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Beckstein will Inlandseinsätze der Bundeswehr ermöglichen

Jochen Spengler: Heute wollen mehrere unionsgeführte Bundesländer einen Antrag auf Grundgesetzänderung in den Bundesrat einbringen. Bislang ist die Bundeswehr nur für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit zuständig. Mit der Verfassungsänderung soll ihr Einsatz als Polizeireserve auch im Inneren möglich werden, etwa bei einer terroristischen Bedrohung. - Am Telefon begrüße ich Günther Beckstein, den Innenminister Bayerns, das mitverantwortlich für die Gesetzesinitiative ist. Guten Morgen Herr Beckstein.

Moderation: Jochen Spengler |
    Günther Beckstein: Guten Morgen!

    Spengler: Herr Beckstein, ehe wir auf die Gesetzesinitiative zu sprechen kommen, muss es nach den Anschlägen in Madrid in Deutschland zu Änderungen kommen, etwa zu Sicherheitskontrollen auf Bahnhöfen, wie es nun aus Ihrer Partei zu hören ist?

    Beckstein: Wir werden mit Sicherheit in dem Augenblick, wo sich die Urheberschaft von El Kaida erweist, damit zu rechnen haben, dass die Bedrohung bei uns noch gestiegen ist. Diese Bedrohung durch islamistische Terroristen wird bei uns in Deutschland unterschätzt und das bedeutet, dass wir dann eine Sicherheitslage neu zu bewerten haben und Konsequenzen zu ziehen haben. Das kann durchaus so weit gehen, dass wir unter Umständen Bahnhöfe stärker schützen, Bahnpolizei - das ist der BGS - verstärken müssen, um Kontrollen durchzuführen, aber auch dass etwaige weitere Überwachungsmaßnahmen für gefährliche Menschen durchgeführt werden und vor allem, wofür ich seit langem eintrete, dass wir erkannte gewaltbereite Fundamentalisten, die sich auf Gewaltanwendung vorbereiten, aus dem Land ausweisen und auch abschieben, damit unsere Sicherheit besser gewährleistet ist.

    Spengler: Um mal bei dem verstärkten Einsatz von Bundesgrenzschutz und Polizei zu bleiben. Hat man denn genug Personal und Geld für solche verstärkten Maßnahmen?

    Beckstein: Wir haben ja bei dem Normalbetrieb, den wir heute haben, bereits erhebliche Ressourcenprobleme. Das heißt, wir haben zu wenig Personal. Das ist ja auch einer der Gründe, warum wir von der Union sagen, wir müssen das Grundgesetz insoweit ändern, dass in bestimmten Krisenfällen, zum Beispiel bei einer Sicherheitskatastrophe, die Polizei in Amtshilfe die Bundeswehr anfordern kann, so dass dann die Bundeswehr bestimmte Objektschutzaufgaben übernehmen kann, also zum Beispiel die Absicherung gefährdeter Objekte von Konsulaten und ausländischen Botschaften bis hin zu Flughäfen oder unter Umständen auch zum Beispiel die Objektsicherung an Bahnhöfen, damit die Polizei dann die eigentlichen schwierigeren Maßnahmen durchführt, beispielsweise die Kontrollen von Personen, die zu kontrollieren sind, oder die Überwachung von Verdächtigen. Das ist natürlich Kernaufgabe der Polizei, wo man Spezialisten der Polizei benötigt. Aber die Hilfstätigkeiten wie Objektschutz, die die Bundeswehr zum Beispiel im Kosovo auch durchführt, das kann natürlich auch bei uns von der Bundeswehr übernommen werden, und da müssen wir aus Personalmangel auf jeden Fall dann auch die Möglichkeit haben, die Bundeswehr einzusetzen.

    Spengler: Reißen Sie damit nicht weitere Lücken auf? Nicht nur die "FAZ" kritisiert ja an diesem Vorschlag, dass die Bundeswehr schon jetzt überfordert ist und weder Personal noch Zeit noch Geld habe, als Hilfspolizei eingesetzt zu werden.

    Beckstein: Diese Diskussion halte ich ehrlich gesagt für ziemlich absurd, zu sagen, weil wir sehr viel Bundeswehr in Afghanistan oder im Kosovo benötigen, deswegen können wir uns in Deutschland nicht mehr ordentlich schützen. Das kann ja wohl nicht richtig sein. Wenn Geld keine Rolle spielt, könnten wir sagen, natürlich können wir noch mal 50.000 Polizisten einstellen. Nur wer soll die bezahlen. Auch der Bund hat seinen Bundesgrenzschutz nicht so stark ausgebaut, dass der beliebig zur Verfügung steht. Von daher muss ich sagen, für mich ist es zwar richtig, was Herr Struck gesagt hat, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird, aber ich sage, noch viel stärker wird natürlich Deutschland in Deutschland selbst verteidigt. Also muss notfalls in Hindelang oder in Hannover Bundeswehr einsetzbar sein mit solchen Aufgaben, und es ist für mich völlig unvertretbar zu sagen, weil die Bundeswehr in fernen Ländern gebraucht wird, können die Sicherheitsaufgaben bei uns nicht mehr bewältigt werden. Für Naturkatastrophen darf die Bundeswehr eingesetzt werden; für Sicherheitskatastrophen muss sie auch eingesetzt werden.

    Spengler: Heißt dies, dass Ihrer Ansicht nach sich die strikte Trennung der Aufgaben von Polizei und Streitkräften, die ja nach den Erfahrungen im Nazi-Deutschland hier eingeführt worden ist, sich nicht bewährt hat?

    Beckstein: Insgesamt wollen wir es bei der Trennung belassen, aber es gibt sonst überall im Recht die Möglichkeit, Amtshilfe anzufordern, zum Beispiel auch im Kampf gegen ABC-Waffen, wo die Bundeswehr einfach bessere Möglichkeiten hat als die Polizei.

    Spengler: Aber wenn es diese Möglichkeit, Herr Beckstein, schon gibt, warum brauchen wir dann eine Grundgesetzänderung?

    Beckstein: Diese Möglichkeit gibt es eben nicht, weil im Grundgesetz steht, dass die Amtshilfe, die sonst zwischen Behörden selbstverständlich ist, für die Bundeswehr ausgeschlossen ist. Insoweit wollen wir die Amtshilfe ermöglichen, wie das übrigens auch in allen anderen westlichen Ländern der Fall ist.

    Spengler: Um noch einmal auf die Anschläge in Madrid zu kommen. Sie haben gesagt, sollte sich herausstellen, dass es doch nicht die ETA, sondern El Kaida war, die hinter den Anschlägen steckte, dann bedeutete das für Deutschland auch eine veränderte Sicherheitslage. Sie sind damit im Gegensatz zum Bundesinnenminister.

    Beckstein: Da bin ich mir absolut sicher, dass die Meinung von Herrn Schily nicht sorgfältig genug überlegt ist, und zwar aus folgendem Grund: Schließlich ist es nicht nur so, dass Spanien im Irak-Krieg eine erhebliche Rolle spielt und sich deswegen bei der El Kaida als Opfer anbietet, sondern wir haben Soldaten in Afghanistan, und die Taliban sind nun der Kernbereich, aus dem Osama Bin Laden stammt, und der Stellvertreter von Osama Bin Laden hat sich mehrfach in Interviews auch ausdrücklich und explizit mit Deutschland beschäftigt, das er als einen der Staaten, die die islamische Bevölkerung bekämpfen, bezeichnet. Deswegen müssen wir auch selbst damit rechnen, dass wir unter Umständen ins Visier von El Kaida kommen.

    Spengler: Das heißt, auch wenn es sich makaber anhört, Sie glauben nicht, dass Deutschland davon profitieren könnte, dass die Bundesregierung gegen den Irak-Krieg gewesen ist?

    Beckstein: In engen Teilbereichen ja, aber alle Sachverständigen sagen uns, dass die feine Ziselierung, im Irak haben wir uns herausgehalten, aber im Krieg gegen den Terror sind wir dafür die führende Macht, von den Islamisten nicht als eine qualitative Frage angesehen wird. Gerade weil Afghanistan das Kernland der Taliban ist, deswegen sind wir mit Sicherheit auch im Blickwinkel der Terroristen.

    Spengler: Herr Beckstein, heute treffen sich ja erneut die sieben Unterhändler von Koalition und Opposition, um beim Zuwanderungsgesetz einen neuen Anlauf zu wagen. Sie gehören dazu und Sie wollen auch regeln, dass Ausländer bei Terrorismusverdacht schneller abgeschoben oder gar nicht erst nach Deutschland hinein gelassen werden. Warum soll das im Zuwanderungsrecht geregelt werden?

    Beckstein: Weil wir im Zuwanderungsgesetz die Verfestigung des Aufenthaltsrechts regeln. Das heißt, wir regeln die Fragen, dass jemand weniger leicht abgeschoben werden kann. Wir regeln die Fragen, wann ein Ausländer ausgewiesen werden kann und wann nicht. Dann wäre es aus meiner Sicht absurd, das Zuwanderungsgesetz jetzt in einer Weise zu verabschieden, dass unter Umständen schon in den nächsten Wochen, bevor es neu in Kraft getreten ist, schon Änderungen dieses Zuwanderungsgesetzes unter Sicherheitsaspekten durchzuführen sind.