Müller: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche (EKD). Guten Morgen!
Huber: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Huber, wir sind ja auf der Suche nach Erklärungen. Haben Sie vielleicht den Kanzler angerufen und ihm gesagt, jetzt mach endlich mal was in Punkto Familie?
Huber: Das hat sich ja schon länger angebahnt und war, wenn man genau hingehört hat, auch schon vor einem Jahr zu bemerken bei der Regierungserklärung, die der Kanzler damals zur Agenda 2010 abgegeben hat. Ich habe damals nur den Eindruck gehabt, dass die Öffentlichkeit das noch nicht bemerkt und nicht bemerken will. In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung ihr Programm in Gang gebracht, mit dem sie, was eine erstaunlich kühne Ankündigung ist, bis 2010 Deutschland zum familienfreundlichsten Land in Europa machen will. Also ganz aus heiterem Himmel fällt das nicht und das ist ja auch überfällig und ganz dringend. Es ist wirklich nicht akzeptabel, welche Rolle Familien bei uns bisher noch spielen. Das ist allerdings nicht nur ein Problem der Politik; es ist auch ein Problem der gesellschaftlichen Mentalität. Wenn ein Paar mit Bernhardiner leichter eine Wohnung findet als eine Familie mit mehreren Kindern, dann sieht man, welche gesellschaftliche Atmosphäre wir haben. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass gleichzeitig die Einstellungen der Menschen sich ändern müssen und das politische Instrumentarium. Eines ohne das andere wird nicht genug nützen.
Müller: Bleiben wir vielleicht, Herr Huber, zunächst einmal bei der operativen Politik. Sie haben da immerhin einiges gemerkt – Sie haben es gesagt -, aber haben Sie auch über die Erklärungen hinaus schon etwas gemerkt?
Huber: Es gibt einzelne Schritte, die ja in Gang gekommen sind. Im Bereich der Familienbetreuung, im Bereich der Ganztagsschulen sind ja Initiativen ergriffen worden. Man kann leider bisher noch nicht bemerken, dass sie sich auch so auswirken, wie man sich das wünscht. Dafür braucht man allerdings auch operative Maßnahmen, über die dann die Regierung nicht selber unmittelbar verfügt. Da sind nämlich die Arbeitgeber, vor denen diese Rede gestern gehalten worden ist, genauso gefragt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Ausbildung und Beruf, die ganz bestimmt ein Schlüssel ist, die muss ja auch von den Arbeitgebern ermöglicht werden. Dass Frauen wie Männer aufhören, fürchten zu müssen, dass ihre Karriere einen schweren Knick bekommt, wenn sie sich für Kinder entscheiden, das ist in meinen Augen ein ganz, ganz wichtiges Thema. Man braucht nur mit 25jährigen Frauen oder Männern zu reden. Dann weiß man, wie sehr ihnen das auf den Nägeln brennt.
Müller: Ist die Familienpolitik der Bundesregierung sowie auch der Opposition, also das Bemühen, familienpolitisch nach vorne zu gehen, noch glaubwürdig?
Huber: Ich habe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Die einen wie die anderen können ja gar nicht darüber hinwegsehen, dass von 190 Ländern in der Welt hinsichtlich der Geburtenrate Deutschland auf Rang 182 liegt, wenn man das denn überhaupt einen Rang nennen will, und das ist eine Verweigerung gegenüber der nächsten Generation. Eine solche Verweigerung gegenüber der nächsten Generation ist ein Signal dafür, welches Zukunftszutrauen ein Land hat. Insofern ist Alarm angesagt und eine richtige Kurswende in der Politik brauchen wir im Thema Familie.
Müller: Herr Huber, reden wir über den Bernhardiner. Warum ist der leichter zu vermitteln als das Kind?
Huber: Weil er ein Ausweis dafür ist, dass Menschen auf ihren eigenen Lebensstandard Wert legen und dass sie den auch entwickeln können, während Kinder eher als Armutsrisiko gelten. Deswegen ist der mit dem Bernhardiner besser akzeptiert in unserer Gesellschaft als die Familie mit mehreren Kindern.
Müller: Bekommen finanziell bessergestellte Familien mehr Kinder?
Huber: Nein, das ist leider nicht der Fall. Es ist eher umgekehrt so, dass Familien mit mehreren Kindern – der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat das gerade gezeigt – als Familien gelten, die von einem besonderen Armutsrisiko bedroht sind.
Müller: Aber dann hat das nicht so viel mit dem Portemonnaie zu tun?
Huber: Es hat auch mit dem Portemonnaie zu tun, weil natürlich die Aussicht, dass man auch das Geld hat, die Kinder aufzuziehen, die Bereitschaft zu Kindern erhöht. Aber es hat nicht nur mit dem Portemonnaie zu tun. Es ist eine Frage mit mehreren Faktoren und deswegen insistiere ich darauf, dass die so genannten weichen Faktoren genauso wichtig sind wie die harten. Das ist die Frage der persönlichen Überzeugungen, Einstellungen, dass Familienethos genauso wichtig ist wie die Familienpolitik.
Müller: Haben Kinder in unserer Gesellschaft physisch wie mental zu wenig Platz?
Huber: Das ist ja eine generelle Aussage. Es spreizen sich die Lebenssituationen für Kinder, wie sich die Lebenssituationen in unserer Gesellschaft überhaupt spreizen. Es gibt Quartiere auch in Berlin; da haben Kinder auch zu wenig Platz, sich zu entfalten. Es gibt andere; da ist das durchaus ausreichend. Es gibt Familien, die Kindern Raum geben und sie fördern, und es gibt andere Familien, in denen ist es sehr eng. Der Bundeskanzler hat in seiner Rede auch darauf hingewiesen, dass deswegen in vielen Fällen auch die Erziehungsaufgaben im öffentlichen Raum, in der Schule insbesondere viel stärker wahrgenommen werden müssen, als das früher vielleicht der Fall war. Es bleibt natürlich dabei, dass die Familie eine vorrangige Erziehungsaufgabe hat, aber man kann nicht zuschauen und die Hände in den Schoß legen, wenn man feststellt, dass diese Erziehungsaufgabe in der Familie nicht wahrgenommen wird. Es kann auch nicht dabei bleiben, dass Bildungsferne und deswegen auch Armut sich in Deutschland in so hohem Maße vererbt, wie das gegenwärtig der Fall ist.
Müller: Liegt es auch, Herr Huber, ein wenig daran, dass Kindererziehung und überhaupt das Kind mehr als Privatangelegenheit angesehen wird denn als gesellschaftliches Anliegen auch?
Huber: Das wirkt beides zusammen. Auf der einen Seite wird das Kind als Privatangelegenheit angesehen und zum anderen haben wir in Deutschland weithin ein verengtes Bildungsverständnis, dass das Vermitteln von Wissen, die Vermittlung von Fertigkeiten als die eigentliche Bildungsaufgabe angesehen wird und die Vermittlung von Orientierungswissen, die Hilfe dazu, sich in seiner Welt zu orientieren, auch die Vermittlung von ethischen und religiösen Grundhaltungen und Grundkenntnissen, nicht in dem nötigen Umfang als Aufgabe der Schule anerkannt wird.
Müller: Herr Huber, vielleicht haben Sie mir jetzt ganz bewusst dieses Stichwort gegeben. Sie haben von Ethik geredet, von Werten im Rahmen des Bildungskontextes. In Berlin versucht man das jetzt etwas zu verändern und bietet eine Werteunterricht an. Das hört sich aber so an, als könnten Sie ganz gut damit leben?
Huber: Werteunterricht ist ganz gut. Sowohl Religion als auch Ethik sollten so angeboten werden in der Schule, dass jede Schülerin und jeder Schüler ein Unterrichtsfach in diesem Feld auch tatsächlich belegt und besucht, was bisher gerade in Berlin nicht der Fall ist. Aber es kann nicht so gelöst werden, dass der Staat sich dabei einbildet, dass er selber über die Werte verfügt, dass er sie selber hervorbringt, dass er sie bestimmt. Das ist der Fehler, der im Augenblick in Berlin passiert. Wenn ein Wertefach für alle ohne Abmeldemöglichkeit eingeführt wird, wodurch de facto der Religionsunterricht verdrängt würde, auch wenn die Regierenden das Gegenteil behaupten. Deswegen war es sehr bemerkenswert, dass der Bundeskanzler gestern in seiner familienpolitischen Rede diesem Thema ausdrücklich einen Absatz gewidmet hat und mit großer Klarheit gesagt hat, er trete für ein Konzept ein, das den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise ihren Eltern die Möglichkeit gibt, zwischen unterschiedlichen Angeboten zu wählen. Das schließt ja nicht aus, dass die Lerngruppen, die so zu Stande kommen, an bestimmten Projekten dann kooperieren. Wir haben für Berlin schon lange eine Konzeption dafür ausgearbeitet, immer wieder vorgetragen und es fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass die beiden regierenden Parteien in Berlin diesen Vorschlag einfach vom Tisch geschmissen haben.
Müller: Berlin ist nicht gottlos, war ja gestern in einer Boulevard-Zeitung zu lesen. Herr Huber, wenn wir noch einmal das Thema auf eine andere Ebene bringen: Sie sind dennoch für die saubere Trennung von Kirche und Staat?
Huber: Ich bin für die wechselseitige Unabhängigkeit von Kirche und Staat. Das schließt aber ein, dass beide an den Fragen kooperieren, für die sie beide Verantwortung haben. Der Religionsunterricht in der Schule gehört dazu. Es ist der klassische Fall einer gemeinsamen Angelegenheit von Kirche und Staat. Deswegen kann da nicht an den Kirchen vorbei einfach etwas gemacht werden, was gegen die Religionsneutralität des Staates in ganz klarer Weise verstößt.
Müller: Bischof Wolfgang Huber war das, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche Deutschlands. Vielen Dank für das Gespräch!
Huber: Ich bedanke mich auch sehr.
Huber: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Huber, wir sind ja auf der Suche nach Erklärungen. Haben Sie vielleicht den Kanzler angerufen und ihm gesagt, jetzt mach endlich mal was in Punkto Familie?
Huber: Das hat sich ja schon länger angebahnt und war, wenn man genau hingehört hat, auch schon vor einem Jahr zu bemerken bei der Regierungserklärung, die der Kanzler damals zur Agenda 2010 abgegeben hat. Ich habe damals nur den Eindruck gehabt, dass die Öffentlichkeit das noch nicht bemerkt und nicht bemerken will. In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung ihr Programm in Gang gebracht, mit dem sie, was eine erstaunlich kühne Ankündigung ist, bis 2010 Deutschland zum familienfreundlichsten Land in Europa machen will. Also ganz aus heiterem Himmel fällt das nicht und das ist ja auch überfällig und ganz dringend. Es ist wirklich nicht akzeptabel, welche Rolle Familien bei uns bisher noch spielen. Das ist allerdings nicht nur ein Problem der Politik; es ist auch ein Problem der gesellschaftlichen Mentalität. Wenn ein Paar mit Bernhardiner leichter eine Wohnung findet als eine Familie mit mehreren Kindern, dann sieht man, welche gesellschaftliche Atmosphäre wir haben. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass gleichzeitig die Einstellungen der Menschen sich ändern müssen und das politische Instrumentarium. Eines ohne das andere wird nicht genug nützen.
Müller: Bleiben wir vielleicht, Herr Huber, zunächst einmal bei der operativen Politik. Sie haben da immerhin einiges gemerkt – Sie haben es gesagt -, aber haben Sie auch über die Erklärungen hinaus schon etwas gemerkt?
Huber: Es gibt einzelne Schritte, die ja in Gang gekommen sind. Im Bereich der Familienbetreuung, im Bereich der Ganztagsschulen sind ja Initiativen ergriffen worden. Man kann leider bisher noch nicht bemerken, dass sie sich auch so auswirken, wie man sich das wünscht. Dafür braucht man allerdings auch operative Maßnahmen, über die dann die Regierung nicht selber unmittelbar verfügt. Da sind nämlich die Arbeitgeber, vor denen diese Rede gestern gehalten worden ist, genauso gefragt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Ausbildung und Beruf, die ganz bestimmt ein Schlüssel ist, die muss ja auch von den Arbeitgebern ermöglicht werden. Dass Frauen wie Männer aufhören, fürchten zu müssen, dass ihre Karriere einen schweren Knick bekommt, wenn sie sich für Kinder entscheiden, das ist in meinen Augen ein ganz, ganz wichtiges Thema. Man braucht nur mit 25jährigen Frauen oder Männern zu reden. Dann weiß man, wie sehr ihnen das auf den Nägeln brennt.
Müller: Ist die Familienpolitik der Bundesregierung sowie auch der Opposition, also das Bemühen, familienpolitisch nach vorne zu gehen, noch glaubwürdig?
Huber: Ich habe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Die einen wie die anderen können ja gar nicht darüber hinwegsehen, dass von 190 Ländern in der Welt hinsichtlich der Geburtenrate Deutschland auf Rang 182 liegt, wenn man das denn überhaupt einen Rang nennen will, und das ist eine Verweigerung gegenüber der nächsten Generation. Eine solche Verweigerung gegenüber der nächsten Generation ist ein Signal dafür, welches Zukunftszutrauen ein Land hat. Insofern ist Alarm angesagt und eine richtige Kurswende in der Politik brauchen wir im Thema Familie.
Müller: Herr Huber, reden wir über den Bernhardiner. Warum ist der leichter zu vermitteln als das Kind?
Huber: Weil er ein Ausweis dafür ist, dass Menschen auf ihren eigenen Lebensstandard Wert legen und dass sie den auch entwickeln können, während Kinder eher als Armutsrisiko gelten. Deswegen ist der mit dem Bernhardiner besser akzeptiert in unserer Gesellschaft als die Familie mit mehreren Kindern.
Müller: Bekommen finanziell bessergestellte Familien mehr Kinder?
Huber: Nein, das ist leider nicht der Fall. Es ist eher umgekehrt so, dass Familien mit mehreren Kindern – der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat das gerade gezeigt – als Familien gelten, die von einem besonderen Armutsrisiko bedroht sind.
Müller: Aber dann hat das nicht so viel mit dem Portemonnaie zu tun?
Huber: Es hat auch mit dem Portemonnaie zu tun, weil natürlich die Aussicht, dass man auch das Geld hat, die Kinder aufzuziehen, die Bereitschaft zu Kindern erhöht. Aber es hat nicht nur mit dem Portemonnaie zu tun. Es ist eine Frage mit mehreren Faktoren und deswegen insistiere ich darauf, dass die so genannten weichen Faktoren genauso wichtig sind wie die harten. Das ist die Frage der persönlichen Überzeugungen, Einstellungen, dass Familienethos genauso wichtig ist wie die Familienpolitik.
Müller: Haben Kinder in unserer Gesellschaft physisch wie mental zu wenig Platz?
Huber: Das ist ja eine generelle Aussage. Es spreizen sich die Lebenssituationen für Kinder, wie sich die Lebenssituationen in unserer Gesellschaft überhaupt spreizen. Es gibt Quartiere auch in Berlin; da haben Kinder auch zu wenig Platz, sich zu entfalten. Es gibt andere; da ist das durchaus ausreichend. Es gibt Familien, die Kindern Raum geben und sie fördern, und es gibt andere Familien, in denen ist es sehr eng. Der Bundeskanzler hat in seiner Rede auch darauf hingewiesen, dass deswegen in vielen Fällen auch die Erziehungsaufgaben im öffentlichen Raum, in der Schule insbesondere viel stärker wahrgenommen werden müssen, als das früher vielleicht der Fall war. Es bleibt natürlich dabei, dass die Familie eine vorrangige Erziehungsaufgabe hat, aber man kann nicht zuschauen und die Hände in den Schoß legen, wenn man feststellt, dass diese Erziehungsaufgabe in der Familie nicht wahrgenommen wird. Es kann auch nicht dabei bleiben, dass Bildungsferne und deswegen auch Armut sich in Deutschland in so hohem Maße vererbt, wie das gegenwärtig der Fall ist.
Müller: Liegt es auch, Herr Huber, ein wenig daran, dass Kindererziehung und überhaupt das Kind mehr als Privatangelegenheit angesehen wird denn als gesellschaftliches Anliegen auch?
Huber: Das wirkt beides zusammen. Auf der einen Seite wird das Kind als Privatangelegenheit angesehen und zum anderen haben wir in Deutschland weithin ein verengtes Bildungsverständnis, dass das Vermitteln von Wissen, die Vermittlung von Fertigkeiten als die eigentliche Bildungsaufgabe angesehen wird und die Vermittlung von Orientierungswissen, die Hilfe dazu, sich in seiner Welt zu orientieren, auch die Vermittlung von ethischen und religiösen Grundhaltungen und Grundkenntnissen, nicht in dem nötigen Umfang als Aufgabe der Schule anerkannt wird.
Müller: Herr Huber, vielleicht haben Sie mir jetzt ganz bewusst dieses Stichwort gegeben. Sie haben von Ethik geredet, von Werten im Rahmen des Bildungskontextes. In Berlin versucht man das jetzt etwas zu verändern und bietet eine Werteunterricht an. Das hört sich aber so an, als könnten Sie ganz gut damit leben?
Huber: Werteunterricht ist ganz gut. Sowohl Religion als auch Ethik sollten so angeboten werden in der Schule, dass jede Schülerin und jeder Schüler ein Unterrichtsfach in diesem Feld auch tatsächlich belegt und besucht, was bisher gerade in Berlin nicht der Fall ist. Aber es kann nicht so gelöst werden, dass der Staat sich dabei einbildet, dass er selber über die Werte verfügt, dass er sie selber hervorbringt, dass er sie bestimmt. Das ist der Fehler, der im Augenblick in Berlin passiert. Wenn ein Wertefach für alle ohne Abmeldemöglichkeit eingeführt wird, wodurch de facto der Religionsunterricht verdrängt würde, auch wenn die Regierenden das Gegenteil behaupten. Deswegen war es sehr bemerkenswert, dass der Bundeskanzler gestern in seiner familienpolitischen Rede diesem Thema ausdrücklich einen Absatz gewidmet hat und mit großer Klarheit gesagt hat, er trete für ein Konzept ein, das den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise ihren Eltern die Möglichkeit gibt, zwischen unterschiedlichen Angeboten zu wählen. Das schließt ja nicht aus, dass die Lerngruppen, die so zu Stande kommen, an bestimmten Projekten dann kooperieren. Wir haben für Berlin schon lange eine Konzeption dafür ausgearbeitet, immer wieder vorgetragen und es fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass die beiden regierenden Parteien in Berlin diesen Vorschlag einfach vom Tisch geschmissen haben.
Müller: Berlin ist nicht gottlos, war ja gestern in einer Boulevard-Zeitung zu lesen. Herr Huber, wenn wir noch einmal das Thema auf eine andere Ebene bringen: Sie sind dennoch für die saubere Trennung von Kirche und Staat?
Huber: Ich bin für die wechselseitige Unabhängigkeit von Kirche und Staat. Das schließt aber ein, dass beide an den Fragen kooperieren, für die sie beide Verantwortung haben. Der Religionsunterricht in der Schule gehört dazu. Es ist der klassische Fall einer gemeinsamen Angelegenheit von Kirche und Staat. Deswegen kann da nicht an den Kirchen vorbei einfach etwas gemacht werden, was gegen die Religionsneutralität des Staates in ganz klarer Weise verstößt.
Müller: Bischof Wolfgang Huber war das, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche Deutschlands. Vielen Dank für das Gespräch!
Huber: Ich bedanke mich auch sehr.