr Zuwanderung brauchen, sondern weniger. Das heißt, unser Ziel ist ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Was allerdings ganz dringend ist, ist eine Verbesserung der Integration, aber nicht nur der Integration derer, die zukünftig neu kommen, sondern der Millionen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gekommen sind und heute noch nicht integriert sind. Die nachholende Integration ist das zentrale Problem, und die ist im bisherigen Gesetz überhaupt nicht geregelt. Das muss aber gemacht werden, sonst brauchen wir kein Gesetz.
Remme: Das heißt, wenn man dieses Gesetz von der Intention her in zwei Teile aufteilt, nämlich, sagen wir mal, die eine mit der Überschrift "Ausländerrecht", die andere mit der Überschrift "Zuwanderung", dann könnten Sie auf letzteres verzichten?
Beckstein: In der Tat. Das Musterbeispiel ist der Paragraph 20, wo eine Zuwanderung nach einem bestimmten Kontingent vorgesehen ist. Ein derartiges Zuwanderungserweiterungsgesetz machen wir nicht mit. Wenn man vier bis fünf Millionen Arbeitslose hat, wenn die Osterweiterung der Europäischen Union bevorsteht, wenn das große zentrale Problem des nächsten Jahrzehnts ist, wie schafft man es, dass die Arbeitslosigkeit dramatisch zurückgeht, dann brauchen wir nicht noch mehr Zuwanderung. Also das Ziel heißt insoweit ganz klar Zuwanderungsbegrenzung.
Remme: Aber wenn Sie schon die sozialen Probleme ansprechen, dann ist Ihnen auch klar, dass es gerade in diesen Wochen und Tagen aus jedem Lautsprecher schallt: In Sachen junge Generation ist das deutsche Boot fast leer. Werden denn die demographischen Probleme dem Aspekt, den Sie erwähnt haben, nicht wenigstens aufgewogen?
Beckstein: Wir haben das sorgfältig mit Wissenschaftlern erörtert. Um das demographische Problem zu regeln, bräuchten wir ungeheure Zahlen von Zuwanderern, die kein Land verkraften könnte, denn Zuwanderer machen dasselbe Problem, nämlich dass sie auch selbst älter werden. Das bedeutet, dass die große Zahl der alten Menschen, die in 20 Jahren zu versorgen sind, nicht dadurch reduziert wird, dass man Zuwanderung erhöht. In der Frage des demographischen Problems bleibt uns gar nichts anders übrig, als das wir die Bereitschaft, in Deutschland Kinder zu kriegen, fördern. Das heißt, Familienpolitik und, wenn Sie so wollen, auch Bevölkerungspolitik ist das zentrale Thema, und nicht etwa dass wir die fehlenden Kinder durch Kinder aus Indien oder Kenia ersetzen.
Remme: Aber auch die Herzog-Kommission kommt zu dem Schluss, dass Zuwanderung und demographische Probleme in Deutschland zusammenhängen und durchaus ein Teil der Lösung des Problems sein können.
Beckstein: Also ich will nicht eine Politik des Mauerns, der Mauern hoch, denn wir wissen, dass in den vergangenen Jahren jedes Jahr etwa zwischen 150.000 und 250.000 Menschen gekommen sind. Das heißt, wir werden auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine nennenswerte Zuwanderung haben, aber eine Erweiterung der Zuwanderung gegenüber dem Maß der vergangenen Jahre scheidet für uns aus, und wir fühlen uns in der Analyse der gegenwärtigen Situation bestätigt. Wenn eine hohe Anzahl von Zuwanderern und Zuwandererkindern arbeitslos sind, wenn es größte Mühe bereitet, für die Kinder derer, die vor 20 Jahren aus der Türkei gekommen sind, Lehrstellen zu finden, dann kann es nicht die erste Aufgabe sein, neue Zuwanderer hierher zu holen und diejenigen, die hier sind, in der Arbeitslosigkeit und in Sozialsystemen zu belassen. Wir müssen als das allererste und dringlichste Problem lösen die Integration derer, die in den vergangenen Jahrzehnten gekommen sind, und nicht etwa die Zuwanderungserweiterung.
Remme: Kommen wir auf einen anderen Aspekt. Es ist ja eigentlich unüblich, wenn man sich auf eine Kompromisssuche macht, mit einem der größten Stolpersteine zu beginnen. Heute auf der Tagesordnung die humanitären Aspekte der neuen Regelung. Die sind der Union sehr wichtig. Die Kirchen und die humanitären Organisationen fordern, dem Schily-Entwurf in diesen Dingen zuzustimmen. Warum sperren sich gerade die Parteien mit dem C im Namen gegen eine Verbesserung des Schutzes zum Beispiel von nichtstaatlicher Verfolgung?
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Beckstein: Wir sagen, dass bereits heute hier eine sehr großzügige Regelung in Deutschland besteht, die wahrscheinlich die großzügigste Regelung in Europa ist, wenn man mal Schweden beiseite lässt. Das heißt, ich sage, dass genau das, was Schily bis vor einem Jahr gesagt hat, richtig ist, nämlich dass es keine Schutzlücke gibt. Wir sind bereit, die Genfer Konvention ohne irgendwelche Einschränkung zu regeln, das heißt, wer von der Genfer Konvention geschützt ist, der kommt nach Deutschland und bleibt hier und kriegt erhebliche Sozialleistungen; eine Schutzlücke besteht nicht. Wir wehren uns dagegen, dass wieder Anreize geschaffen werden, dass Leute unter dem Vorwand der Verfolgung kommen, um hier einzuwandern. Dieser Vorwand der Verfolgung hat dazu geführt, dass wir in den zwei zurückliegenden Jahrzehnten sehr viele Menschen bekommen haben, die mehr Probleme geschaffen als gelöst haben. Deswegen wollen wir keine Erweiterungen humanitärer Lösungen, die dazu führen, dass wir hier Probleme schaffen und nicht lösen.
Remme: Sie werden sich jetzt also zusammensetzen in dieser Arbeitsgruppe, und man wird einige Male tagen. Für wie groß halten Sie die Chancen einer Einigung?
Beckstein: Aus meiner Sicht ist es Fünfzig zu Fünfzig. Allerdings muss man ganz klar sagen, wenn nicht das Vorzeichen des Gesetzes geändert wird, werden wir nicht zustimmen. Dieses Vorzeichen heißt, wir wollen in einer Situation der hohen Arbeitslosigkeit auf zehn Jahre nicht Zuwanderungserweiterung, sondern wir wollen Zuwanderungsbegrenzung, aber eine drastische Verbesserung der Integration, und zwar die Integration derer, die gekommen sind, und hier wird der Bund auch viel mehr Geld als bisher aufwenden müssen, weil wir das den Gemeinden, die finanziell notleidend sind, und den Ländern, die finanziell in den extremsten Schwierigkeiten stehen, nicht zumuten können, dieses Problem, das ja nun nichts mit der örtlichen Politik zu tun hat, dann auch auf eigene Kosten zu lösen.
Remme: Vielen Dank für das Gespräch.