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Berlin
East Side Gallery bekommt "antitouristischen" Schutzwall

Sie ist die längste Open-Air-Galerie der Welt und damit eines der Wahrzeichen Berlins: die East Side Gallery. Bis zu drei Millionen Besucher zieht sie im Jahr an. Aber einige von ihnen schauen sie nicht nur an, sondern hinterlassen Botschaften oder beschädigen die Mauerstücke. Dem zuständigen Berliner Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg wurde es jetzt zu bunt.

Von Wolf-Sören Treusch | 09.11.2015
    Die East Side Gallery in Berlin
    Die East Side Gallery in Berlin (imago / Jochen Tack)
    "Diese Tags gab es ja immer schon: 'I was here'. Oder was auch immer sie geschrieben haben. Kleinere Sachen. Aber dass ganze Bilder zugemalt worden sind, versprüht worden sind, das gab es vorher nicht. Und das hat massiv zugenommen."
    Adalbert Maria Klees ist wütend, richtig wütend. Seit drei Wochen wird die East Side Gallery gereinigt, das erste Mal wieder seit 2012, Kostenpunkt 230.000 Euro – doch die Arbeiten gleichen einem Kampf gegen Windmühlen.
    "Diese Bilder waren letzte Woche noch schön sauber, gereinigt, und jetzt sind sie wieder voll zugetagt. Das ist eigentlich ein unerträglicher Zustand, den ich leider jeden Tag erleben muss."
    Damit sie nicht gleich wieder beschmiert wird, hat der Bezirk nun einen zwei Meter hohen Bauzaun vor der East Side Gallery errichten lassen. Die Mauer ist Teil einer Grünanlage im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Adalbert Maria Klees ist Technischer Leiter des Grünflächenamts und damit zuständig für den Schutz des Denkmals. Der Vandalismus nimmt zu, sagt er.
    "Ich habe gehört, dass es im Internet mittlerweile kundgetan wurde, dass man zur Mauer kommen kann, also ein Gerücht ist entstanden im Internet: 'Du kannst zur East Side Gallery kommen, du kannst hier Graffitis machen, du kannst deine Tags hinterlassen, das ist erlaubt, das darf man tun'. Manche kommen mit 10, 15 Spraydosen an und fangen dann an, am helllichten Tag die Mauer zu besprühen."
    Vor ein paar Tagen erst habe er zwei Touristinnen aus Japan und den USA auf frischer Tat ertappt. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige! Deshalb nun also der Bauzaun. Etwas ungelenk schiebt eine junge Frau ihr Smartphone durchs Gitter. Ganz schön schwierig, ein schönes Foto zu schießen.
    Ein Jugendlicher im Sprung über der Berliner Mauer. Jugendliche treten am 09.11.2014 in Berlin an der East Side Gallery in einer Vorstellung des Cabuwazi Zirkus und der Hochseilgruppe Geschwister Weisheit mit dem Titel "Zirkus berwindet Grenzen" auf.
    Ein Jugendlicher im Sprung über der Berliner Mauer. (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    "Ja, ist es schon. Ich glaube, das letzte Mal, das ich hier war, war das nicht hier oder?"
    Sie zeigt Verständnis für den Zaun, auch andere Besucher finden, dass etwas geschehen musste.
    "Ich denke mal, das macht Sinn. Ja, dass net die schönen Bilder, die da gemalt wurden, von irgendjemandem wieder zerstört werden."
    "Schade, dass man den Zaun braucht."
    "Ja. Aber macht Sinn, meiner Meinung nach."
    Richtig so, sagt auch dieser Besucher aus Schweden, gibt aber zu bedenken, dass noch eine Menge Arbeit auf die Reiniger zukommt.
    Der Mitarbeiter der Reinigungsfirma, der die Mauerteile von den Schmierereien befreit, sieht es eher gelassen. Mit einem einfachen Schwamm schrubbt er die Mauer sauber. Hochdruckreiniger oder chemische Putzmittel sind verboten. Ein Knochenjob. Frustriert es ihn nicht, wenn täglich neue Kritzeleien dazu kommen?
    "Ja, ein bisschen schon, na ja klar, weil man hier nun den ganzen Tag dran hängt, und dann läuft man abends wieder zum Auto zurück, und dann ist da schon wieder was."
    Dank einer speziellen Versiegelung, die 2009 aufgebracht wurde, ist es zwar inzwischen einfacher geworden, die Mauer zu säubern. Aber gegen die zahlreichen Kratzer können auch die Reiniger nichts machen. Adalbert Maria Klees vom Grünflächenamt ist verzweifelt.
    "Das sind eigentlich die schlimmsten Schäden, die es gibt: Wenn die Menschen kommen mit ihren Kugelschreibern, mit Steinen, mit Schlüsselbunden, und ritzen dann durch die Haut hindurch, durch die Graffitihaut hindurch und zerstören dann damit das Bild. Feuchtigkeit dringt in die Ritzen ein und läuft dann hinter die Graffitihaut und zerstört damit das ganze Bild. Und dann geht die Mauer dem Ende zu."
    So weit darf es nicht kommen, deshalb der provisorische Bauzaun. Der Bezirk hat nun beschlossen, eine dauerhafte Barriere zu errichten.
    "Barriere klingt jetzt sehr hochtrabend, ich denke, es geht darauf hinaus, dass wir ein Geländer vor der Mauer errichten werden, ziemlich transparent, damit die Bilder nach wie vor noch zur Geltung kommen, weil: wir wollen die Bilder jetzt nicht hinter einem Zaun verstecken oder hinter einer großen Barriere."
    80 Zentimeter hoch soll das Geländer werden, Abstand zur Mauer: 1 Meter 30. Eine Art "antitouristischer" Schutzwall, mit Hinweisschildern in vielen Sprachen zum Denkmal-Status der East Side Gallery. 150.000 Euro wird das Geländer kosten. Klar ist aber auch: Mehr als eine symbolische Barriere wird es kaum sein.
    "Also ich möchte den nicht haben, ich muss es immer wieder sagen. Ich finde es grauslich. Einen Zaun vor der Mauer aufzustellen, aber wenn es die Menschen nicht anders lernen, dann muss man halt diesen schlimmen Weg gehen."