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Beim Kampf gegen die Steuerflucht "klare Zeitziele setzen"

Die Beschlüsse des Brüsseler Gipfels zur Bekämpfung der Steuerflucht bedeuten aus Sicht des Grünen-Politikers Thomas Gambke noch keinen Durchbruch. Bei diesem Thema würden die Mühlen in Europa sehr langsam mahlen. Nur durch mehr Druck werde es gelingen, alle Staaten auf eine Linie zu bringen.

Thomas Gambke im Gespräch mit Christine Heuer | 23.05.2013
    Christine Heuer: Es war ein kurzes Treffen und, folgt man den Teilnehmern, ein sehr effizientes. Vor allem haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs gestern in Brüssel darauf geeinigt, energischer gegen die Steuerflucht von Bürgern und gegen die Steuervermeidung großer Unternehmen vorzugehen. Luxemburg und Österreich sind ab 2015 zum automatischen Austausch von Daten ausländischer Bankkunden bereit – unter der Bedingung allerdings, dass auch Drittstaaten sich zu dieser Maßnahme entschließen, allen voran die Schweiz.

    Am Telefon begrüße ich den Grünen-Finanzpolitiker Thomas Gambke. Guten Tag nach Berlin.

    Thomas Gambke: Ich grüße Sie, Frau Heuer.

    Heuer: Grundsätzlich beschlossen worden ist dieser automatische Datenaustausch, Ende des Jahres soll es ein neues Treffen geben. Angela Merkel sprach gestern von einem starken Signal. Sehen Sie das auch?

    Gambke: Nein, das kann ich eigentlich so nicht sehen. Man muss ja sehen, dass die EU-Zinsrichtlinie, das heißt, also der automatische Austausch zumindest von Kapitalerträgen auf Zinsen schon seit zehn Jahren verhandelt wird. Und wenn jetzt das Ganze so in die Öffentlichkeit gebracht worden ist, natürlich auch durch ein paar spektakuläre Fälle, dann wird jetzt so ein Aktionismus sozusagen im Hinblick auf diese Fälle gezeigt. Aber man muss sehen, dass doch die Mühlen sehr langsam mahlen und nur schneller mahlen würden, wenn wirklich eine oder zwei führende Nationen jetzt wirklich sagen würden, wir setzen das auch selber und national um.

    Heuer: Das heißt, Sie fordern diesen Alleingang von Luxemburg und Österreich?

    Gambke: Das tue ich schon. Ich sehe schon auch das Thema Schweiz und andere Steueroasen innerhalb von Europa. Ich sehe auch, dass wir als Opposition mit der Verweigerung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens die Dinge in Fluss gebracht haben. Aber ich glaube, man sollte nicht nur auf Luxemburg und Österreich schauen, sondern sollte auch gucken, was kann denn innerhalb von Europa schnell umgesetzt werden, und da fehlen mir auch klare Zeichen.

    Heuer: Klare Zeichen. Aber immerhin ist verabredet worden, dass mit der Schweiz jetzt rasch verhandelt werden soll von EU-Ebene aus. Wie schnell, glaube Sie, kommt man da zu einem Ergebnis?

    Gambke: Nun, die Schweiz hat ja eine Weißgeldstrategie angekündigt, Liechtenstein hat das Gleiche getan. Wenn man in die Details guckt, sind aber doch die Konzepte sehr unterschiedlich. Ich glaube, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass jetzt mit diesen Ländern in der Tat verhandelt wird. Nach meinem Dafürhalten, wenn man sieht, dass das Steuerabkommen über zwei Jahre verhandelt wurde, ist da schon viel geredet worden, aber man sollte doch jetzt sich auch klare Zeitziele setzen, und die sehe ich nicht bei zwei Jahren, sondern die dürfen maximal sechs Monate betragen.

    Heuer: Und dann muss das Steuerabkommen auch mit diesen anderen Staaten zustande gekommen sein, also auch mit Andorra, Monaco oder San Marino?

    Gambke: Im Prinzip ja und ich denke, auch von Luxemburg und Österreich müsste eine Forderung gestellt werden, auch innerhalb von bestimmten Zeiträumen unabhängig von den anderen Ländern dem Zinsabkommen, der EU-Zinsrichtlinie und der erweiterten EU-Zinsrichtlinie zuzustimmen. Ich glaube, nur mit diesem Druck, den wir zum Beispiel ausgeübt haben, indem wir das deutsch-schweizer Abkommen nicht unterschrieben haben, nur mit diesem Druck wird es gelingen, alle Staaten sozusagen auf eine Linie zu bringen.

    Heuer: Ein zweites Thema, Herr Gambke, über das beim EU-Gipfel gesprochen worden ist, das waren ja Maßnahmen gegen Steuervermeidung großer Unternehmen. Da ist jetzt gestern beschlossen worden, dass die EU-Kommission Vorschläge vorlegen soll. Könnte man da schon weiter sein?

    Gambke: Ich glaube schon. Gerade das Thema, meine ich, ist eigentlich noch viel brisanter, denn da geht es ja darum, dass eigentlich heute in Europa um den heißen Brei herumgeredet wird. Es ist nun mal so, dass England noch im November letzten Jahres eine Patentbox angekündigt hat, also eine Ausnahme im Bereich der Körperschaftssteuer, dass die Lizenzbox in den Niederlanden besteht, dass Belgien über kalkulatorische Zinsen auf Eigenkapital ein Sonderfaktum geschaffen hat, das zur Steuervermeidung von großen Konzernen geführt hat. Da, glaube ich, ist einfach mehr Transparenz und Offenheit über die heute schon in Europa vorhandenen Steueroasen notwendig. Ich denke, da müssten wir mehr Transparenz haben, mehr Klarheit haben, und dann muss auch Europa handeln, das heißt sich auf einen gemeinsamen Körperschaftssteuersatz einigen als Mindestgrenze, um diese Ausnahmen wirklich nicht mehr zuzulassen.

    Heuer: Herr Gambke, was kann denn die deutsche Regierung dazu tun, dass das schneller geht und dass es konkret wird?

    Gambke: Ich denke, dass die Forderung immer wieder Transparenz und Offenheit sein muss. Eine ganz wichtige Sache, die wir fordern, ist das sogenannte Country-by-Country Reporting, das heißt eine länderbezogene Offenlegungspflicht, wie wir sie jetzt hoffentlich bei den Banken bekommen. Aber schon da war es so, dass wir jetzt gerade im Bundestag das Thema hatten, und hätten ab 1. 1. 2014 das eigentlich entscheiden können. Europa hat das wieder um zwei Jahre auf 2016 verschoben. Daran sieht man, dass Deutschland eigentlich in der Hand hätte, dort durch nationale Gesetzgebung eigentlich die Geschwindigkeit zu setzen und das nicht tut.

    Heuer: Aber kann man das denn im Alleingang, Herr Gambke?

    Gambke: Zum Beispiel die Offenlegungspflichten auf dem Bankensektor hätten wir allein national entscheiden können, ja.

    Heuer: Thomas Gambke, Finanzpolitiker der Grünen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Gambke: Vielen Dank nach Köln.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.