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Behrens gegen Abschiebungen nach Afghanistan und in den Irak

Simon: Der Krieg im Irak sei vorbei, das hat George Bush schon vor Monaten erklärt, aber unsicher ist die Lage in dem Land immer noch. Auch in Afghanistan herrscht bei weitem nicht in allen Provinzen Frieden. Kann man Flüchtlinge wieder zurückschicken in diese Länder, und wenn ja, wann? In Deutschland geht es um mehrere Tausend Betroffene, und mit diesen Themen beschäftigen sich heute und morgen die Innenminister der Länder. Am Telefon ist nun Fritz Behrens. Er ist SPD-Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Grüße Sie.

    Behrens: Guten Tag, Frau Simon.

    Simon: Herr Behrens, wie stehen Sie zu einer Rückführung der Flüchtlinge in den Irak und nach Afghanistan?

    Behrens: Grundsätzlich, Frau Simon, muss die Rückführung und die Rückkehr sein. Das ist klar. Flüchtlinge aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten, wenn sie denn zu uns kommen, haben immer einen vorübergehenden Aufenthalt bei uns. Ganz grundsätzlich ist klar, dass sie nach Beruhigung im Heimatland auch wieder zurückmüssen. Nur im Moment versuchen einige meiner Kollegen, den Druck zu erhöhen, dass Flüchtlinge schon in Kürze wieder nach Afghanistan und in den Irak abgeschoben werden sollen. Das halte ich für absolut verfrüht, denn die Situation sowohl im Irak wie in Afghanistan ist nicht so, dass man dort ruhigen Gewissens Menschen hinbringen kann, die vor politischer Verfolgung und aus anderen Gründen geflohen sind.

    Simon: Wenn, wie beispielsweise Ihr Hamburger Kollege, angekündigt hat, dass Hamburg auf jeden Fall ausweist, egal, was die anderen Kollegen in den anderen Ländern entscheiden, ist das für Sie Populismus, oder haben Sie da Verständnis für?

    Behrens: Das ist aus Hamburger Sicht möglicherweise ein drängendes Problem. Es ist auch ein Stück populistisch, das jetzt so an die große Glocke zu hängen. Tatsächlich ist es so, dass es in Hamburg wohl eine Konzentration von afghanischen Flüchtlingen gibt und die Hamburger mit diesem Problem fertig werden müssen, aber dennoch denke ich, das, was ich eben gesagt habe zur Situation in den Heimatländern, muss man berücksichtigen. Man kann nicht ohne Rücksicht auf die Situation, in die man Menschen zurückschiebt, sie jetzt einfach wieder zurück in ihre Heimatländer bringen. Das setzt voraus, dass sich die Verhältnisse dort ein Stück verändert und beruhigt haben. Dann allerdings – und dieser Meinung bin ich auch mit allen meinen Kollegen – muss die Rückkehr sein.

    Simon: Es gibt ja auch den Vorschlag, man solle sich jetzt schon festlegen in Jena auf einen Termin im nächsten Jahr. Halten Sie das für praktikabel?

    Behrens: Das halte ich für zu früh. Wir treffen uns ja im Frühjahr wieder. Außerdem treffen sich Innenminister immer dann, wenn es notwendig ist, oder sie kommen zu Telefonschaltkonferenzen zusammen. Das kann man auch dann entscheiden, wenn es soweit ist im nächsten Frühjahr.

    Simon: Ein weiteres Thema der Innenministerkonferenz ist die Einführung des Digitalfunks für die Polizei, ein altes Thema. Nordrhein-Westfalen verlangt jetzt, dass bald darüber entschieden wird, welches System gekauft wird und dass auch schnell geklärt wird, welche Kosten der Bund und wie viel die Länder übernehmen. Herr Behrens, seit Jahren soll der alte Polizeifunk ersetzt werden. Warum jetzt dieser erhöhte Druck?

    Behrens: Das ist der Punkt, an dem ich nun wieder ungeduldig bin. Seit Jahren diskutieren wir darüber. Wir haben in Nordrhein-Westfalen gute Erfahrungen mit einem Pilotversuch gemacht, den wir grenzüberschreitend im Raum Aachen durchgeführt haben. Deswegen ist es höchste Zeit, den alten, analogen Funk jetzt zu ersetzen durch Digitalfunk und den alten Streit zwischen Bund und Ländern über die Kostenverteilung möglichst schnell zu beenden und zu konkreten Ergebnissen, das heißt, zur Vergabe des Auftrages zu kommen. Da mache ich jetzt Druck.

    Simon: Was für Vorteile hat denn der Digitalfunk gegenüber dem herkömmlichen Polizeifunk?

    Behrens: Das ist eine völlig neue Generation von Technik. Der Analogfunk läuft aus. Es werden schon jetzt keine Geräte mehr hergestellt. Es ist schwierig, Ersatzteile zu bekommen, wir haben Funklöcher und andere technische Probleme mit diesem alten Funk. Wir brauchen dringend die neue Technologie dieses Jahrhunderts, so wie unsere europäischen Nachbarn übrigens auch. Ich komme gerade aus den Niederlanden, wo er ebenfalls eingeführt wird. Wir müssen ja auch grenzüberschreitend kommunizieren können mit den Kollegen. Die Datenübermittlung ist sicherer, sie ist abhörsicher. Sie können außer Sprache auch Text und Bilder übertragen. Deshalb ist diese Art des Funks für die Sicherheitsbehörden, nicht nur für die Polizei, sondern auch für Katastrophenschutz und Feuerwehr die Technik der Zukunft. Sie muss dringend eingeführt werden.

    Simon: Es geht um Milliardensummen. Ist in diesen mageren Zeiten dafür überhaupt Geld da?

    Behrens: Über die Frage, wann wie viel wer auf welcher Ebene zu bezahlen hat, ist ja noch zu entscheiden. Heutzutage gibt es ja auch Finanzierungsmöglichkeiten, bei denen Private zunächst einmal vorfinanzieren und die Nutzer dann die tatsächlichen Kosten tragen: 3,1 Milliarden Investitionen müssen nicht von der öffentlichen Hand von heute auf morgen getragen werden, das wäre sicherlich im Moment schwer zu schultern in der Situation der öffentlichen Haushalte. Es gibt aber innovative Finanzierungsmodelle, an denen wir uns bedienen sollten.

    Simon: Haben Sie da Unterstützung auch in anderen Ländern?

    Behrens: Ja, es gibt durchaus Unterstützung. Eigentlich sind alle Kollegen der Auffassung, dass wir jetzt schnell zu Entscheidungen kommen müsse. Einig sind wir uns nur nicht über die Finanzierungskostenanteile, und da sprechen die Finanzminister und vor allem auch die Ministerpräsidenten ein gewichtiges Wörtchen mit. Ich vermute mal, dass auch die Innenminister in diesen Tagen sich nicht werden verständigen können. Es geht um die Haushalte und um die Haushaltsreife dieses Projektes, da werden die Finanzminister und die Ministerpräsidenten noch ein Wörtchen mitreden wollen. Allerdings muss das bis Weihnachten geschehen sein, denn länger will ich nicht mehr warten.

    Simon: Was ist denn, wenn es nicht bis Weihnachten geschehen ist?`

    Behrens: Dann gibt es die Überlegung, dass Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem Bund, vielleicht auch Berlin oder dem einen oder anderen Bundesland einfach voranmarschiert.

    Simon: Können Sie denn dann noch mit der Polizei anderer Länder kommunizieren?

    Behrens: Das wird sicherlich möglich sein. Allerdings gibt es so oder so ja eine Phase der Umstellung, die wir bewältigen müssen. Das wäre auch so, wenn wir nur den Funk in Nordrhein-Westfalen allein oder bundesweit einführen würden. Mit diesen Umstellungsproblemen müssen wir fertig werden. Das sind Schnittstellenfragen, die gelöst werden können.

    Simon: Das war Fritz Behrens, der SPD-Innenminister von Nordrhein-Westfalen zu der heute beginnenden Tagung der Innenminister in Jena.