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Bei Hartz IV setzen Grüne auf Information

Friedbert Meurer: Am ersten Januar soll Hartz IV, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe kommen. Möglicherweise könnte es noch die eine oder andere Änderung geben. Am Telefon begrüße ich Thea Dückert, sie ist arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Tag, Frau Dückert.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Thea Dückert: Schönen gute Tag.

    Meurer: Wie sehr beeindrucken Sie denn die Proteste in Ostdeutschland?

    Dückert: Die Proteste sind natürlich schon ernst zu nehmen, weil sehr deutlich wird, das kam in Ihrem Beitrag auch, dass es erheblichen Informationsbedarf gibt und dass natürlich auch viele aufgrund von Falschmeldungen Ängste entwickeln. Die muss man ausräumen. Ich denke, man muss diese Proteste ernst nehmen.

    Meurer: Wenn behauptet wird, Arbeitslose werden auf Sozialhilfeniveau gedrückt, würden Sie das bestreiten?

    Dückert: Es ist einfach so, dass man zwei unterschiedliche Gruppen hat. Einmal die Sozialhilfeempfänger, die werden alle besser gestellt nach der neuen Regelung und die ehemaligen Arbeitslosenhilfebezieher, deren Arbeitslosenhilfe sich ja am ehemaligen Einkommen orientiert hat und da gibt es Arbeitslosenhilfebezieher, die ein hohes Einkommen hatten und deswegen über die neue Regelung auch eine Verschlechterung erfahren. Es gibt aber auch Hunderttausende von Arbeitslosenhilfebezieher, die eine Verbesserung erfahren und auch die Berücksichtigung von Kindern wird zum Beispiel verbessert, das ist nicht alles über einen Kamm zu scheren. Wichtig ist aber, dass erstens diese Leistung aus einer Hand kommt und dass vor allen Dingen diejenigen, die immer am schlechtesten gestanden haben, nämlich die Sozialhilfeempfänger, die außen vor waren bei der Arbeitsmarktpolitik jetzt eben auch eine verbesserte und eben auch eine pauschalierte Leistung bekommen können.

    Meurer: Der deutsche Gewerkschaftsbund hat vorgerechnet, dass es in Ostdeutschland im Moment etwa eine Million Arbeitslosenhilfeempfänger gibt und davon würden ab dem ersten Januar 36 Prozent, mehr als ein Drittel überhaupt nichts mehr bekommen und 44 Prozent eine geringere Leistung. Ist es dann für diese 80 Prozent ein Trost, wenn es den Sozialhilfeempfängern besser geht?

    Dückert: Es ist natürlich so, dass es in den neuen Bundesländern prozentual natürlich sehr viel mehr Arbeitslosenhilfeempfänger gibt als Sozialhilfeempfänger und deswegen wird es dort nicht so doll diskutiert, dass die Sozialhilfeempfänger besser gestellt werden. Diejenigen Arbeitslosenhilfebezieher, die gar keine Leistungen mehr bekommen - auch in den alten Bundesländern wird es ja diese Gruppe geben -, das sind Arbeitslosenbezieher, die im Familieneinkommen, zum Beispiel durch das Einkommen eines Partners abgesichert sind. Und wir müssen ja sehen, dass die neue Leistung, also das Arbeitslosengeld II eine Sozialleistung ist, die quasi bedarfsorientiert ist und da müssen die Familieneinkommen miteingerechnet werden, aber es wird nicht jedes Familieneinkommen miteingerechnet. Das ist auch ein Fortschritt gegenüber der alten Sozialhilfe.

    Meurer: Als Rückschritt wird andererseits betrachtet, dass zum Beispiel Kindersparbücher sozusagen requiriert werden sollen. Ist Hartz in der Ausführung schlampig wie manche sagen?

    Dückert: Nein, das Gesetz ist besser, als viele behaupten, und es gibt jetzt auch sehr viele populistische Falschmeldungen. Was die Sparbücher anbelangt, gibt es einmal ein Heraufsetzen in dieser Leistung bei den Freibeträgen der Kinder. Aber es gibt natürlich jetzt, was zu Recht thematisiert wird in der Öffentlichkeit, die Frage, was ist mit Versicherungen für die Ausbildung der Kinder? Wir haben in dem Gesetz die Möglichkeit, das wird dann auch regional so anzuwenden zu sein, der Härtefälle. Es ist ja die Frage, ob eine Ausbildungsversicherung, die nur für diesen Fall abgeschlossen worden ist und also quasi zweckgebunden ist, dem Rückgriff entzogen werden kann. Ich denke, dass sind Fragen im Detail, die wir auch so regeln können, das Gesetz lässt das durchaus zu.

    Meurer: Bei einer Millionen Arbeitslosenhilfeempfängern allein in Ostdeutschland, wie will man das alles in den Griff bekommen bis zum ersten Januar?

    Dückert: Wenn jetzt erst einmal verstärkt Bildung aus Information und Aufklärung betrieben wird, ist das sicher ein wichtiger Schritt. Aber es ist auch notwendig, dass die Politiker, ich meine auch zum Beispiel die Ministerpräsidenten wie Herr Milbradt und andere, die die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe wollten und dem auch zugestimmt haben, jetzt nun auch aufgerufen sind, hier mit Aufklärungsarbeit zu leisten.

    Meurer: Aber ein Milbradt zum Beispiel sagt, ich war ja von Anfang an dagegen und habe dagegen gestimmt.

    Dückert: Ich war im Vermittlungsausschuss und Herr Milbradt hat im Dezember wie alle anderen Unionspolitiker auch, als wir die Gesetze im Detail verabschiedet haben - Hartz IV ist im Dezember verabschiedet worden -, zugestimmt, er hat im Frühjahr, jetzt im Sommer als es nur noch um die Optionsregelung ging und um Ausgleichszahlungen, also kommunaler Finanzen quasi, hat er dagegen gestimmt. Die Union hat das gesamte Projekt mitgetragen, und das muss ich hier auch noch mal deutlich sagen, die Union hat Verschlechterungen gerade bei der Leistungshöhe versucht durchzusetzen, die wollten die Leistung noch um ein Drittel senken, das haben wir abgewehrt, die Union wollte bestimmte Kinderzuschläge, die wir für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger eingerichtet haben, neu eingerichtet haben, verhindern. Hier wird wirklich mit gezinkten Karten gespielt und wir müssen jetzt Ruhe rein bekommen, wir müssen die Schwierigkeiten, die es gibt, bearbeiten. Aber dazu sind auch die CDU-Ministerpräsidenten aufgerufen, die hier mitgestimmt haben.

    Meurer: Das war Thea Dückert, arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen Dank nach Berlin und auf Wiederhören, Frau Dückert.

    Dückert: Dankeschön.