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'Befassung des Bundestages mit AWACS-Frage derzeit unnötig'

Heuer: Ich begrüße Ruprecht Polenz, der abrüstungspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Guten Morgen, Herr Polenz.

    Polenz: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Waren Sie überrascht, dass der Krieg so früh begonnen hat?

    Polenz: Ja, ich bin überrascht worden, auch durch einen Anruf von Kollegen von Ihnen heute mitten in der Nacht. Ich war gestern noch bei einem Empfang, den der pakistanische Botschafter gegeben hat, und habe dort auch mit Diplomaten und auch anderen gesprochen, und man ging allgemein davon aus, dass es wohl noch 24 Stunden oder etwas länger dauern würde.

    Heuer: Die Union hat ja stets gesagt, dass sie die Haltung der USA im Irak-Konflikt unterstützt, zum Beispiel und vor allem dass die USA eine Drohkulisse errichtet haben. Nun führt diese Drohkulisse zu wirklichen Folgen, nämlich zu diesem Irak-Krieg. Billigen Sie diesen Krieg ohne UN-Mandat?

    Polenz: Zunächst einmal ist die Auffassung unseres Außenministers, dass die Resolution 1441 dazu geführt hat, dass es keinen mandatslosen Zustand - so hat er sich in einem Gespräch mit dem Spiegel ausgedrückt - gibt. Also die These, es sei ein Krieg ohne UN-Mandat wird auch von der Bundesregierung so nicht gesehen, auch wenn sie den Krieg nicht billigt, nicht teilt, wie vielfach in den Stellungnahmen der Regierung zu hören war. Das Zweite: Natürlich bedaure ich, wie, glaube ich, alle Menschen in Deutschland, dass es nicht gelungen ist, den Irak friedlich zu entwaffnen, dass diese Drohkulisse nicht dazu geführt hat, dass Saddam Hussein einlenkt. Dazu hat möglicherweise eben auch die Uneinigkeit im Westen und im Sicherheitsrat beigetragen, aber das ist im Grunde jetzt die Debatte von gestern. Jetzt richten sich alle Erwartungen natürlich darauf, dass der Kriegsverlauf sich hoffentlich so ergibt, wie ihn sich die Optimisten vorgestellt haben, und man ist in banger Erwartung.

    Heuer: Verstehe ich Sie richtig, Herr Polenz - Sie haben gerade den deutschen Außenminister Joschka Fischer von den Grünen zitiert -, dass die Union sagt: Mit der Resolution 1441 hat dieser Krieg ein Mandat der Vereinten Nationen?

    Polenz: Wir sagen, dass der Krieg eine Rechtsgrundlage in den Resolutionen der Vereinten Nationen, in den 17 Resolutionen, die seit 1991 erlassen worden sind, insbesondere aber auch in der Resolution 1441, hat, und dass er auf dieser Basis geführt wird.

    Heuer: Und Sie haben gesagt, Herr Polenz, Sie bedauern diesen Krieg, aber die Frage, die ich vorhin gestellt hatte, war: Billigen Sie ihn? Billigen Sie ihn zu diesem Zeitpunkt? Steht die Union geschlossen hinter George Bush in uneingeschränkter Solidarität?

    Polenz: Also, der Krieg ist jetzt unvermeidlich geworden. Er ist notwendig und die Amerikaner sind unsere Verbündeten. Wir stehen in dieser schweren Zeit auf ihrer Seite und nicht auf der Seite des irakischen Diktators.

    Heuer: Dann müssten Sie, müsste die Union eigentlich - Herr Müntefering von der SPD hat es gestern im Bundestag zugegeben, etwas polemisch geäußert und als Vorschlag unterbreitet - eine deutsche Beteiligung an diesem Krieg beantragen. Ist das völlig absurd?

    Polenz: Das war absurd. Das was wir für richtig halten ist eine Unterstützung der Amerikaner dort, wo sie erbeten worden ist, und diese Unterstützung gibt ja auch die Bundesregierung, etwa mit den Überflugsrechten, mit der Nutzung der Stützpunkte in Deutschland, mit der Bewachung amerikanischer Kasernen durch die Soldaten der Bundeswehr. Auch die Frage, ob beispielsweise - was ja keiner hofft, aber was man leider nicht ausschließen kann -, falls biologische oder chemische Waffen eingesetzt werden, dann auch unsere in Kuwait stationierten Fuchs-Spürpanzer für die Amerikaner Hilfe leisten. Das sind die Punkte, um die es geht, und um nichts anderes.

    Heuer: An dieser Stelle handelt die SPD, handelt die Bundesregierung offenbar so wie die Union es sich vorstellt. Ein anderer Punkt sind die AWACS-Aufklärungsflugzeuge mit deutscher Besatzung. Es gab in den vergangenen Tagen wiederholt die Forderung - auch aus der Opposition in Deutschland -, dass für den Einsatz dieser Maschinen eigentlich ein Bundestagsmandat notwendig wäre. Halten Sie es für notwendig, dass der Bundestag über diesen Einsatz noch einmal abstimmt?

    Polenz: Bei der Diskussion um die AWACS ist viel durcheinander gegangen. Inzwischen ist es ja so, dass die AWACS mit deutscher Besatzung unter NATO-Kommando den Luftraum unseres Bündnispartners Türkei vor möglichen Angriffen, die der Irak auf unseren Bündnis-Partner Türkei führen könnte, sichern. Etwas ganz anderes sind die AWACS, die die Amerikaner selber in die Region nachgeführt haben. Diese AWACS werden wohl auch zur Führung dieses Krieges gegen den Irak eingesetzt. Da die NATO-AWACS in dieser Funktion nicht dort sind, halte ich und teile ich hier auch die Auffassung, die der Bundeskanzler gestern im Bundestag vorgetragen hat, dass hierzu eine Befassung des Bundestages jedenfalls solange nicht erforderlich ist wie der Bündnisfall nicht eintritt.

    Heuer: Heute Abend, Herr Polenz, beginnt in Brüssel der EU-Gipfel. Die EU ist über den Irak-Konflikt zerstritten. Jetzt hat der Krieg eingesetzt. Wie sollte sich Deutschland heute und morgen in Brüssel verhalten, um diesen Streit zu schlichten?

    Polenz: Der letzte EU-Sondergipfel war im Februar und hat sich auf eine gemeinsame Erklärung aller europäischer Staaten verständigt. An diese Erklärung muss man jetzt anknüpfen. Es ist dringend notwendig, dass die Europäer den tiefen Riss, der zwischen Deutschland, Frankreich einerseits, Großbritannien, Spanien und vor allen Dingen auch einigen der neuen Beitrittskandidaten andererseits entstanden ist, überbrückt wird, dass die Europäische Union zu größerer Geschlossenheit findet, denn nur dadurch wird man Einfluss auf weitere Entwicklungen nehmen können, insbesondere auch in der Nachkriegsphase.

    Heuer: Das war der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Polenz.

    Link: DeutschlandRadio-Aktuell

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