Donnerstag, 18. April 2024

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Beckstein sieht 2009 schwarz-gelbe Koalition als Ziel

Der bayerische Landeschef Günther Beckstein sorgt sich im Vorfeld des heute beginnenden CSU-Parteitages um die Umfragewerte der Union. Bei der Bundestagswahl 2009 müsse die Union wieder auf 40 Prozent kommen, wenn sie mit der FDP koalieren wolle.

Moderation: Silvia Engels | 18.07.2008
    Silvia Engels: Die CSU kann sich freuen. Vor einigen Monaten, als sie Forderung vorlegte, zur alten Pendlerpauschale zurückkehren zu wollen, erntete sie breite Ablehnung von SPD und CDU, vor allem von Finanzminister Steinbrück und Bundeskanzlerin Merkel. Mittlerweile finden sich aber in Zeiten hoher Benzinpreise immer mehr Stimmen auch in SPD und Union, vor allen Dingen in den Landesverbänden, die sich dem Verlangen der CSU anschließen. Der Druck auf die Bundesregierung wächst. Am Telefon begrüße ich Günther Beckstein, CSU, bayrischer Ministerpräsident. Guten Morgen!

    Günther Beckstein: Einen schönen guten Morgen!

    Engels: Applaudieren Sie heute Frau Merkel auf ihrem Parteitag, egal, was sie zur Pendlerpauschale sagt?

    Beckstein: Selbstverständlich begrüßen wir Frau Merkel sehr freundlich, und wir sind froh, dass sie eine Bundeskanzlerin ist, die eine starke Führungspersönlichkeit ist mit einem hohen Ansehen. Sie ist für uns ein Zugpferd, auch wenn hier in der Pendlerpauschale eine andere Meinung ist. Insgesamt schätzen wir ihre Arbeit sehr und sind froh, dass sie so stark ist und nicht ein Klotz am Bein, wie der Parteivorsitzende der SPD, Herr Beck.

    Engels: Im "Münchener Merkur" kritisieren Sie heute aber, dass die CDU in Umfragen bei 36 Prozent dahindümple, während die Kanzlerin Bestnoten erhalte, Zitat Ende. Muss sich Angela Merkel mehr um ihre Partei kümmern?

    Beckstein: Natürlich muss es uns alle, das ist nicht eine Frage von Frau Merkel allein, uns alle drum kümmern, dass wir wieder in die Höhen über 40 Prozent kommen, denn für das nächste Jahr bei der Bundestagswahl muss ja eine schwarz-gelbe Koalition unser Ziel sein. Jetzt ist allerdings zunächst die bayerische Landtagswahl gefragt, und da ist unser Ziel, dass die CSU 50 plus x bekommt. Und da müssen wir alle Anstrengungen wahrnehmen, denn selbstverständlich ist es etwas, was die Menschen bewegt, dass nicht nur die Wirtschaft und der Staat hohe Zuwächse in den Einkommen hat, sondern auch der Einzelne mehr vom steigenden Lebensstandard spüren muss.

    Engels: 36 Prozent für die CDU sind nicht gut, aber für die CSU sind die derzeitigen Umfragen von 50 Prozent auch nicht toll, gemessen an früheren Ergebnissen. Was haben Sie bislang nicht richtig gemacht?

    Beckstein: Zu glauben, dass wir in Bayern automatisch bei 60 Prozent liegen würden, ist ein schwerer Fehler, denn die 60 Prozent des Jahres 2003 waren eine ganz besondere Situation. Wir hatten eine rot-grüne Regierung in Berlin, die äußert unbeliebt war, und wir hatten ja gerade in Bayern noch die Unterstützung für Edmund Stoiber in ganz besonderer Weise, weil seine Kanzlerkandidatur so knapp gescheitert war. Auch wir müssen uns unglaublich anstrengen, wenn wir über 50 Prozent kommen wollen. Aber ich denke, wir haben die allerbesten Chancen. Wir spüren das an der Stimmung, wenn wir unterwegs sind, dass wir wieder deutlich besseres politisches Wetter haben als im März, April, wo wir auch von der objektiven Situation her eine ganze Menge Gegenwind hatten.

    Engels: Gegenwind das eine, das klingt aber auf der anderen Seite so, als würden Sie durchaus einräumen, dass Sie in die Schuhe von Edmund Stoiber noch nicht ganz hineingewachsen sind.

    Beckstein: Ich denke, dass ich sehr selbstbewusst sagen kann, dass ich die Erfolgspolitik für Bayern fortsetze, selbstverständlich, aber nicht aus der Position einer um wenige Stimmen verpassten Kanzlerkandidatur heraus, aber als der Regierungschef eines Freistaats Bayern, der eine glänzende Bilanz hat. Wir haben das erste Mal die besten Arbeitsmarktzahlen, besser als jedes andere Land in Deutschland, selbst als Baden-Württemberg. Wir haben das höchste Wirtschaftswachstum, wir haben Gott sei Dank eine Jugendarbeitslosigkeit, die bei den unter 20-Jährigen unter zwei Prozent ist. Aber wenn man meint, wir könnten uns zurücklehnen, wäre das völlig falsch. Jeder weiß, dass dunkle Konjunkturwolken am Horizont stehen, und darum müssen wir uns außerordentlich anstrengen, dafür zu sorgen, dass wir auch in den nächsten Jahren gute Arbeitsplätze haben, dass wir gute Bildung bekommen und dass wir insgesamt die Lebensumstände für die Menschen bestmöglich gestalten.

    Engels: Herr Beckstein, blicken wir noch einmal auf die Bundesebene, denn Sie greifen die SPD heute auch im Gespräch mit dem "Münchner Merkur" scharf an. Sie sagen, einzelne Bundesminister würden es systematisch auf das Scheitern der Koalition in Berlin anlegen. Wen meinen Sie?

    Beckstein: Ich meine zunächst mal den Parteivorsitzenden der SPD, Herr Beck, bei dem ja ganz offensichtlich ist, dass er nicht etwa den Erfolg der Koalition will, er ist bewusst nicht in die Bundesregierung gegangen, sondern schaut nach außen drauf nur, wie man Wahlkampf machen kann. Aber ich rede auch gar nicht drumherum, wenn ich beispielsweise Herrn Gabriel ansehe oder Herrn Scholz. Das sind nicht Minister, die dann ganz großen Erfolg in Konsens mit der Union haben wollen, sondern ganz bewusst sich scharf abgrenzen. Dass Herr Gabriel der Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke wider jedes bessere Wissen über die Notwendigkeit bezahlbarer Energie nicht mitmacht, ist offensichtlich. Wie Herr Scholz also auch gegen massive Interessen und zum Beispiel von Michael Glos viele Fragen bearbeitet, dass da nicht der Wille zum Konsens im Vordergrund steht, sondern dass die SPD ganz eindeutig sich von ihren früheren Beschlüssen der Agenda 2010 entfernt, um den Linken nachzurennen, das ist doch für jedermann offensichtlich.

    Engels: Aber in Sachen Pendlerpauschale hält sich Finanzminister Steinbrück an die Koalitionsvereinbarung, die CSU nicht.

    Beckstein: Ich räume ja ein, dass wir 2005 der Abschaffung der Pendlerpauschale bis zu den 20 Kilometer zugestimmt hatten. Ich war selber bei Gesprächen dabei, da hat niemand über die Problematik verfassungsrechtlicher Fragen nachgedacht, dass es einem Menschen nicht zu begründen ist, dass ab dem 21. Kilometer die Fahrt zur Arbeit beruflich bedingt ist und damit von der Steuer abgesetzt werden kann und dass die Kilometer eins bis 20 nur private Lebensführung seien, genauso wie die Fahrt zum Golfplatz, und das bei explodierenden Preisen für Benzin und Diesel, das wusste man damals noch nicht. Man wusste auch nicht, dass das oberste deutsche Finanzgericht die Frage dem Verfassungsgericht vorlegt. Und deswegen sagen wir, die Pendlerpauschale muss eine Entlastung für den Bürger bringen, der früh aufsteht, zur Arbeit fährt, hart arbeitet, der muss mehr in der Tasche haben als derjenige, der nur Sozialleistungen empfängt. Das Abstandsgebot ist zwingend einzuhalten, weil sonst die Leistung nicht mehr belohnt wird.

    Engels: Aber damit legen Sie den Sprengsatz in die Große Koalition. Wollen Sie die überhaupt noch?

    Beckstein: Ich will natürlich den Erfolg der Großen Koalition. Wir sind vertragstreu. Aber zur Vertragstreue gehört auch, dass man auf veränderte Situationen mit anderen Maßnahmen reagiert. Und wenn jetzt Benzin und Diesel bei 1,55, 1,60 Euro liegen, dann muss darauf reagiert werden. Das sieht man ja auch daran, dass die Mehrzahl der Landesverbände der SPD sich dieser Forderung angeschlossen hat. Also von daher glaube ich, dass es eine richtige und notwendige Maßnahme ist und nicht man erst warten sollte, bis am 10. September das Bundesverfassungsgericht verhandelt. Alle meine Juristen sagen, dass die jetzige Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben will. Ich glaube aber nicht, dass es eine starke Politik ist, zu warten, sich erst vom Bundesverfassungsgericht verurteilen zu lassen.

    Engels: Die Bundesregierung argumentiert aber, eine Steuerentlastung für die Pendler, wie Sie sie planen, würde beim Verbraucher gar nicht ankommen, weil dann Spekulanten und Händler die Preise wieder anheben würden?

    Beckstein: Dass wir auch Preissteigerungen durch internationale Märkte haben, ist klar, dass allerdings die Absetzung der Fahrtkosten von der Steuer beim einzelnen Bürger mehr netto in der Tasche belässt, das ist, glaube ich, offensichtlich. Da haben die meisten Bürger offensichtlich mehr Kenntnisse über ihr eigenes Einkommen als irgendwelche hoch angesiedelten Leute, die oft den Unterschied von brutto und netto nicht mehr so genau erfühlen wie der normale Bürger, bei dem eben es immer enger wird, wenn er die steigenden Lebenshaltungskosten sieht und die stagnierenden Löhne.

    Engels: Aber ist es richtig, die deutsche Steuerpolitik davon abhängig zu machen, wie auf den Weltmärkten mit Rohstoffen spekuliert wird?

    Beckstein: Es ist nicht, dass wir uns von den Arabern oder den Russen unsere Steuergesetzgebung diktieren lassen.

    Engels: Aber es wirkt ja so.

    Beckstein: Überhaupt nicht, sondern dass es eine Frage ist, wenn das Oberste Finanzgericht sagt, die Regelung ist verfassungswidrig, wenn die Bürger das in einer überwältigenden Mehrzahl über 80 Prozent als ungerecht empfinden, dann ist das, glaube ich, etwas, was sehr, sehr wichtig ist. Jedenfalls nach meiner Einschätzung sollte ein Politiker auf solche Fragen achten und nicht erst drauf warten, dass man vom Bundesverfassungsgericht eine kräftige Watschen bekommt, indem das sagt, dass wir etwas Falsches gemacht haben.

    Engels: Also doch wieder Kritik an Frau Merkel?

    Beckstein: Das ist nicht Kritik allein an Frau Merkel, sondern da waren wir genauso dabei, es ist vor allem eine Kritik an Herrn Steinbrück, der selbst gegen die überwältigende Mehrzahl seiner eigenen Partei an dieser Forderung festhält.

    Engels: Günther Beckstein, der bayrische Ministerpräsident. Ich bedanke mich für das Gespräch. Wir sprachen über den heute beginnenden CSU-Parteitag. Danke Ihnen!