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Beim Wahlkampf wird es darum gehen, wer kompetenter, nicht wer medienwirksamer ist

    Gerner: Rund drei Wochen nach seiner Nominierung als Kanzlerkandidat läutet CSU-Chef Edmund Stoiber heute den Wahlkampf an der Unionsbasis ein: das ganze im Frankfurter Kongress-Center. Angela Merkel wird mit von der Partie sein. Das Bild der Einigkeit der beiden Parteien ist das eine; das andere ist, dass mit dem Bundeskanzler letztendlich eine Person gewählt wird, und deren Präsenz und Darstellung in den Medien will geplant, ja eingefädelt sein. Für diese Aufgabe hat Edmund Stoiber Michael Spreng engagiert, elf Jahre lang Chefredakteur bei "Bild am Sonntag" und jetzt Stoibers Wahlkampf-Manager. Er ist bei uns am Telefon. Ich grüße Sie herzlich!

    Spreng: Guten Morgen!

    Gerner: Herr Spreng, Edmund Stoiber und Angela Merkel treten heute wie gesagt gemeinsam auf. Noch haben die beiden Parteien aber kein gemeinsames Wahlprogramm. Ein Manko?

    Spreng: Nein, das sehe ich nicht so. Wir sind in einer Frühphase des Wahlkampfes. Der hat ja noch gar nicht richtig begonnen. Da muss man das auch nicht überstürzen. Bis zum 6. März - dann ist eine Sitzung des CDU/CSU-Präsidiums - wird das Wahlprogramm schon deutlich weiter sein und dann wird das auch der Öffentlichkeit im Laufe der Wochen darauf präsentiert werden. Ich glaube, das ist auch der richtige Zeitplan. Das sind ja zwei Parteien, die sehr selbständig sind und die auch zum Teil unterschiedliche Beschlüsse haben. Das soll ja zu einem einheitlichen Gerüst gebracht werden und dafür braucht man natürlich auch Zeit.

    Gerner: Ich frage das deshalb, weil Sie im Zeichen von Irritationen, will ich es einmal nennen, in dieses neue Amt gekommen sind. Da gab es in der vergangenen Woche ein Hü und Hott bei CDU und CSU über das Vorziehen der Steuerreform. Sind diese Probleme behoben?

    Spreng: Diese Situation kann es immer einmal geben. Es sind ja sehr lebendige Parteien. Aber ich glaube, die sind behoben. Es hat ja auch seitdem einen sehr einigen Chor der CDU/CSU gegeben und ich glaube, da herrscht große Geschlossenheit, wobei ich aber betonen muss, ich bin kein Sprecher der CDU/CSU und bin auch nicht für deren Parteitagsbeschlüsse und für das Wahlprogramm zuständig, sondern ich bin zuständig dafür, den Kanzlerkandidaten in der Öffentlichkeit zu präsentieren und intern zu beraten. Ich will mir auch nicht anmaßen, jetzt für die CDU/CSU zu sprechen.

    Gerner: Da ist ja beim Stichwort Image das Wort des Kompetenzkandidaten, als der Edmund Stoiber präsentiert werden soll, aufgetaucht. Ist das ein Ausweichen vor Gerhard Schröder als Medienkandidaten, den man dort auf diesem Gebiet nicht übertreffen kann?

    Spreng: Nein, ich sehe darin kein Ausweichen, denn das A und O des gesamten Wahlkampfes ist, wen die Wähler für kompetenter halten, die Probleme des Landes zu lösen und die sind ja wahrhaft groß genug. Wenn die Wähler den Eindruck bekommen, wie ich finde zurecht - und die Umfragen zeigen es ja auch -, dass Edmund Stoiber in den zentralen Bereichen Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Finanzpolitik kompetenter ist als der amtierende Bundeskanzler, dann muss ich sagen ist das ein großer Erfolg und ist das ein Grundstein für einen möglichen Wahlerfolg. Das ist viel, viel wichtiger als vorübergehende Schwankungen in der Fernsehpräsenz oder eine Sendung, die nicht optimal läuft. Für die Wähler ist das entscheidende, wer löst die Probleme des Landes besser und nicht wer macht die bessere Figur in allen Fernsehsendungen.

    Gerner: Wenn eine Fernsehsendung nicht optimal läuft, da haben wir alle den Christiansen-Auftritt von Edmund Stoiber noch in Erinnerung. Welche Konsequenzen haben Sie als Team daraus gezogen, ohne aus dem Nähkästchen zu plaudern?

    Spreng: Natürlich haben wir das intensiv beraten und haben auch dann für den nächsten Fernsehauftritt natürlich mit Herrn Stoiber darüber diskutiert, der aus meiner Sicht ja auch sehr gut gelaufen ist. Das war das "was nun" im ZDF. Genauso ist sehr wichtig, heute Abend die Auftaktveranstaltung des Wahlkampfes, denn jede Form der massiven öffentlichen Präsenz, sei es in einer populären Fernsehsendung oder sei es bei einer großen Rede, wird natürlich aufmerksam beobachtet, wie Stoiber weiter öffentlich auftritt. Uns ist die Brisanz und die Bedeutung schon bewusst.

    Gerner: Sie haben in einem Interview gesagt, Stoiber sei kein Show-Typ. Das sei eine Schwäche, aber in diesem Wahlkampf wird es seine Stärke sein. Was meinen Sie? Wollen Sie die Gesetzmäßigkeiten der Mediengesellschaft, auch die Veramerikanisierung des deutschen Wahlkampfes außer Kraft setzen?

    Spreng: Nein, das kann ich nicht. Damit würde ich mich auch übernehmen. Es ist aber schon wichtig, von Zeit zu Zeit den Wahlkampf auf den wahren Kern zurückzuführen. Es ist ja kein Schönheitswettbewerb und kein Carsting für einen Showmaster, sondern es geht darum, wer die Probleme des Landes löst und wem die Wähler zutrauen, dass er sich darum ernsthaft bemüht und um die Lösungen ringt und wer der kompetentere ist. Dies ist der Kern. Die zweite Frage ist erst, wie der Kandidat diese Botschaft in der Öffentlichkeit präsentiert. Aber es kann ja nicht sein, dass die Präsentation am Ende zum Inhalt wird.

    Gerner: Würden Sie trotzdem sagen, dass Gerhard Schröder mit seiner Medienerfahrung, seinem Gespür auch Edmund Stoiber vielleicht ein Stück weit etwas voraus hat?

    Spreng: Ja gut, Gerhard Schröder ist Weltmeister im Flirten mit der Kamera. Das ist gar nicht zu bestreiten. Aber es ist sehr problematisch, wenn ein Bundeskanzler diese Stärke ausspielt, wenn er gleichzeitig bei solchen Auftritten in der Substanz nichts herüberbringt, was die Wähler davon überzeugt, dass er es besser kann als Edmund Stoiber. Insofern kann seine Medienwirksamkeit und seine Fernsehtauglichkeit dann für ihn auch eine Schwäche werden, wenn es nicht gleichzeitig mit der Kompetenz verbunden ist, dass er die Probleme besser lösen kann.

    Gerner: Zu diesem Thema exakt: Edmund Stoiber hat gestern die Bundesregierung kritisiert im Zuge des blauen Briefes, den die Bundesregierung aus Brüssel erhalten hat. Unlängst, vor wenigen Tagen hat Stoiber selbst - Stichwort Senkung der Lohnnebenkosten - vorgeschlagen, die nach dem Maastrichter Vertrag vorgesehene Neuverschuldungsgrenze von maximal drei Prozent in diesem Punkt auszuschöpfen. Wo ist da die Kompetenz, wenn gerade das jetzt einen blauen Brief aus Brüssel erhalten hat?

    Spreng: Da ging es ja nur darum, die Spielräume auszuloten, die es möglicherweise zum Ende des Jahres dann geben wird. Es war eine hypothetische Erörterung.

    Gerner: Aber Brüssel zeigt, dass diese drei Prozent tabu sein müssen und Stoiber redet davon.

    Spreng: Nein, es ist eindeutig so, dass die CDU/CSU gerade ja dabei ist, eine einheitliche Position zu entwickeln, auch was die Frage der Neuverschuldung betrifft. Sie kennen die langfristige Programmatik. Es ging nicht darum, die Neuverschuldung zu erhöhen, sondern er meinte damit es geht darum auszuloten, ob es überhaupt noch Spielräume gibt, mit denen man politisch handlungsfähig ist, falls es zu einem Regierungswechsel kommt.

    Gerner: Herr Spreng, kann man den Wahlkampf, den die CSU zuletzt in den Vorjahren betrieben hat, als Wahlkampf aus der Jauchegrube bezeichnen?

    Spreng: Nein!

    Gerner: Sie wissen, weshalb ich das frage? Ihnen wird dieses Zitat von 98 zugeschrieben, als Sie damals noch als Chefredakteur der "Bild am Sonntag" Gerhard Schröder unterstützt haben sollen.

    Spreng: Das war in einer ganz speziellen Situation. Das war keine grundsätzliche Aussage über den Wahlkampf. Außerdem muss man eines sehen: Ich bin parteiloser und unabhängiger Journalist und war immer bekannt dafür, dass ich auch sehr pointiert und deutlich meine Meinung gesagt und geschrieben habe. Ein Journalist hat alle Parteien zu kritisieren und nicht nur eine. Ich bin ja als Journalist nicht einer Partei verpflichtet oder einer politischen Richtung, sondern ich bin verpflichtet, im Auftrage der Leser Kritik an allem zu üben, was wir als Zeitungsmacher für richtig halten. Heute bin ich natürlich in einer anderen Position.

    Gerner: Sie haben jetzt mit zwei Werbeagenturen auf CDU- und CSU-Seite zu tun. Auch bei den Strukturen zwischen Berlin und München fragen sich Beobachter, inwiefern das reibungslos gehen wird. Wenn jetzt über den Kanzlerkandidaten Stoiber beide Häuser unterschiedliche Plakate vorlegen, entscheiden Sie letztendlich, welches plakatiert wird?

    Spreng: Entscheiden nicht, aber es muss über meinen Tisch gehen. Ich werde meine Meinung dazu sagen. Wenn es einen Konfliktfall geben sollte, wovon ich nicht ausgehe, hat natürlich das letzte Wort der Kanzlerkandidat. Aber die Vorentscheidung auf jeden Fall muss ich treffen, denn es muss ja ein Nadelöhr geben, wodurch alles geht, was speziell den Kanzlerkandidaten betrifft.

    Gerner: Sie haben das SPD-Modell einer Kampa, das heißt einer Organisation außerhalb des Parteiapparates kritisiert. Allerdings hat die SPD nachweislich damit ihren Wahlerfolg zuletzt errungen?

    Spreng: Ich glaube das ist ein Mythos aus dem Jahre 98, der heute noch gepflegt wird, um dadurch gewissermaßen SPD-Wahlkampfführung zu überhöhen und als besonders modern darzustellen.

    Gerner: Es gibt aber kein Negativbeispiel?

    Spreng: Nein, ich sehe es nicht so, denn man sieht ja, dass die Kampa in diesem Jahr einen totalen Fehlstart hatte, als sie versuchte, Edmund Stoiber in die rechte Ecke zu stellen und dafür auch teuere Anzeigen gemacht hat, die hinterher reine Ohrkrepierer waren. Sie haben bisher kein Rezept gefunden, auf Edmund Stoiber zu reagieren und auf seinen Kompetenzvorsprung, und das meine ich auch damit. Die Kampa ist im Augenblick ein ideologischer Kampfverein, wie man das von der SPD eigentlich aus den 80er Jahren kannte.

    Gerner: Herr Spreng, ein CDU-Beobachter hat dieser Tage gesagt, wenn die Konjunktur doch wieder erheblich zulegen sollte im weiteren Verlauf der nächsten Monate, dann gehen Edmund Stoiber einige Argumente und möglicherweise werden sich dann auch die Umfragen wenden. Könnte daran etwas sein?

    Spreng: Erstens können sich die Umfragen noch mehrmals wenden im Laufe dieses Jahres. Da sollte man gar nicht glauben, dass die heutigen Werte endgültige Werte sind. Das kann noch mehrmals für beide Kandidaten hoch und herunter gehen. Ich meine die Bundesregierung und Bundeskanzler Schröder hatten vier Jahre Zeit, die Probleme des Landes zu lösen. Es kommt darauf an, klar zu machen, dass es keine zweite Chance gibt. Vier Jahre sind für einen Regierungschef eine lange Zeit und wenn die Chance vertan wurde, dann ist es die Chance für den nächsten Regierungschef von der Oppositionspartei.

    Gerner: Michael Spreng war das, der Wahlkampf-Manager von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. - Danke Ihnen für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio