Das Gedächtnis ist nicht besonders zuverlässig. Davon können Soziologen ein Lied singen. Wenn sie menschliches Verhalten im Alltag studieren wollen, sind sie auf die Erzählungen ihrer Probanden angewiesen, und die machen oft und ganz unbewusst falsche Angaben. Winzige, tragbare Computer, mit denen sich Daten wie Aufenthaltsort und Treffen mit anderen ganz unverfälscht aufzeichnen ließen – das wär's. An der Entwicklung haben sich Ingenieure aber lange die Zähne ausgebissen. Nathan Eagle vom Massachusetts Institute of Technology (MIT):
"Kollegen aus meiner Arbeitsgruppe haben sich praktisch einen Desktop-Computer auf den Rücken geschnallt, Bildschirme auf dem Kopf montiert und sind damit dann zur allgemeinen Erheiterung über den Campus gewankt, um zu testen, ob der Rechner wirklich alle Daten aufzeichnet. Ich bin 2001 dazu gestoßen, und damals hat Nokia zufällig das erste massentaugliche programmierbare Handy auf den Markt gebracht. Also hatte ich mit meinem Betreuer einen Deal: wenn es mir gelingen würde, aus dem Handy eine Art Sensor für menschliche Kontakte zu machen, dann müsste ich nicht den Rest meines Studiums mit einem Computer auf dem Rücken verbringen. Und so hat alles angefangen."
Nathan Eagle hat eine spezielle Software für das Nokia-Handy entwickelt, genauer gesagt: eine Spyware, eine Spionagesoftware, die alle möglichen Handydaten ermitteln und auf die Rechner der Forscher schicken kann. Wenn man eine ganze Gruppe von Menschen mit diesen Handys ausstattet, können die Forscher eine Menge über die Gruppe erfahren. Zum Beispiel wer mit wem telefoniert, und wann. Oder wer wie viele SMS verschickt und an wen. Die Inhalte der SMS können die Forscher allerdings nicht lesen. Das Handy verrät auch, wo sich jemand aufhält; je nachdem, an welchen Mobilfunkmast es sich anmeldet. Sogar die räumliche Nähe zwischen den Handys lässt sich in Erfahrung bringen, dank der Funkverbindung Bluetooth. Eine Funktion, auf die Nathan Eagle besonders stolz ist.
"Die Bluetooth-Daten waren einfach am besten. Alle fünf Minuten hat das Spezialhandy mithilfe von Bluetooth nach anderen Spezialhandys gesucht, im Umkreis von fünf Metern. Wir wussten dann also auch, wer sich in wessen Nähe aufhält."
Die Forscher haben solche Handys an 94 Studenten des MIT in Boston verteilt. Sie wollten herausfinden, wer mit wem befreundet ist. Zum Vergleich wurden die Studenten aber auch noch zu ihren Freundschaften befragt. Nach neun Monaten haben die Forscher die Datenflut von den Handys ausgewertet und mit den Interviews abgeglichen. Das Ergebnis: Anhand der Mobilfunkdaten allein ließen sich die Freundschaften erkennen – und das mit 95-prozentiger Sicherheit. Freunde verbrachten einfach mehr Zeit zusammen, vor allem abends und am Wochenende. Die Daten zeigten aber auch, dass sich die Studienteilnehmer um bis zu eine Stunde verschätzten, wenn sie selbst angeben mussten, wie lange sie jemanden getroffen hatten. Das Handy hat sich bewährt, es hat zuverlässige und vor allem objektive Daten geliefert.
"Wir können uns also einfach die Handydaten anschauen, etwa um auf Freundschaften zu schließen, anstatt aufwändige Befragungen durchzuführen. Es gibt viele verschiedene Verhaltensmerkmale, die auf eine Freundschaft hinweisen: Die Probanden reisen zusammen, sie verbringen Samstagabende zusammen, und sie besuchen sich gegenseitig zu Hause. Wir haben die Studie auf 100 Teilnehmer begrenzt, bei den Befragungen musste jeder eine Liste mit 100 Leuten durchgehen und angeben, mit wem er wie viel Zeit verbringt. Bei 1000, 10.000 oder sogar einer Million Teilnehmern funktioniert das nicht mehr."
Mithilfe des Spezialhandys könne man aber auch größere, komplexere Netzwerke untersuchen, sagt Nathan Eagle. Wäre es auch denkbar, dass die Polizei ähnliche Methoden einsetzen könnte, etwa um kriminelle Netzwerke zu erforschen?
Nein, definitiv nicht, sagt Nathan Eagle. Herkömmliche Handys wären dafür nicht geeignet, und ohne die Spyware komme die Polizei gar nicht an die Daten im Handy heran. Eagles Spezialhandys blieben allein soziologischen Studien vorbehalten, versichert er. Auf Interviews und Fragebögen können die Forscher in Zukunft trotzdem nicht verzichten. Schon gar nicht, wenn die Fragestellungen komplexer werden. Mithilfe von Handydaten will Nathan Eagle zum Beispiel auch herausfinden, wann ehemalige Raucher wieder zur Zigarette greifen.
"Was sind die Verhaltensmerkmale für den Rückfall? Welche Orte, welche Menschen, welche Tageszeiten? Diese Handydaten müssen wir dann aber natürlich mit den Angaben der Probanden kombinieren. Das Handy fragt also: Möchtest du jetzt eine Zigarette rauchen? Gib mal ein, wie stark dein Verlangen nach einer Zigarette gerade ist."
Dann könne man womöglich ein wissenschaftliches Modell entwickeln, unter welchen Umständen das Rückfallrisiko für ehemalige Raucher am größten ist.
"Kollegen aus meiner Arbeitsgruppe haben sich praktisch einen Desktop-Computer auf den Rücken geschnallt, Bildschirme auf dem Kopf montiert und sind damit dann zur allgemeinen Erheiterung über den Campus gewankt, um zu testen, ob der Rechner wirklich alle Daten aufzeichnet. Ich bin 2001 dazu gestoßen, und damals hat Nokia zufällig das erste massentaugliche programmierbare Handy auf den Markt gebracht. Also hatte ich mit meinem Betreuer einen Deal: wenn es mir gelingen würde, aus dem Handy eine Art Sensor für menschliche Kontakte zu machen, dann müsste ich nicht den Rest meines Studiums mit einem Computer auf dem Rücken verbringen. Und so hat alles angefangen."
Nathan Eagle hat eine spezielle Software für das Nokia-Handy entwickelt, genauer gesagt: eine Spyware, eine Spionagesoftware, die alle möglichen Handydaten ermitteln und auf die Rechner der Forscher schicken kann. Wenn man eine ganze Gruppe von Menschen mit diesen Handys ausstattet, können die Forscher eine Menge über die Gruppe erfahren. Zum Beispiel wer mit wem telefoniert, und wann. Oder wer wie viele SMS verschickt und an wen. Die Inhalte der SMS können die Forscher allerdings nicht lesen. Das Handy verrät auch, wo sich jemand aufhält; je nachdem, an welchen Mobilfunkmast es sich anmeldet. Sogar die räumliche Nähe zwischen den Handys lässt sich in Erfahrung bringen, dank der Funkverbindung Bluetooth. Eine Funktion, auf die Nathan Eagle besonders stolz ist.
"Die Bluetooth-Daten waren einfach am besten. Alle fünf Minuten hat das Spezialhandy mithilfe von Bluetooth nach anderen Spezialhandys gesucht, im Umkreis von fünf Metern. Wir wussten dann also auch, wer sich in wessen Nähe aufhält."
Die Forscher haben solche Handys an 94 Studenten des MIT in Boston verteilt. Sie wollten herausfinden, wer mit wem befreundet ist. Zum Vergleich wurden die Studenten aber auch noch zu ihren Freundschaften befragt. Nach neun Monaten haben die Forscher die Datenflut von den Handys ausgewertet und mit den Interviews abgeglichen. Das Ergebnis: Anhand der Mobilfunkdaten allein ließen sich die Freundschaften erkennen – und das mit 95-prozentiger Sicherheit. Freunde verbrachten einfach mehr Zeit zusammen, vor allem abends und am Wochenende. Die Daten zeigten aber auch, dass sich die Studienteilnehmer um bis zu eine Stunde verschätzten, wenn sie selbst angeben mussten, wie lange sie jemanden getroffen hatten. Das Handy hat sich bewährt, es hat zuverlässige und vor allem objektive Daten geliefert.
"Wir können uns also einfach die Handydaten anschauen, etwa um auf Freundschaften zu schließen, anstatt aufwändige Befragungen durchzuführen. Es gibt viele verschiedene Verhaltensmerkmale, die auf eine Freundschaft hinweisen: Die Probanden reisen zusammen, sie verbringen Samstagabende zusammen, und sie besuchen sich gegenseitig zu Hause. Wir haben die Studie auf 100 Teilnehmer begrenzt, bei den Befragungen musste jeder eine Liste mit 100 Leuten durchgehen und angeben, mit wem er wie viel Zeit verbringt. Bei 1000, 10.000 oder sogar einer Million Teilnehmern funktioniert das nicht mehr."
Mithilfe des Spezialhandys könne man aber auch größere, komplexere Netzwerke untersuchen, sagt Nathan Eagle. Wäre es auch denkbar, dass die Polizei ähnliche Methoden einsetzen könnte, etwa um kriminelle Netzwerke zu erforschen?
Nein, definitiv nicht, sagt Nathan Eagle. Herkömmliche Handys wären dafür nicht geeignet, und ohne die Spyware komme die Polizei gar nicht an die Daten im Handy heran. Eagles Spezialhandys blieben allein soziologischen Studien vorbehalten, versichert er. Auf Interviews und Fragebögen können die Forscher in Zukunft trotzdem nicht verzichten. Schon gar nicht, wenn die Fragestellungen komplexer werden. Mithilfe von Handydaten will Nathan Eagle zum Beispiel auch herausfinden, wann ehemalige Raucher wieder zur Zigarette greifen.
"Was sind die Verhaltensmerkmale für den Rückfall? Welche Orte, welche Menschen, welche Tageszeiten? Diese Handydaten müssen wir dann aber natürlich mit den Angaben der Probanden kombinieren. Das Handy fragt also: Möchtest du jetzt eine Zigarette rauchen? Gib mal ein, wie stark dein Verlangen nach einer Zigarette gerade ist."
Dann könne man womöglich ein wissenschaftliches Modell entwickeln, unter welchen Umständen das Rückfallrisiko für ehemalige Raucher am größten ist.