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Benzinpreise

Ensminger: Für viele hieß es gestern, zu Pfingsten in den Stau. Die Autobahnen waren dicht. Zähes Vorwärtskommen auf 100 Kilometern Autobahnen in Bayern, und das alles bei herrlichstem Sonnenschein. Weiteres Ärgernis sicherlich die doch hohen Benzinpreise. Der Blick auf die sinkende Tanknadel hat wahrscheinlich wenig Vergnügen bereitet, und das, obwohl doch die Preise kurz vor den Pfingsttagen gar keine äußerliche Bewegungen gezeigt haben sollen - das erklärten jedenfalls die Ölunternehmen. Na ja, in Berlin zumindest hat die Verbraucherzentrale andere Beobachtungen gemacht: Der Preis für den Liter Kraftstoff in der Bundeshauptstadt sei um etwa drei Cent im Durchschnitt gestiegen. Am Telefon ist der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland VCD, Gerd Lottsiepen. Guten Morgen.

    Lottsiepen: Was ist denn Ihre Beobachtung? Sind die Preise nach oben gegangen?

    Ensminger: Das lässt sich eindeutig für die ganze Republik wohl noch nicht feststellen. Da wird man wahrscheinlich bis kurz nach Pfingsten warten müssen. Wir hatten aber zum Beispiel Ostern eindeutig diese Steigerung, und das war ein Zusatzprofit. Ein kleiner mal eben mitgenommener Zusatzprofit für die Ölgesellschaften in der Größenordnung von - sagen wir mal - 70 Millionen Euro.

    Ensminger: Als Verkehrsclub, der das Prinzip verfolgt, ökologisch mobil, müsste es Sie doch eigentlich freuen - teurerer Sprit, weniger Autofahrten -, oder?

    Lottsiepen: Also, uns freut es natürlich nicht, wenn der Benzinpreis steigt und der einzige Effekt davon ist, dass sich einige Ölmultis die Taschen füllen. Wir sind durchaus für die Ökosteuer und wir sind dafür, dass Benzin nicht zu billig ist, weil der Stoff knapp ist. Der Stoff soll noch lange reichen, und wir wissen alle, dass jeder verbrannte Liter Benzin zum Treibhauseffekt beiträgt. Wir wollen sehr sparsamen Umgang mit dem Benzin und das erreichen wir nur, wenn wir angemessene Preise haben. Das heißt aber auch, vernünftige Preise. Große Preissprünge nach oben oder nach unten bringen nichts. Die Ökosteuer ist da ein durchaus sinnvolles, richtiges Instrument.

    Ensminger: Das heißt, Sie unterscheiden zwischen dem Profit der Ölunternehmen und den Einnahmen beispielsweise für den Staatssäckel?

    Lottsiepen: Ja. Wenn man sich zum Beispiel die Preissprünge, die wir oft innerhalb von einer Woche hatten, ansieht: Ostern war es ja ganz eindeutig - da hatten wir Preissprünge mal eben um 4 Cent hatten. Die Ökosteuer macht gerade mal 3 Prozent aus. Wie viel Aufregung gab es um die Ökosteuer und wie wenig Aufregung gab es für diese Preissteigerung, die teilweise auch nicht so richtig erklärt werden. Und auch der Verweis, den die Ölgesellschaften immer zu den Spotmärkten in Rotterdam bringen, der hinkt ein wenig, weil die Ölmärkte in Rotterdam überwiegend von den großen Ölmultis bedient werden. Also ESSO verdient beim Verkauf an die Spotmärkte in Rotterdam und verdient dann wieder an den Tankstellen. Also, egal wo der Preis erhöht wird: ESSO und ein paar andere große verdienen immer.

    Ensminger: Welche Forderungen hätten Sie denn dann an die Politiker? Wie kann man Preiserhöhungen vor längeren Wochenenden, vor Ferienbeginn verhindern?

    Lottsiepen: Also, man kann es verhindern, indem das Kartellamt gestärkt wird und mehr Personal und Mittel hat, nachzuschauen, zu untersuchen, ob dort Absprachen getätigt werden, die nicht erlaubt sind.

    Ensminger: Kurt Bodewig hat es vor Ostern ja eigentlich angekündigt und dann ist doch nichts passiert. Wie kann man da Druck ausüben, auch von Seiten des VCDs?

    Lottsiepen: Da müssten die Verbraucherverbände, wie der VCD, und noch einige andere, immer wieder Druck und Kritik ausüben, dass sie dort handelt. Die Politik ist in dem Zwang zu sparen, aber manchmal spart man an der falschen Stelle und kann durch Investitionen eben nachher auch was erreichen. Und das sehen wir durchaus so an diesem Punkt.

    Ensminger: Wenn man sich die gestrigen Verkehrsberichte anhört, dann haben sich weniger von den hohen Spritpreisen abschrecken lassen, falls sie denn so hoch waren, wie wir vermuten. Die Autobahnen waren verstopft, also gibt es diesen Zusammenhang, teurer Sprit, weniger Verkehr, zumindest an langen Wochenende doch wohl nicht?

    Lottsiepen: Diesen Zusammenhang gibt es natürlich über ganz andere Zeitabläufe. Wenn man sich jetzt seit zwei oder drei Wochen vorgenommen hat, dieses schöne Wetter für einen Kurzurlaub zu nutzen, wird man sich nicht davon abbringen lassen, wenn der Benzinpreis dann gerade mal um zwei oder drei Prozent höher ist. Man kann auch durch eine andere Fahrweise, durch ein bisschen langsamer auf der Autobahn fahren diese zwei oder drei Prozent ausgleichen. Was aber durchaus über längere Zeiträume zu beobachten ist, das dann, wenn der Benzinpreis relativ hoch ist, beim Neuwagenkauf Fahrzeuge gekauft werden, die einen relativ geringen Verbrauch haben. Umgekehrt auch: Wir hatten das ja alles in den 90er Jahren, wo der Preis einmal relativ hoch war und dann total in den Keller ging und wieder in dem Bereich von 1 DM war - damals hatten wir ja noch die Mark -, dass auf einmal wieder Autos gekauft wurden, die einen sehr hohen Verbrauch hatten. Also, da sieht man, dass da durchaus ein Zusammenhang besteht, und langfristig ist klar: Wenn wir den Treibhauseffekt stoppen wollen und noch lange mit dem Öl leben wollen, müssen wir auch über die Preisschraube diskutieren.

    Ensminger: Was wäre denn die Alternative zum Stau, zum Autoverkehr, vor allem für Familien, die ja auch auf die Kosten schauen müssen und die vergleichsweise teuere Bahnen an solchen Feiertagen eben für solche Kurzausflüge auch scheuen?

    Lottsiepen: Die Tipps sind nicht neu: Es gibt ja inzwischen auch bei der Bahn - und das wird sich im nächsten Jahr auch noch einmal weiter ändern - durchaus Angebote, die recht familienfreundlich sind. Also, man kann die Bahn benutzen. Aber auch da brauchen wir uns nichts vorzumachen. An einem Freitagnachmittag vor einem langen Wochenende ist die Bahn voll und die Autobahnen sind voll. Die Tipps, die man da geben kann, ist zu versuchen - wir haben ja heute alle flexible Arbeitszeiten -, dass sich das weiter entzerrt, dass man vielleicht schon diesen Freitag, den gestrigen Freitag frei nimmt und am Donnerstag fährt. Egal ob man jetzt mit der Bahn oder mit dem Auto fährt, sitzt man dann auf jeden Fall besser.

    Ensminger: Das heißt, was würden Sie für den Rückreiseverkehr, damit man da nicht im Stau steht, empfehlen?

    Lottsiepen: Für den Rückreiseverkehr gilt das Gleiche: Am Sonntagnachmittag sind die Autobahnen voll und am Sonntagnachmittag sind die Züge voll. Da führt überhaupt kein Weg dran vorbei. Als Zugfahrer kommt man dann immerhin noch pünktlich an, als Autofahrer muss man einige Zeit einrechnen, die man im Stau steht. Die Empfehlung ist das Gleiche: Wenn man es irgendwie vermeiden kann, am Sonntagnachmittag zurückzufahren, also entweder früher, schon am Sonntagvormittag, oder, was immer besser ist, dass man den Kurzurlaub ein bisschen - um einen Tag - verlängert, dass man dann eben erst am nächsten Tag fährt.

    Ensminger: Vielen Dank, Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. Zu Pfingsten in den Stau war unser Thema. Danke.