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Bei Lebensversicherungen "absolut ruhig Blut bewahren"

Euro- und Schuldenkrise bringen viele Deutsche mit Lebensversicherungen ins Grübeln: Macht es Sinn, diesen Teil der Altersvorsorge zu plündern? Bloß nicht, sagt Ingo Wichelhaus vom Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen.

Ingo Wichelhaus im Gespräch mit Theo Geers | 04.08.2011
    Theo Geers: Die Schuldenkrise rund um den Euro verunsichert viele Anleger, auch solche, die eigentlich auf Sicherheit gesetzt haben, Kunden von Lebensversicherungen beispielsweise, die diese Geldanlage immer häufiger abstoßen wollen. Das berichtete zumindest gestern das Unternehmen cash.life. cash.life ist der Marktführer auf dem Gebrauchtmarkt für Lebensversicherungen, dort können Versicherungsnehmer ihre Versicherung verkaufen, wenn sie vor Ablauf an das Geld ran müssen oder ran wollen. Nur: Macht es Sinn, diesen Teil seiner Altersvorsorge zu plündern?

    Genau darüber wollen wir jetzt sprechen mit Ingo Wichelhaus vom
    Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen. Guten Tag, Herr Wichelhaus!

    Ingo Wichelhaus: Guten Tag, Herr Geers!

    Geers: Herr Wichelhaus, zunächst eine kurze Lernfrage: Schuldenkrise, Eurokrise – warum sind Kapitallebensversicherungen davon getroffen? Was heißt das für den Versicherten, bekommt er weniger Geld?

    Wichelhaus: Also erst mal muss man vielleicht festhalten, dass die Anlagepolitik der deutschen Versicherer auf sehr hohe Sicherheit ausgelegt ist. Da gibt es auch bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen wie die Anlageverordnung für das gebundene Vermögen, das heißt, das Geld der Versicherten, die eine hohe Mischung und Streuung der Risikoklassen zulassen. Natürlich ist ein hoher Prozentsatz, aktuell ist ein hoher Prozentsatz der Anlagen der Versicherungen in … die sie für die Versicherungsnehmer tätigen, in Anleihen erfolgt. Wir gehen davon aus, dass es fast 90 Prozent oder sogar mehr sind.

    Allerdings hat sich gezeigt, dass sich hier nur ein sehr geringer Prozentsatz tatsächlich in Risikoanleihen, die im Moment in der Diskussion sind, wirklich niedergeschlagen hat. Wie beispielsweise: Nur 0,22 Prozent halten die Versicherer aktuell, nach Zahlen, die öffentlich sind, in griechischen Anleihen, oder auch nur 0,3 Prozent in US-Staatsanleihen, wobei man ja nicht sicher ist, das ist ja eigentlich doch eine sehr gute Anlage.

    Geers: Also macht das eigentlich keinen Sinn, sich jetzt als Lebensversicherungsnehmer verunsichern zu lassen und seine Kapitallebensversicherung jetzt deswegen zu verkaufen?

    Wichelhaus: Also ich würde hier absolut ruhig Blut bewahren und würde genau überlegen und abwägen, was ich hier mache. Viele Verträge sind ja bereits lange angespart, und ich habe hier auch bestimmte Garantieversprechen der Versicherer noch, die bei den Policen ja auch für die gesamte Laufzeit gelten. Und ich würde mir sehr gut überlegen, ob ich im Moment Maßnahmen einleiten möchte. Weil die Versicherer haben bisher alle Krisen gemeistert, keine Insolvenzen, auch in der Aktienkrise hat sich hier dieser gesetzliche Sicherungsmechanismus "Protektor" durchgesetzt, und Garantieversprechen wurden auch bisher gut eingehalten.

    Geers: Sie sprechen von den Garantieversprechen, da würde ich gern noch mal nachfragen, Herr Wichelhaus. Gerade alte, lang laufende Lebensversicherungen haben ja oft noch einen aus heutiger Sicht durchaus attraktiven Garantiezins von 4 Prozent. So was sollte man in der Tat nicht leichtfertig aufgeben?

    Wichelhaus: Da haben Sie vollkommen recht. Also wenn ich jetzt vergleiche mit zehnjährigen Bundesanleihen, die im Moment 2,4 Prozent zahlen, sind diese 4 Prozent Garantieversprechen der Versicherer wirklich etwas, was ich nicht aufgeben würde, aber auch 3,25 bei anderen Policen sind ja auch noch gute Garantieversprechen.

    Geers: Also sollte man einen Verkauf einer Lebensversicherung wirklich auch jetzt nur im absoluten Notfall, wenn man wirklich an das Geld ran muss, in Erwägung ziehen?

    Wichelhaus: Das ist der Hauptgrund für den Verkauf, dass die Verkäufer Liquidität benötigen, weil sie sich ursprünglich für 30 Jahre verpflichtet haben, die Prämie zu bezahlen, und vielleicht sich die Lebensumstände geändert haben und man muss an das Geld heran. Aber auch hier kann ich auch vorzeitig Alternativen prüfen, ob ich ein Policendarlehen aufnehme und dadurch die Liquidität garantiere, bekomme – das sind alles so Dinge. Und wenn ich dann aber die Police verkaufe oder wenn ich die Police aufgeben möchte, dann sollte ich vielleicht genau prüfen, ob ich mich für einen Verkauf nicht doch entscheide, statt die Police beim Versicherer zu stornieren.

    Geers: Wenn jetzt verkauft wird, Herr Wichelhaus, können Sie kurz erklären: Was passiert da eigentlich, sozusagen technisch gesehen? Bleibt man Versicherungsnehmer oder bleibt man mit seinem Namen in dem Versicherungsvertrag drin? Was passiert da eigentlich?

    Wichelhaus: Also der Investor erwirbt das Recht auf die Leistung im Erlebens- und im Todesfall, und tatsächlich bleibt die ursprüngliche versicherte Person die gleiche, und das hat auch einen bestimmten Sinn. Denn, ich mache ein Beispiel: Im Erlebensfall – der Investor führt die Police bis zum Ende fort, bezahlt die Prämien –, im Erlebensfall vereinnahmt er die Erlebensfallleistungen. Im Todesfall allerdings vereinnahmt er auch die komplette Todesfallleistung, gibt aber den Teil, der den Kaufpreis, die Prämien und die Zinsen übersteigt, an den ursprünglichen Versicherungsnehmer, beziehungsweise in dem Fall dann oftmals seine Erben, zurück. Also hier sind fast 6,5 Millionen ausgezahlt worden in den letzten fünf Jahren von den Zweitmarktunternehmen.

    Geers: Das heißt also, hier sollte man sich auch sehr genau anschauen, ich sage mal jetzt, an wen man seine Lebensversicherung verkauft. Gibt es da auch schwarze Schafe, die unterwegs sind im Markt?

    Wichelhaus: Ja, wie man sie jetzt nennt, lasse ich dahingestellt. Ich würde sagen, wir bezeichnen es als Pseudo-Zweitmarkt. Das ist ein Markt, der sich entwickelt hat, wo die Policen gar nicht verkauft werden und weitergeführt werden, sondern wo die Policen nach dem Verkauf an das Unternehmen aufgelöst werden. Und der Auflösungsbetrag wird dann – nach Kosten selbstverständlich – in eine Anlage investiert, die vielleicht nach Aussagen der Anbieter 200 bis 300 Prozent Rendite bringen soll. Da würde ich als Verbraucher sehr genau hinschauen, ob ich einem solchen Unternehmen dann auch meine Police verkaufen möchte.

    Geers: Danke schön! Den Verkauf einer Lebensversicherung, den sollte man sich reiflich überlegen, das sagt Ingo Wichelhaus vom Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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