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Bei Anruf Bahnlaster

Bahntechnik. - Der Bahn wirft man gemeinhin vor, nicht flexibel genug auf die Bedürfnisse der Kundschaft zu reagieren, weshalb die lieber den LKW benutzt. Automatisch gesteuerte Schienenfahrzeuge, die auf Anforderung kommen und durch Lücken im Verkehrsplan über das Schienennetz fahren, könnten eine Alternative zur Straße bieten. An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen wird an einem solchen Konzept gearbeitet.

Von Mirko Smiljanic | 10.11.2005
    Reinhard Müller hat Woche für Woche ein 30 Tonnen schweres Problem. So viel wiegen Maschinenteile, die der Mittelständler von Aachen aus im Umkreis von 100 Kilometern an seine Kunden ausliefern muss. Bisher übernahm das ein LKW, neuerdings testet er die Bahn, genauer den CargoMover, ein Schienenfahrzeug ohne Lok und Fahrer, dafür mit viel Elektronik. Das Prozedere ist erstaunlich einfach. Reinhard Müller ruft den Minitransporter auf einer speziellen Mobilfunknummer an und gibt ihm per Tastenkombination den Befehl, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Gleisanschluss zu sein. CargoMover kommt ohne nennenswerte Verspätung. Nach dem Beladen des Schienenflitzers, geht es entsprechend simpel weiter.

    "Man gibt einfach die Startadresse an und die Zieladresse und bestätigt die Adressen mit einem kleinen Taster, ja, und dann kann ganz einfach das Fahrzeug auf Reisen geschickt werden. Das Fahrzeug erkennt die gültige Zieladresse, es wird ein Weg berechnet und entsprechend wird das Gleis oder die Strecke eingestellt, damit ich dieses Ziel finden kann."

    CargoMover - sagt Uwe Viereck, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Schienenfahrzeuge und Fördertechnik der RWTH Aachen - hat zwei Rechner an Bord: Einer überwacht die gefahrene Strecke, der zweite plant und steuert den Weg durchs Schienenetz. Dazu hält er kontinuierlichen Funkkontakt zur Einsatzzentrale, die ihm alle erforderlichen Informationen liefert. Viereck:

    "Dazu gibt es GSMR, das System wird jetzt flächendeckend in den europäischen Staaten aufgebaut. Es basiert auf GSM, was das Global System for Communication ist, damit besteht eigentlich ständiger Funkkontakt zwischen den Fahrzeugen und einer Zentrale, wo diese Signale entgegengenommen werden."

    CargoMover sucht sich freie Strecken heraus, in gewisser Weise mogelt er sich am regulären Verkehr vorbei zum Ziel. Unterwegs kann eine Menge passieren. Der Thalys Richtung Köln könnte mal wieder Verspätung haben oder eine defekte Regionalbahn blockiert die Strecke. Viereck:

    "Wenn jetzt ein Befehl von der Zentrale kommt, dass das Fahrzeug anhalten muss, weil ein anderes Fahrzeug vorbei kommt oder überholen möchte, dann muss es Ausweichstrecken geben, diese Strecken sind zum Teil vorhanden, das können Bahnhöfe sein oder Gleisabschnitte sein, dann würde dieses Fahrzeug umgelenkt werden, würde dort warten, würde einen Bremsbefehl bekommen."

    CargoMover verfügt zusätzlich zur automatischen Netzkontrolle, über jeweils ein Radar-, Laser- und Videosystem, mit denen er die Schienen kontrolliert. Radarsensoren überwachen unabhängig von Tageslicht und Witterung die Strecke, sie sind technisch ausgereift und liefern präzise Daten über Gegenstände, die sich auf den Schienen befinden. Viereck:

    "Das Videosignal wird benötigt, um das Lichtraumprofil zu erkennen. Das Lichtraumprofil ist genau der Abschnitt, durch den das Fahrzeug passen würde, das heißt ich will nicht das, was rechts und links vom Fahrzeug ist als Hindernis erkennen, um dann ständig anhalten zu müssen, ich muss mir einen scharfen Bereich ausschneiden können."

    Damit auch wirklich nichts schief läuft, scannt ein Laserstrahl die Strecke zusätzlich auf mögliche Hindernisse ab. Uwe Viereck von der RWTH Aachen:

    "Die Lasersensoren bilden ein dreidimensionales Bild ab von den Hindernissen oder von dem Profil, was sich vor dem Fahrzeug befindet, aus diesen Signalen - die werden miteinander fusioniert - kann man erkennen, befindet sich ein Hindernis vor dem Fahrzeug oder nicht."

    Viel Technik, die aber noch nicht für den Regelbetrieb reicht. Aus diesem Grund fahren bisher nur zwei Prototypen des CargoMover über Aachens Gleise. Mittelständler Reinhard Müller bedauert das, er würde seine Maschinenteile am liebsten nur noch mit dem Schienenflitzer ausliefern.