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Belastung durch UV-Strahlung
Baubranche diskutiert über Pflichttermin beim Hautarzt

Weißer Hautkrebs gehört neben Lärmschwerhörigkeit zu den am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten in Deutschland. Nun wird darüber gestritten, ob auch Bauarbeiter zur Pflichtvorsorge müssen.

Von Dieter Nürnberger | 16.10.2018
    Magdeburg: Bauarbeiter arbeiten auf einer Großbaustelle in Magdeburg trotz der sengenden Hitze.
    Schon jetzt müssen Bauarbeiter sich im Sommer schützen - ein Pflichttermin beim Arzt gehört nicht dazu (picture alliance/Peter Förster)
    "Ich habe ja 45 Jahre als Zimmermann gearbeitet. Und als wir eine erste Informationsveranstaltung zum hellen Hautkrebs hatten, da war auch ein Dermatologe. Der hat bei mir auf den Kopf geschaut und gesagt, dass ich hellen Hautkrebs habe. Inzwischen musste mir sogar ein kleines Stück vom Ohr entfernt werden, das war schon geschädigt. Deswegen: Eincremen! Nicht nur Gesicht und Arme, auch an die Ohren denken. Die Ohren sind das erste, was da später geschädigt wird."
    Erhard Strobel hat den größten Teil seines Berufslebens im Freien gearbeitet. Der 73-Jährige ist längst Rentner - doch ab und an geht er noch als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Gewerkschaft IG Bau und als "UV-Strahlen-Warner", wie er sagt, auf Baustellen. Strobel will die Kollegen motivieren, auf den Sonnenschutz auf keinen Fall zu verzichten.
    Weißer Hautkrebs wird besonders oft als Berufskrankheit anerkannt
    Seit 2015 sind bestimmte Formen des weißen Hautkrebses als Berufskrankheit anerkannt. Für die Baugewerkschaft ein wichtiger Schritt, denn nur dadurch können später Leistungen der Berufsgenossenschaften, etwa die Übernahme von Heilkosten, in Anspruch genommen werden, sagt Dirk Kuske, stellvertretender Regionalleiter der IG Bau in Berlin-Brandenburg.
    "Das war ein langer Kampf, aber wir haben uns durchgesetzt. Und gerade bei vielen Bauarbeitern anzutreffen, die einige Jahre auf dem Bau gearbeitet haben. Man muss schon - damit eine Berufskrankheit diagnostiziert wird - nachweisen, dass man sie auch während der Arbeitszeit bekommen hat. Wie lange hat man gearbeitet, unter welchen Bedingungen hat man gearbeitet? Das wird schon überprüft."
    Der weiße Hautkrebs gehört heute neben der Lärmschwerhörigkeit zu den am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten in Deutschland, teilt das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit. Ausschlaggebend für die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten ist das Votum des Ausschusses für Arbeitsmedizin, der das Ministerium berät.
    Arbeitgeber finden Pflichtbesuch beim Hautarzt nicht praktikabel
    Im Frühjahr dieses Jahres hat das Expertengremium mehrheitlich neue Vorschläge zur arbeitsmedizinischen Vorsorge gefasst. Demnach soll es künftig eine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung beim Hautarzt geben - für alle Beschäftigten, die regelmäßig einer "besonders intensiven Belastung durch natürliche UV-Strahlung" ausgesetzt sind.
    Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, hält das nicht für praktikabel. Er geht von über 3 Millionen Draußen-Beschäftigten aus. Nicht nur auf dem Bau, beispielsweise auch in der Gastronomie.
    "Die Verordnung, die im Moment als Entwurf auf dem Tisch im Arbeitsministerium liegt, ist so angelegt, dass der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden darf, bis er diese Untersuchung hatte und sie dann auch alle 12 Monate hat. Das heißt, die Arbeitnehmer müssten dann auch so lange freigestellt werden, bis der Arbeitgeber den nächsten Termin auf eigene Kosten organisiert hat. Hier haben wir die große Sorge, dass wir mit der Pflichtvorsorge tatsächlich zu einem gewissen Stillstand auf den Baustellen kommen."
    Felix Pakleppa verweist auf die ohnehin schon langen Wartezeiten bei der Terminvergabe bei Hautärzten. Zudem: Eine Pflichtvorsorgeuntersuchung im Berufsleben gebe es bislang nur dort, wo der Arbeitgeber das gesundheitliche Risiko alleine verursache. Etwa bei Laborbeschäftigten, die mit Viren in Kontakt kommen, argumentiert der Zentralverband des Baugewerbes. UV-Strahlung sei jedoch ein allgemeines Lebensrisiko.
    "Ob sich jetzt jemand den Hautkrebs in den Sommerferien durch Nicht-Eincremen geholt hat, oder etwa aufgrund der Sonneneinstrahlung während der Arbeitszeit - das lässt sich im Nachhinein nicht festlegen."
    Bauarbeiter bekommen Sonnenbrille, Helme und Sonnencreme
    Auch bisher schon können Bauarbeiter auf Wunsch einen Hautarzt aufsuchen, aber eben nicht verpflichtend. Und in Punkto Vorsorge sei in den vergangenen Jahren schon viel passiert - Arbeitgeber stellten die Sonnencreme für die Bauarbeiter, es gebe Helme mit Sonnenbrille und Nackenschutz, ebenso spezielle UV-Strahlen-abweisende langärmlige Oberteile. Viele dieser Präventionsmaßnahmen wurden zusammen mit der Gewerkschaft ausgehandelt. IG-Bau-Regionalleiter Dirk Kuske:
    "Da gibt es solche und solche Arbeitgeber: Es gibt welche, da läuft es hervorragend. Wo die Bauleitung und die Poliere darauf achten, dass viel getrunken wird, das Pausen gemacht werden. Dass sogar im Sommer die Arbeitszeit früher beendet wird, weil die Temperaturen so hoch sind. Es gibt natürlich auch kleinere Firmen, wo eben halt nicht so viel läuft."
    Immerhin hat die Gewerkschaft ein Umdenken festgestellt. Früher wurde häufig mit nacktem Oberkörper auf den Baustellen gearbeitet - heute wohl eher die Ausnahme. Laut Zahlen der Deutschen Krebshilfe erkranken jedes Jahr rund 200.000 Menschen an Hautkrebs. Tendenz steigend.
    Über den umstrittenen Vorschlag künftig verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen beim Hautarzt einzuführen, will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den kommenden Wochen entscheiden.