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Ben Hur-Remake
Blockbuster-Flop ohne Seele

Knapp vier Stunden lang war "Ben Hur" 1959. Das Remake, das diese Woche in den Kinos startet, hat "nur" eine Laufzeit von 140 Minuten, war aber in den USA wie andere Sommer-Blockbuster ein Flop. Kommt das Kino der großen Budgets in die Krise? Oder ist "Ben Hur" von 2016 einfach nur ein wenig überzeugender Film?

Von Hartwig Tegeler | 30.08.2016
    Judah Ben Hur (Jack Huston) und der weise Scheich Ilderim (Morgan Freeman) in dem Blockbuster "Ben Hur"
    Judah Ben Hur (Jack Huston, l.) und der weise Scheich Ilderim (Morgan Freeman) in "Ben Hur". (Imago / Zuma Press)
    "Wie ist dein Name?"
    "Ben Hur."
    Gleich am Anfang in dieser neuen Version von "Ben Hur" das legendäre Wagenrennen beziehungsweise der Teaser-Dialog zwischen dem Römer Messala und dem Juden Ben Hur:
    "Du hättest nicht kommen sollen."
    "Du hättest mich töten sollen."
    Dann das Signal, und das Rennen beginnt. Und dann erzählt uns Regisseur Timur Bekmambetow in seinem "Ben Hur"-Film in einer Rückblende die dramatische Geschichte des jüdischen Aristokraten - gespielt von Jack Huston - und seines Adoptivbruders Messala, einem geborenen Römer - gespielt von Toby Kebbell -, erzählt von der Zwietracht zwischen ihnen, der Galeeren-Zeit von Ben Hur. Wir erleben seine Rückkehr nach Jerusalem und den Showdown beim Wagenrennen, für das Morgan Freeman als weiser Mentor Scheich Ilderim die Parole ausgibt:
    "Es gibt einen Weg. Besiege deinen Bruder in der Arena, dann bekommst du deine Rache."
    Der Blockbuster setzt auf Action
    Doch da die "Ben Hur"-Geschichte, 1880 von Lew Wallace geschrieben, zur Zeit von Jesus spielt, gibt es auch noch eine Menge Kreuzerbauung - inklusive christlicher Versöhnung. Soweit den meisten Zuschauern bekannt, zumindest den Älteren. Aber warum nicht für die Jüngeren das legendäre Wagenrennen aus der 1959-Verfilmung mit neuesten Kino-Mitteln aus dem Computer neu auflegen? Zu behaupten, dass eher die "Ben Hur"-Action denn die christliche Versöhnungsbotschaft den zeitgenössischen Sommer-Blockbuster-Zuschauer ins Kino lockt, das ist wohl eher realistisch.
    Nun, fast sechs Jahrzehnte in die Vergangenheit:
    "So nah beisammen."
    "In jeder Weise."
    "Das hoffe ich."
    "Ich auch."
    Woran es dem aktuellen im Gegensatz zum alten "Ben Hur"-Film von 1959 im Kern mangelt, wird deutlich bei einem Blick in das Bonus-Material der herausragenden Warner-Brothers-DVD-Edition des Klassikers. Die "Ben-Hur"-Entstehungsgeschichte: Der Dreh in Rom 1957 sollte beginnen, aber nach 40 Versionen gab es immer noch kein Skript, mit der Regisseur William Wyler zufrieden war. Man fragte den Schriftsteller Gore Vidal, ob er bereit sei, den Film neu zu schreiben.
    "Ich sterbe lieber", erzählt der auf der DVD, "das hier ist ein Haufen Schrott". Dann aber machte sich Vidal doch an ein neues Drehbuch. "Bald hatte ich 10 Versionen der Anfangsszene, wo die zwei Jungs sich treffen", erinnert er sich. "Nur funktionierte es nicht! Ich sagte also zu William Wyler: Lass uns einen Streit unter Liebenden inszenieren. Ben Hur und Messala hatten früher eine schwule Beziehung. Der Römer will sie fortsetzen, aber Ben Hur nicht." - "Das ist Ben Hur, das kannst du nicht machen."
    "Messala, ich flehe dich an."
    "Umsonst! Auch ich habe dich angefleht. Die Schuld liegt allein bei dir, für das, was geschieht."
    Dann aber überzeugte Gore Vidal 1957 der Regisseur Wyler aber mit einem schlagkräftigen Argument: 'Ohne so eine emotionale Geschichte aber ist das alles nichts anderes als ein motivloses Chaos'. Und Wyler meinte nur: 'Du darfst es aber nicht offen sagen!'
    Mit dieser Exposition einer tragisch homoerotischen Beziehung zwischen Ben Hur und Messala in der '59er-Version verlieh Gore Vidal dem knapp vierstündigen Film eine emotionale Spannung und Tiefe, die die Zuschauer, wissend oder nicht wissend um den Grund für ihr Gefangensein, in den Bann schlug.
    "Heute ist der Tag, Juda, heute wird sich alles entscheiden."
    "Ja, heute ist der Tag."
    Alles wirkt steril zusammengeschustert
    Die Anekdote von Gore Vidal macht aber im Kern deutlich, warum die "Ben Hur"-Version von Regisseur Timur Bekmambetow systematisch gescheitert ist. Und in ihrem Scheitern zahlreichen Sommer-Blockbustern von 2016 wie "Ghostbusters" oder dem aktuellen Realfilm-"Tarzan" folgt. Kino ist wohl bigger than life, ja, Kino lebt von Schauwerten, ja, aber das Kino stirbt, wenn die Schauwerte nicht auf einem untergründigen emotionalen Strom einer Geschichte ihre Wirkung entfalten können. Bei Timur Bekmambetow sind alle Bestandteile des "Ben Hur"-Stoffes wohl da, das Wagenrennen solide inszeniert. Aber das Alles wirkt eben auch steril zusammengeschustert. Das "motivlose Chaos", vor dem Gore Vidal warnte, im Remake von 2016 hat es "Ben Hur" quasi übernommen und lässt einen schön aussehenden, aber seelenlosen Ausstattungs-Film zurück. Und die Homoerotik? In dieser aktuellen "Ben Hur"-Version sind Judah Ben Hur und Messala nicht schwul. Nicht in jeder Generation von Autoren findet sich einer wie Gore Vidal, der uns intelligent, respektlos und spannend etwas unterjubelt. Am Ende, wie gesagt, im Jahre des Herren 2016, sind die feindlichen Brüder versöhnt. Und so reiten Judah Ben Hur, nun konvertierter Christ, mit Messala inklusive weiblichem Anhang in den Sonnenuntergang. So, dass man peinlich berührt wegschauen möchte. "Ben Hur" von 1959 ist im Gegensatz dazu faszinierendes Kino.