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"Begrüßenswert, aber nicht unbedingt etwas Neues"

Staatssekretär Marc Jan Eumann soll in seiner Promotion bei seiner eigenen Magisterarbeit abgeschrieben haben. Die TU Dortmund ändert nun ihre Promotionsordnung. Dies sei begrüßenswert, trotzdem solle man weiterhin jeden Fall einzeln beurteilen, findet der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen.

Bernhard Kempen im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Regina Brinkmann: Mitgehört hat Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Er vertritt die Interessen von rund 24.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland. Herr Kempen, die TU Dortmund hat ihre Promotionsordnung überarbeitet – wie gut oder wie schlecht sind denn Hochschulen eigentlich gegen Eigenplagiate gewappnet?

    Bernhard Kempen: Im Grunde war das schon immer so, dass Eigenplagiate nicht zur guten wissenschaftlichen Praxis gehören. Mit Eigenplagiaten konnte man auch in der Vergangenheit keinen Blumentopf gewinnen. Es ging schon immer darum, dass etwas Neues in die Welt kommt. Nur dann können wir akademische Titel und Grade verleihen. Von daher ist das, was die TU Dortmund jetzt gemacht hat, aus meiner Sicht schon ein, ja, wie soll man sagen, eine Klarstellung, die begrüßenswert ist, aber nicht unbedingt etwas Neues.

    Brinkmann: Wie ist es denn an anderen Hochschulen, gibt es da womöglich noch die ein oder andere Lücke, die jetzt eigentlich da noch mal gestopft werden müsste in den Promotionsordnungen?

    Kempen: Na, wir haben so viele Promotionsordnungen, wie wir Fakultäten haben, also fast unendlich viele, und ich kann Ihnen nur nicht sagen, was in allen Promotionsordnungen steht, aber ich vermute mal stark, dass nicht alle Promotionsordnungen, ja, wie soll man sagen, dass sie alle bereits die beste und endgültige Fassung gefunden haben. Der Deutsche Hochschulverband hat alle Fakultäten dringend aufgefordert, ihre eigenen Promotionsordnungen, die teilweise eben auch schon etwas Moos angesetzt haben, noch mal vorzunehmen und zu überlegen, ob da nicht Änderungen, Ergänzungen, Klarstellungen erforderlich sind. Die jüngsten Fälle beginnen mit dem Fall zu Guttenberg bis heute. Die verlangen von uns schon, dass wir tätig werden, dass wir uns überlegen, wie wir verhindern können, dass es in Zukunft zu Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen in Promotionsverfahren kommt.

    Brinkmann: Wie können denn nun Hochschullehrer und auch Studenten auf Nummer sicher gehen, wenn das Thema einer Abschlussarbeit in einer Dissertation wieder aufgegriffen werden soll, ohne dass es ein Eigenplagiat gibt oder einen Verdacht da drauf?

    Kempen: Diese Sache ist ja die: Letztlich ist es ja begrüßenswert, wenn Studenten aus einer Abschlussarbeit, aus einer Seminararbeit oder auch aus einer Magisterarbeit oder wegen mir auch aus einer Bachelorarbeit, wenn sie gedanklich schöpfen und die Sache weiterentwickeln – das begrüßen wir ja, auf die Weise können sich Profile entwickeln. Das ist also etwas, was durchaus erwünscht ist. Aber es muss transparent gehandhabt werden. Das heißt, von jedem Kandidaten wird erwartet, dass er in den Gesprächen mit seiner Betreuerin oder seinem Betreuer und später auch in der schriftlich vorgelegten Arbeit deutlich macht, was bereits Gegenstand früherer Beurteilungen war, für was also schon Qualifikationen verliehen wurden und was nun der wissenschaftliche Mehrwert, der wissenschaftliche Zugewinn ist, der in der nachfolgenden Arbeit nun bewertet werden soll. Das muss offen gemacht werden und offen gehandhabt werden, und wo das nicht geschieht, haben wir es mit Fehlverhalten zu tun, das dann auch möglicherweise geahndet werden muss.

    Brinkmann: Jetzt reden Sie immer schön von der Bringschuld der Promovenden, welche Bringschuld haben denn die Hochschullehrenden? Im Fall Eumann hat sich der Doktorvater ja anscheinend nicht sehr intensiv mit der Magisterarbeit seines Promovenden im Vorfeld auseinandergesetzt.

    Kempen: Zum Fall Eumann und welche Rolle nun Herr Eumann und sein Doktorvater hatten, da will ich jetzt ehrlich gesagt gar nicht viel sagen. Das ist ein schwebendes Verfahren, das werden Sie bestimmt verstehen und auch Ihre Hörer verstehen, dass ich dazu jetzt …

    Brinkmann: Aber grundsätzlich.

    Kempen: Ja, grundsätzlich kann ich gerne was dazu sagen. Es gibt nicht nur eine Bringschuld der Kandidaten, sondern es gibt auch eine Bringschuld der Betreuerinnen und Betreuer – selbstverständlich gibt es die. Wir Professorinnen und Professoren, wir sind verpflichtet, unsere Kandidaten auch auf die Gefahren und Risiken, die mit dem Verfahren verbunden sind, hinzuweisen, sie darüber aufzuklären, dass sie sich an die Regeln wissenschaftlicher Praxis zu halten haben und dass sie das … dazu gehört dann eben auch, dass Eigenplagiate, also das Abschreiben aus früheren Qualifikationsarbeiten, dass das nicht geht. Das ist unsere Aufklärungspflicht, die wir dabei haben.

    Brinkmann: Inwieweit müssen Sie denn die Arbeiten, die vorher entstanden sind, kennen?

    Kempen: Also wenn – bei mir kommt das auch vor in meiner Betreuungspraxis – wenn mir ein Kandidat sagt, ich hab da schon eine Magisterarbeit geschrieben, dann lass ich mir die auch geben, dann will ich die sehen, damit ich das vergleichen kann. Wenn natürlich ein Kandidat mir das verschweigt, dann muss ich sagen, hm, dann ist es für mich auch schwierig, das zu beurteilen.

    Brinkmann: In der Dortmunder Promotionsordnung wird ja jetzt verlangt, dass die Erkenntnisse aus der Abschlussarbeit in einer Dissertation erheblich vertieft werden müssen – lässt das nicht immer noch viel Spielraum zu, wie man diese Regelung dann letztendlich auslegt?

    Kempen: Spielräume haben wir da sowieso und müssen wir auch haben, weil jeder Fall anders ist und wir, wie soll man sagen, nach den jeweiligen Fachregeln beurteilen müssen, wie ist denn der Originalitätsgrad, die Innovationskraft der Arbeit, wie ist denn die Argumentationsstärke und so weiter. Das sind Dinge, die müssen wir beurteilen. Und wenn wir jetzt sehen, da hat jemand zu einer alten vorangegangenen Arbeit etwas hinzugefügt, dann ist es eine wissenschaftliche Beurteilung, ob denn das, was nun hinzugefügt ist, so wertvoll ist, dass wir dafür einen neuen akademischen Grad verleihen können. Das ist eine Frage – ich glaube nicht, dass man das nun sprachlich sehr viel enger fassen könnte in einer Promotionsordnung.


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