Durak: Kirchentag in Berlin ist unser Thema. Erster bundesweiter ökumenischer Kirchentag auch in Ostdeutschland. Darauf will ich mit dem folgenden Gespräch auch hinaus. Ist dieses, ist ein solches Fest tatsächlich auch ein Fest, ein Ereignis für die Ostdeutschen? Wo wir doch wissen, wie wenig Menschen in den neuen Bundesländern sich im Vergleich zu den Schwestern und Brüdern im Westen als Christen verstehen, geschweige denn einer der beiden Kirchen angehören. Günter Nooke ist mein Gesprächspartner, Ostdeutscher, was in diesem Falle tatsächlich eine Rolle spielt, denn er weiß, von wem er spricht. Er ist aber auch Bundestagsabgeordneter der CDU, kultur- und medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Schönen guten Morgen.
Nooke: Schönen guten Morgen, Frau Durak.
Durak: Herr Nooke, wie war das gestern für Sie auf dem Kirchentag? Ein großes Fest Gleichgesinnter, aber unter sich?
Nooke: Ich glaube, dass man das "unter sich" nicht so sagen kann. Die Stadt ist ja voll, und es gibt schon noch ein paar Berlinerinnen und Berliner dazwischen. Am Mittwochabend - dem Abend der Begegnung Unter den Linden - hatte ich nicht den Eindruck, dass das nur Kirchentagbesucher waren. Es ist ja auch gut, dass so ein Kirchentag stattfindet, dass er in der Hauptstadt stattfindet, dass er ökumenisch ist - also von evangelischen und katholischen Christen getragen wird -, und dass damit wieder ein bisschen deutlich wird, dass ja zu unserer Kultur auch das gehört, was man eben die prägende Kraft des Christentums nennt: Religion und Kultur. Das gehört ja eigentlich zusammen: Keine Kultur hat sich von Religion losgelöst entwickelt. Wir vergessen das manchmal in Deutschland, in Europa. Insofern glaube ich auch, dass es für die Ostdeutschen insofern besonders interessant ist, dass sie nach den vierzig Jahren der DDR, wo es ja doch darum ging, den Einfluss von Kirche und Religion zurückzudrängen - die Entchristianisierung, wenn Sie so wollen, vorangeschritten ist - ein Stück weit wahrnehmen, dass das noch eine Kraft ist und dass es sich vielleicht auch lohnt, sich mit den einen oder anderen Fragen auseinander zu setzen, weil das doch existenzielle Fragen sind, die uns alle angehen.
Durak: Hätte denn so etwas wie eine Missionierung ehrlicherweise eine Chance im Osten?
Nooke: Ich weiß es nicht genau. Ich wünsche mir manchmal schon, dass meine Kirche etwas missionarischer ist, weil ich zum Beispiel nicht der Meinung bin, dass Orientierung von Sekten, also von irgendwelchen Randgruppen her kommt, sondern dass Orientierung wirklich aus den Werten - wie wir in der CDU sagen - die mit dem christlichen Menschenbild verbunden sind, herrührt. Von daher glaube ich schon, dass die Kirche offensiver sagen kann, dass sie etwas Unverwechselbares anzubieten hat, was andere Vereine und andere Angebote auf dem Markt eben nicht bieten können.
Durak: Kann es sein, dass es eine große Zahl der Ostdeutschen ziemlich wenig berührt, wie und dass es zwischen Protestanten und Katholiken einen Streit über das Abendmahl gibt, Herr Nooke?
Nooke: Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass das, was als Streit über die gemeinsame Feier des Abendmahls in der Öffentlichkeit erscheint, jetzt nicht den Eindruck erweckt, als sei der Kirchentag davon geprägt. Den Eindruck habe ich überhaupt nicht. Es gibt Bibelarbeiten, es gibt Gottesdienste, die ökumenisch sind. Dass es hier auch bei beiden Kirchen natürlich, aber insbesondere bei der katholischen, ein Interesse gibt, an dem besonderen Abendmahlverständnis festzuhalten, das sollte jetzt nicht den Eindruck erwecken, als sei die Christenheit ganz zerstritten. Ich glaube schon, dass der ökumenische Kirchentag etwas ist, was auch gut ökumenisch, also ohne Streit zwischen den verschiedenen Konfessionen für die Stadt ein Angebot macht.
Durak: Wie ist Ihr Eindruck, Herr Nooke: Interessieren sich mehr jüngere Ostdeutsche, vielleicht auch Nachwendekinder sozusagen oder auch ältere Ostdeutsche für das Christentum, vielleicht sogar für die Kirche?
Nooke: Ich glaube schon, dass es wieder mehr in Richtung Jugend geht. Es gibt ja sogar etwas wie eine neue Bewegung, die ganz klar vom Weckungsgedanken herkommt und mit Jesus Christus verbunden ist. Da muss man sicher immer das richtige Maß finden zwischen der Amtskirche und dem, von dem man sonst noch so hört. Was das Schöne am Kirchentag ist, ist, dass es so viele junge Leute gibt, dass, wenn man sich in den Straßen und am Messegelände die Menschen anschaut, es ein Fest ist, was da stattfindet, wo Menschen in die Stadt kommen und eigentlich von 14-15 Jahren bis hin zu 80 Jahren alles im Alter anwesend ist, was es so gibt. Wo haben wir eigentlich heute noch eine Veranstaltung, die über fünf bis sechs Jahrzehnte hinweg die Menschen verbindet? Diese generationenübergreifende Kraft des Glaubens, oder zumindest der Antrieb, aus diesem Grund hierher nach Berlin zu fahren, sollte uns vielleicht auch einmal ein Grund sein, nachzudenken. Das ist es, wofür ich auch dankbar bin, dass die Kirche das noch kann: so viele Menschen bewegen.
Durak: Herr Nooke, Sie haben junge Leute angesprochen und setzen auf sie, hoffen auf sie. Da gibt es ja den Verein Maiglocke. Es sei unseren Hörern gesagt, die das nicht kennen: Ideengeber waren ehemalige Bürgerrechtler, die sich heute quer durch alle Parteien finden. Sie haben - diese Vereinsmitglieder und -stützer - diesen Verein Maiglocke gegründet, um so etwas wie ein Zwischenstück zu finden zwischen der atheistischen, ehemals sozialistischen Jugendweihe und den kirchlichen Jugendweihen - Anführung, Abführung im althergebrachten Sinne. Der erste Versuch der Maiglocke war nicht so sehr glücklich. Wie ist es denn dieses Mal gelaufen?
Nooke: Es war schon glücklich. Es ist ein kleines, wenn Sie so wollen feines, aber immerhin gelungenes Fest gewesen im vergangenen Jahr am Palais am Festungsgraben in Berlin Mitte. Dieses Mal am Haus der Commerzbank direkt neben dem Brandenburger Tor, am Pariser Platz 1, also an einer Stelle, wo wir wirklich auch im Zentrum der Stadt und der Gesellschaft sind. Dieser Verein soll natürlich auch der Jugendweihe ein bisschen Konkurrenz machen, nicht der Konfirmation, die älter ist als die Jugendweihe. Es geht einfach darum, dass man, wenn man Jugendlichen Orientierung geben oder zumindest anbieten will, dann auch selber sagt, wo man seine eigene Orientierung herbezieht. So wie zu DDR-Zeiten: "Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein", so ganz billig ist ja die Welt nicht mehr und war sie auch nie. Deshalb haben sich evangelische und katholische Christen gut ökumenisch zusammengeschlossen und diesen Verein Maiglocke gegründet, der in Vorbereitungskursen an Nachmittagen und bei einer Wochenendfahrt Jugendlichen in Fragen wie Lebensgestaltung und Ethik auch ein bisschen Religion, aber nicht viel, anbietet. Wir besuchen eigentlich nur eine Kirche und wollen den Jugendlichen die Schwellenangst nehmen. Wir missionieren ganz bewusst nicht in diesem Verein, aber wir bieten eine wie ich meine sehr schöne Feier an. Das nennen wir Maiglockenfest, weil es immer am Himmelfahrtstag ist, also fast immer im Mai. Wir wollen damit auch deutlich machen, dass Kultur Feste braucht. Wenn eben 80 Prozent in den neuen Bundesländern nicht mehr getauft sind und für sie die kirchlichen Feste wie Konfirmation auf der evangelischen Seite, Firmung bei den Katholiken für sie nicht in Frage kommen, ist das ja vielleicht auch ein erster Schritt, sich mit dem einen oder anderen mal etwas tiefgründiger auseinander zu setzen. Wenn dann diese Gruppe an irgendeiner Stelle weiterfragt und vielleicht auch mehr wissen will, ist es Aufgabe der Kirchen. Der Verein Maiglocke ist so etwas, das eine Lücke füllt. Ich glaube, dass es viele gibt, die einfach ein Fest wollen. Die Kinder wollen Geschenke haben. Es hat sich quasi in der Tradition festgemacht, so etwas zu haben...
Durak: ... aber weder das eine noch das andere. Die Maiglocke also wirklich als ostdeutsches "Kind", sage ich mal. Ich muss jetzt leider abbrechen oder aufhören, Herr Nooke. Ich glaube aber, wir haben das wichtigste miteinander besprochen. Herzlichen Dank. Das war Günter Nooke, Mitglied des Bundestages für die CDU. Schönen Dank, Herr Nooke, für das Gespräch.
Nooke: Auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Nooke: Schönen guten Morgen, Frau Durak.
Durak: Herr Nooke, wie war das gestern für Sie auf dem Kirchentag? Ein großes Fest Gleichgesinnter, aber unter sich?
Nooke: Ich glaube, dass man das "unter sich" nicht so sagen kann. Die Stadt ist ja voll, und es gibt schon noch ein paar Berlinerinnen und Berliner dazwischen. Am Mittwochabend - dem Abend der Begegnung Unter den Linden - hatte ich nicht den Eindruck, dass das nur Kirchentagbesucher waren. Es ist ja auch gut, dass so ein Kirchentag stattfindet, dass er in der Hauptstadt stattfindet, dass er ökumenisch ist - also von evangelischen und katholischen Christen getragen wird -, und dass damit wieder ein bisschen deutlich wird, dass ja zu unserer Kultur auch das gehört, was man eben die prägende Kraft des Christentums nennt: Religion und Kultur. Das gehört ja eigentlich zusammen: Keine Kultur hat sich von Religion losgelöst entwickelt. Wir vergessen das manchmal in Deutschland, in Europa. Insofern glaube ich auch, dass es für die Ostdeutschen insofern besonders interessant ist, dass sie nach den vierzig Jahren der DDR, wo es ja doch darum ging, den Einfluss von Kirche und Religion zurückzudrängen - die Entchristianisierung, wenn Sie so wollen, vorangeschritten ist - ein Stück weit wahrnehmen, dass das noch eine Kraft ist und dass es sich vielleicht auch lohnt, sich mit den einen oder anderen Fragen auseinander zu setzen, weil das doch existenzielle Fragen sind, die uns alle angehen.
Durak: Hätte denn so etwas wie eine Missionierung ehrlicherweise eine Chance im Osten?
Nooke: Ich weiß es nicht genau. Ich wünsche mir manchmal schon, dass meine Kirche etwas missionarischer ist, weil ich zum Beispiel nicht der Meinung bin, dass Orientierung von Sekten, also von irgendwelchen Randgruppen her kommt, sondern dass Orientierung wirklich aus den Werten - wie wir in der CDU sagen - die mit dem christlichen Menschenbild verbunden sind, herrührt. Von daher glaube ich schon, dass die Kirche offensiver sagen kann, dass sie etwas Unverwechselbares anzubieten hat, was andere Vereine und andere Angebote auf dem Markt eben nicht bieten können.
Durak: Kann es sein, dass es eine große Zahl der Ostdeutschen ziemlich wenig berührt, wie und dass es zwischen Protestanten und Katholiken einen Streit über das Abendmahl gibt, Herr Nooke?
Nooke: Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass das, was als Streit über die gemeinsame Feier des Abendmahls in der Öffentlichkeit erscheint, jetzt nicht den Eindruck erweckt, als sei der Kirchentag davon geprägt. Den Eindruck habe ich überhaupt nicht. Es gibt Bibelarbeiten, es gibt Gottesdienste, die ökumenisch sind. Dass es hier auch bei beiden Kirchen natürlich, aber insbesondere bei der katholischen, ein Interesse gibt, an dem besonderen Abendmahlverständnis festzuhalten, das sollte jetzt nicht den Eindruck erwecken, als sei die Christenheit ganz zerstritten. Ich glaube schon, dass der ökumenische Kirchentag etwas ist, was auch gut ökumenisch, also ohne Streit zwischen den verschiedenen Konfessionen für die Stadt ein Angebot macht.
Durak: Wie ist Ihr Eindruck, Herr Nooke: Interessieren sich mehr jüngere Ostdeutsche, vielleicht auch Nachwendekinder sozusagen oder auch ältere Ostdeutsche für das Christentum, vielleicht sogar für die Kirche?
Nooke: Ich glaube schon, dass es wieder mehr in Richtung Jugend geht. Es gibt ja sogar etwas wie eine neue Bewegung, die ganz klar vom Weckungsgedanken herkommt und mit Jesus Christus verbunden ist. Da muss man sicher immer das richtige Maß finden zwischen der Amtskirche und dem, von dem man sonst noch so hört. Was das Schöne am Kirchentag ist, ist, dass es so viele junge Leute gibt, dass, wenn man sich in den Straßen und am Messegelände die Menschen anschaut, es ein Fest ist, was da stattfindet, wo Menschen in die Stadt kommen und eigentlich von 14-15 Jahren bis hin zu 80 Jahren alles im Alter anwesend ist, was es so gibt. Wo haben wir eigentlich heute noch eine Veranstaltung, die über fünf bis sechs Jahrzehnte hinweg die Menschen verbindet? Diese generationenübergreifende Kraft des Glaubens, oder zumindest der Antrieb, aus diesem Grund hierher nach Berlin zu fahren, sollte uns vielleicht auch einmal ein Grund sein, nachzudenken. Das ist es, wofür ich auch dankbar bin, dass die Kirche das noch kann: so viele Menschen bewegen.
Durak: Herr Nooke, Sie haben junge Leute angesprochen und setzen auf sie, hoffen auf sie. Da gibt es ja den Verein Maiglocke. Es sei unseren Hörern gesagt, die das nicht kennen: Ideengeber waren ehemalige Bürgerrechtler, die sich heute quer durch alle Parteien finden. Sie haben - diese Vereinsmitglieder und -stützer - diesen Verein Maiglocke gegründet, um so etwas wie ein Zwischenstück zu finden zwischen der atheistischen, ehemals sozialistischen Jugendweihe und den kirchlichen Jugendweihen - Anführung, Abführung im althergebrachten Sinne. Der erste Versuch der Maiglocke war nicht so sehr glücklich. Wie ist es denn dieses Mal gelaufen?
Nooke: Es war schon glücklich. Es ist ein kleines, wenn Sie so wollen feines, aber immerhin gelungenes Fest gewesen im vergangenen Jahr am Palais am Festungsgraben in Berlin Mitte. Dieses Mal am Haus der Commerzbank direkt neben dem Brandenburger Tor, am Pariser Platz 1, also an einer Stelle, wo wir wirklich auch im Zentrum der Stadt und der Gesellschaft sind. Dieser Verein soll natürlich auch der Jugendweihe ein bisschen Konkurrenz machen, nicht der Konfirmation, die älter ist als die Jugendweihe. Es geht einfach darum, dass man, wenn man Jugendlichen Orientierung geben oder zumindest anbieten will, dann auch selber sagt, wo man seine eigene Orientierung herbezieht. So wie zu DDR-Zeiten: "Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein", so ganz billig ist ja die Welt nicht mehr und war sie auch nie. Deshalb haben sich evangelische und katholische Christen gut ökumenisch zusammengeschlossen und diesen Verein Maiglocke gegründet, der in Vorbereitungskursen an Nachmittagen und bei einer Wochenendfahrt Jugendlichen in Fragen wie Lebensgestaltung und Ethik auch ein bisschen Religion, aber nicht viel, anbietet. Wir besuchen eigentlich nur eine Kirche und wollen den Jugendlichen die Schwellenangst nehmen. Wir missionieren ganz bewusst nicht in diesem Verein, aber wir bieten eine wie ich meine sehr schöne Feier an. Das nennen wir Maiglockenfest, weil es immer am Himmelfahrtstag ist, also fast immer im Mai. Wir wollen damit auch deutlich machen, dass Kultur Feste braucht. Wenn eben 80 Prozent in den neuen Bundesländern nicht mehr getauft sind und für sie die kirchlichen Feste wie Konfirmation auf der evangelischen Seite, Firmung bei den Katholiken für sie nicht in Frage kommen, ist das ja vielleicht auch ein erster Schritt, sich mit dem einen oder anderen mal etwas tiefgründiger auseinander zu setzen. Wenn dann diese Gruppe an irgendeiner Stelle weiterfragt und vielleicht auch mehr wissen will, ist es Aufgabe der Kirchen. Der Verein Maiglocke ist so etwas, das eine Lücke füllt. Ich glaube, dass es viele gibt, die einfach ein Fest wollen. Die Kinder wollen Geschenke haben. Es hat sich quasi in der Tradition festgemacht, so etwas zu haben...
Durak: ... aber weder das eine noch das andere. Die Maiglocke also wirklich als ostdeutsches "Kind", sage ich mal. Ich muss jetzt leider abbrechen oder aufhören, Herr Nooke. Ich glaube aber, wir haben das wichtigste miteinander besprochen. Herzlichen Dank. Das war Günter Nooke, Mitglied des Bundestages für die CDU. Schönen Dank, Herr Nooke, für das Gespräch.
Nooke: Auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio