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Bei der Eurorettung sind sich die Bundestagsparteien "leider völlig einig"

Die "Alternative für Deutschland" wendet sich strikt gegen die Europolitik. 40 oder 50 Prozent der Bevölkerung kämen mit ihrer Meinung dazu im Parlament nicht vor begründet ihr stellvertretenden Vorstandssprecher, Alexander Gauland, die Gründung einer Partei.

Alexander Gauland im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.03.2013
    Martin Zagatta: Guten Morgen, Herr Gauland!

    Alexander Gauland: Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Gauland, den Hörern sei es vorneweg gesagt, dass Sie Staatssekretär waren unter dem hessischen Ministerpräsident Wallmann und dann Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen Zeitung". Sind Sie eigentlich schon aus der CDU ausgetreten, der Sie so ... der Sie jahrzehntelang angehört haben?

    Gauland: Nein, Herr Zagatta, bin ich bis jetzt noch nicht, noch gibt's ja die Partei nicht und die Wahlalternative ist ja sozusagen eine innerliche Konkurrenzorganisation, aber noch keine Parteikonkurrenzorganisation. Aber Sie haben natürlich recht mit der Frage, ich muss mich entscheiden und muss austreten, ja.

    Zagatta: Das muss Ihnen aber doch auch schwerfallen, Sie waren ja, ich glaube, mehr als vier Jahrzehnte CDU-Mitglied!

    Gauland: Herr Zagatta, das fällt mir sehr schwer! Ich war fast 50 Jahre in der CDU und ich habe auch ja persönlich logischerweise Vorteile davon gehabt, Sie werden nicht Staatssekretär ohne die Partei. Ja, das fällt mir sehr schwer. Aber ich halte diese Euro-Rettungspolitik inzwischen für etwas so Problematisches und für die Zukunft von Kindern und Kindeskindern für etwas, was man so nicht mehr hinnehmen kann. Und dann muss das Persönliche, was auch ein natürlich Sentimentales ist, zurückstellen.

    Zagatta: Dann kommt man zu so einem Schritt! Wie lange steht das für Sie schon fest?

    Gauland: Herr Zagatta, das hat sich sehr schnell hier ergeben. Denn im Grunde genommen war ich in Oberursel eingeladen zu einer Podiumsdiskussion, bei der ja auch Leute dabei waren, die gar nicht in dieser Gruppierung sind, also Frau von Storch und Herr Starbatty. Was ich dort erlebt habe, ist aber ...

    Zagatta: Das war letzte Woche so eine Art Vorbereitung für diesen Parteitag, ja?

    Gauland: Genau, das war letzte Woche. Und es war ursprünglich auch gar nicht als Vorbereitung gedacht, sondern eine Podiumsdiskussion zu dem Thema. Und was ich da erlebt habe, ist allerdings erstaunlich, das heißt, es sind viele Menschen auf einen zugekommen, viele aus der Umgebung, die ich früher kannte und die alle sagen, warum gibt es nicht eine solche Alternative auch im Bundestag? Und Sie müssen sich vorstellen, dass ... Die Stadthalle von Oberursel war ausgelegt auf 400 Leute, da mussten innerhalb kurzer Zeit die gesamten Trennelemente rausgenommen werden und es waren 1200 Leute da. Bis aus dem Ruhrgebiet, ist mir erzählt worden, sind Leute zu einer Diskussion gekommen, bei der Herr Starbatty ja bestimmt bekannt ist, aber weder Herr Lucke noch Konrad Adam, noch nun ich gerade – wie heißt es so schön – A-Promis sind! Also, da gibt es ein tiefes Bedürfnis und das ist für mich auch einer der Hintergründe, das zu tun, es gibt ein tiefes Bedürfnis in der Bevölkerung, die Sorgen, die in der Bevölkerung bestehen, und die alternativen Wünsche auch politisch auszudrücken. Das heißt, es kann nicht sein, dass sagen wir 40 oder 50 Prozent der Bevölkerung mit ihrer Meinung gar nicht vorkommen im Parlament. Sie kommen in der Diskussion nicht vor, sie kommen weder bei CDU, noch bei Grünen, noch bei SPD vor. Ja, es gibt einzelne Abgeordnete, das finde ich sehr mutig, Herr Bosbach, Herr Schäffler, aber die Partei selber hält stur an einer bestimmten Meinung fest und die anderen Fragen werden nicht diskutiert. Und das treibt die Leute um!

    Zagatta: Herr Gauland, selbst wenn es die Leute umtreibt, wenn es dieses riesige Interesse gibt, ist es denn dann trotzdem realistisch, jetzt innerhalb von wenigen Monaten eine neue Partei aus dem Boden zu stampfen und bei der Bundestagswahl anzutreten, ist das realistisch?

    Gauland: Herr Zagatta, wenn ich da, wie Politiker das so tun, Ja sagen würde, würde ich Ihnen nicht die Wahrheit sagen. Ich weiß es auch nicht richtig. Das heißt, es kann sein, dass wir das schaffen, weil eine enorme Begeisterung auch vor Ort da ist in verschiedenen ... Landesverbände gibt es ja noch nicht, aber es gibt Landesbeauftragte. Aber natürlich ist es wahnsinnig anspruchsvoll und natürlich sind fünf Prozent eine hohe Hürde und natürlich hat die Diskussion noch gar nicht richtig angefangen und Parteien wie CDU und SPD werden also leidenschaftlich dagegen Front machen und da wird es auch alle möglichen Verdächtigungen geben. Da mache ich mir nichts vor. Man kann es nur hoffen. Ich will nicht sagen, dass ich sicher bin, dass wir in der Zeit einen solchen Auftrag hinkriegen!

    Zagatta: Um bei der Bundestagswahl antreten zu können, bräuchten Sie ja, wenn ich das jetzt richtig gelesen habe, 2000 Unterstützerunterschriften in jedem Bundesland. Ist das Interesse so groß, lässt sich schon absehen, wie viel potenzielle Mitglieder Sie haben oder bekommen?

    Gauland: Also, es gibt inzwischen über 10.000 Unterstützer, wird mir gesagt. Ich bin selbst nicht sehr im Internet zu Hause, aber diejenigen, die das organisatorisch betreuen und was davon verstehen, die sagen mir das. Und es gibt einen enormen Zulauf, in dieser Veranstaltung in Oberursel waren so Formulare ausgelegt, Beitrittsformulare, die waren nach zehn Minuten weg! Ich habe dann gefragt, wie viele sind denn da ausgelegt worden? Da waren irgendwie 1000 Formulare, die waren nach zehn Minuten verschwunden und wir konnten gar nicht nachliefern. Ich will gern zugeben, das ist noch nicht jemand, der sich das Formular mitnimmt, der nur wirklich dabei ist. Aber es gibt eine große Begeisterung von Leuten, die sagen, ja, wir müssen was tun! Inwieweit sich das am Ende echt umsetzt in Organisation und Stimmen, das kann ich Ihnen heute und hier und vier Wochen vor einer Parteigründung nicht sagen!

    Zagatta: Sie bräuchten ja nicht nur Menschen, die sagen, ja, wir müssen was tun, sondern auch Menschen, die kandidieren für Sie, und vor allem für so einen Wahlkampf Millionen von Euro! Wo soll das Geld herkommen?

    Gauland: Das ist eine gute Frage, die ich Ihnen auch im Moment nicht beantworten kann, denn wir leben im Moment nur von Kleinspenden, so wie ich das sehe. Ich verwalte die Kasse nicht. Es gibt keine Großspenden, es gibt keine Industriespenden. Und es gibt viel freiwillige Tätigkeit. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob das am Ende reichen wird und ob – Sie haben völlig recht – bei einem flächendeckenden Wahlkampf wir sozusagen der geballten materiellen Macht der Parteien genügend Aufmerksamkeit entgegensetzen können. Das ist eine Frage, die ich mir oft stelle früh und abends und die ich nicht beantworten kann, ich wäre unehrlich!

    Zagatta: Eine eigene Frage, die ich mir stelle, Herr Gauland: Warum tun Sie sich eigentlich nicht mit den Freien Wählern zusammen? Die haben doch ähnliche Ziele und wollen auch bundesweit antreten!

    Gauland: Ja, das hätten wir auch gern gemacht, das vertrete ich auch immer noch. Sie müssen aber sehen, es gibt bei den Freien Wählern ganz unterschiedliche Gruppierungen und leider eben auch Gruppierungen, die sich gegenseitig bekämpfen. Das heißt, wir haben festgestellt – ich kann nur wiedergeben, was da auf einer Versammlung in Hannover von Kollegen aus den verschiedenen Bundesländern gesagt wurde –, wir haben festgestellt, dass die Strukturen der Freien Wähler deswegen nicht funktionieren, weil viele Gruppen der Freien Wähler an dieser Euro-Politik kein Interesse haben, sondern an der Umgehungsstraße vor Ort, an lokalen Auseinandersetzungen. Und dass andere Gruppierungen wieder sich gegenseitig bekämpfen, was natürlich alle Kraft wegnimmt. Also, wir glauben nicht mehr daran, dass die Freien Wähler strukturell in der Lage sind, ein bundesweites Thema zu transportieren.

    Zagatta: Angeblich, so liest man, erwägen ja auch Bundestagsabgeordnete aus der Union und der FDP in Ihre dann zu gründende Partei überzulaufen. Ist das Wunschdenken oder ist da tatsächlich was dran?

    Gauland: Also, das halte ich für ein Gerücht. Das glaube ich nicht und das fällt ja bestimmt Unionsabgeordneten genau so schwer und ich kann mir das nicht vorstellen, dass Abgeordnete, die im Bundestag sind, einen solchen Schritt vollziehen. Heute weiß ich nichts davon, ich halte es im Moment für ein Gerücht.

    Zagatta: Aber Sie schwächen ja, falls Sie da antreten, wahrscheinlich vor allem die Union und die FDP und bereiten damit, also, falls Sie irgendwie erfolgreich werden oder nur einige Prozent der Stimmen erhielten, Rot-Grün vielleicht den Weg. Also, dann auch einer Euro-Politik, die Sie wahrscheinlich noch weniger wollen!

    Gauland: Herr Zagatta, da haben Sie völlig recht, das ist das Problem, was also uns alle umtreibt, mich ganz besonders. Ja, das ist so. Aber dann könnten Sie ja gar nichts mehr tun! Denn in dieser Eurorettungspolitik sind sich alle leider völlig einig und mir wäre es persönlich und menschlich viel lieber, es gäbe im Bundestag echte Alternativen zu dieser Eurorettungspolitik. Aber ich kann das Problem nicht kleinreden, ja, das ist so. Und Sie müssen nur nach Niedersachsen gucken: Der Wahlerfolg war nicht groß, aber da sind wir angetreten mit den Freien Wählern und haben 1,1 oder 1,2 Prozent bekommen. Und wenn die Herr McAllister gehabt hätte, wäre er noch Ministerpräsident. Ja, ich sehe das Problem. Es gibt keine einfache Lösung dafür. Ich finde – und das Zypern-Paket bestätigt mir das auch wieder –, der Druck, der aus dieser falschen Euro-Rettungspolitik kommt, ist für mich im Moment größer als das, was Sie zu Recht ansprechen!

    Zagatta: Herr Gauland, haben Sie eigentlich schon Anrufe von CDU-Parteifreunden bekommen, die Sie zurückpfeifen wollen?

    Gauland: Nein. Also, ich habe eher Anrufe von Leuten bekommen, die aber nicht irgendwo oben angesiedelt sind, die einem Mut machen. Aber ich habe keine Anrufe von irgendjemandem bekommen, der mir mit irgendetwas gedroht oder ... Kann ich nicht sagen!

    Zagatta: Alexander Gauland, der stellvertretende Vorstandssprecher der Alternative für Deutschland, die für die Auflösung des Euro kämpfen und bei der Bundestagswahl antreten will. Herr Gauland, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Gauland: Okay, danke schön, Herr Zagatta, Wiederhören!

    Zagatta: Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.