Barack Obama wirkte verärgert und dünnhäutig. Immer wieder stellten amerikanische Journalisten auf der Pressekonferenz des G20-Gipfels in Antalya Variationen der immer gleichen Frage: Ob der Präsident das tödliche Potenzial des sogenannten Islamischen Staates nicht vielleicht falsch eingeschätzt habe? Und: Warum es im Kampf gegen den IS keine rechten Fortschritte gebe.
Fast alle Länder der Welt stünden hinter dem Kampf gegen die Terrormiliz des IS, fragte ein CNN-Journalist und entschuldigte sich vorab für seine Wortwahl: "Warum sind wir nicht in der Lage, diese Bastarde auszuschalten?"
Festhalten an der bisherigen Strategie
Dass es ganz so einfach nicht ist, weiß auch der erfahrene CNN-Korrespondent, und dennoch trifft er mit dieser Frage einen Nerv. Obama doziert, belehrt, erklärt, bemüht sich um Geduld, auch wenn ihm anzumerken ist, dass die beharrlichen Nachfragen der Journalisten nach der Anti-IS-Strategie ihm auf die Nerven gehen.
Es werde keine amerikanischen Bodentruppen in größerem Ausmaße geben.
Es werde keine amerikanischen Bodentruppen in größerem Ausmaße geben.
"Wir werden unsere bisherige Strategie intensivieren, aber das ist die Strategie, die wir weiter verfolgen werden. Sie wird Erfolge zeitigen, aber es braucht Zeit dafür."
Also: US-Luftangriffe und amerikanische Ausbilder, ja, aber keine amerikanischen Truppen in Gefechtssituationen.
Doch damit stehen der Präsident und seine Sicherheitsberater zusehends alleine. Immer mehr Experten fordern, militärische Berater direkt bei irakischen und kurdischen Einheiten auf dem Boden einzusetzen. Nur dann könnten sie effektiv Einfluss auf das Kampfgeschehen nehmen.
Unzufriedenheit in den eigenen Reihen
Auch politische Alliierte des Präsidenten sind unzufrieden, so die ranghöchste Demokratin im Geheimdienstausschuss des Senates Dianne Feinstein. Sie bestritt öffentlich die Einschätzung Obamas, der IS sei eingedämmt und gewinne keine Kraft mehr hinzu – das hatte der Präsident noch einen Tag vor den Pariser Anschlägen behauptet.
"Ich bin sehr besorgt. Ich habe die Berichte über den IS alle gelesen. Der IS ist nicht auf dem Rückzug, sondern auf dem Vormarsch."
Ein unverhohlener Angriff auf Obamas Politik, die mittlerweile von vielen als zu zögerlich und ineffektiv wahrgenommen wird. Obama hat immerhin nach Paris den Fehler vermieden, den er zuvor allzu oft gemacht hat: Mit großem rhetorischem Aplomb Versprechen abzugeben, die er dann nicht willens war, einzulösen.
Die Forderung Assad müsse gehen steht seit Jahren im Raum, ohne dass Obama irgendetwas unternommen hätte, um den syrischen Diktator am Abschlachten der Zivilbevölkerung zu hindern, etwa dessen Hubschrauberflotte zerstören, mit denen die berüchtigten Fassbomben abgeworfen werden.
Die "Rote Linie" beim erwiesenen Einsatz von Chemiewaffen wurde von Assad überschritten, ohne dass Obama Konsequenzen zog. Ein 500 Mio Dollar-Trainingsprogramm für sogenannte moderate Rebellen kam zu spät und scheiterte kläglich.
Mehr Militärberater gefordert
Nach den Anschlägen von Paris kam Obama lediglich zu dem Schluss, die bisherige Strategie fortzuführen. Das ist vielen zu wenig, so zum Beispiel dem außenpolitischen Experten der Republikaner im Senat, John McCain.
"Man kann den IS hier bekämpfen oder drüben. Ich würde es lieber drüben tun. Wir brauchen mehr Militärberater und amerikanische Präsenz am Boden, zusammen mit anderen Nationen, um den Islamischen Staat zu zerstören."
Spekulationen über US-russische Kooperation gegen den IS
Eine Bemerkung Obamas am Rande seines Besuches auf den Philippinen befeuerte dann Spekulationen über eine eventuelle Kooperation mit Russland bei der Bekämpfung des IS. Obama lobte Moskaus Haltung während der internationalen Syrien-Konferenz in Wien. Russland habe sich dort als "ein konstruktiver Partner" erwiesen.
Wie eine mögliche Kooperation der USA mit Russland gegen den IS aussehen könnte, blieb aber auch weiterhin unklar. Putin hat militärisch nichts zu bieten, was nicht auch die Anti-IS-Koalition auf die Beine stellen könnte – wenn Obama sich dazu entschließen könnte. Und es liegt auf der Hand, dass Putin eine Kooperation in Syrien als politischen Hebel benutzen würde, um in der Frage der Ukraine-Sanktionen Zugeständnisse des Westens zu erreichen.
Dann bleibt noch die Frage nach Assad. Putin will ihn an der Macht halten. Würde Obama von seiner Forderung abrücken, der syrische Diktator müsse als Voraussetzung eines nachhaltigen Friedens in Syrien abtreten, dann würde dies einer 180-Grad-Wende der amerikanischen Politik gleichkommen. Bislang gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte.
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