Simon: 'Augen zu und durch' - frei nach diesem Motto reagiert die große Koalition in Berlin auf die jüngste Krise, die Bankenkrise. Sie zieht das tiefverschuldete Berlin weiter in den Schuldensumpf. Bislang vergeblich fordert die Opposition den Rücktritt des Senats und Neuwahlen. Am Telefon begrüße ich Günter, den Landesvorsitzenden der FDP. Guten Morgen.
Rexrodt: Guten Morgen.
Simon: Herr Rexrodt, wieso fordern Sie, die Grünen und die PDS Neuwahlen? Würde es nicht reichen, wenn die zuständigen Politiker allein ihren Hut nehmen?
Rexrodt: Völlig richtig. Wenn sie die Größe hätten, ihren Hut nähmen und gingen und das Mandat zurückgäben, dann wäre alles erledigt und wir brauchten nicht diese Riesenanstrengung, den Kraftakt machen mit dem Volksbegehren. Aber offensichtlich tut das niemand, und unter der Überschrift ‚Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung' bleiben da CDU und SPD sitzen in den Positionen.
Simon: Wer sagt Ihnen denn - wenn Sie durchkommen mit dem Volksentscheid -, wer sagt Ihnen denn, dass die Berliner nicht wieder so wählen wie bisher, so dass es auch nur wieder zu einer großen Koalition reicht?
Rexrodt: Das sagen Ihnen der Mann und die Frau auf der Straße; die haben die ‚Schnauze voll'. Das war vor 6 Wochen - bevor Landowsky zurücktrat - noch anders. Da spielte bei den Berlinern sehr stark eine Rolle: Was wird denn, wenn wir Neuwahlen haben? Aber das Fass ist zum Überlaufen gekommen. Die Berliner wollen nur noch eines: Das ist eine andere Parteienkonstellation und das sind andere Gesichter, die die Stadt regieren. Und das ist auch das vornehmliche Ziel meiner Partei. So kann es nicht gehen, es kann nur besser kommen.
Simon: Mit wem wollte die FDP denn - vorausgesetzt, die FDP kommt wieder ins Abgeordnetenhaus - überhaupt zusammenarbeiten? Die Großen sind ja dann nach Ihrem Verständnis kompromittiert.
Rexrodt: Nun, zunächst einmal wollen und werden wir als eine starke politische Kraft ins Abgeordnetenhaus nach langen Jahren zurückkehren. Wir haben Rückenwind überall, und wir wollen eine politische Situation in der Stadt, wo an den Liberalen nichts vorbeigeht. Das andere wird sich finden. Wir können nicht vorher Koalitionsüberlegungen oder Gespräche machen; wir möchten einen politischen Wechsel, eine politische Wende in Berlin.
Simon: Um den Senat derzeit abzulösen - Stichwort ‚Politische Wende' -, kämpfen Sie ja Seite an Seite zur Zeit mit den Grünen und der PDS. Könnten Sie sich vorstellen, auch eine ganz bunte Koalition in Berlin zu machen?
Rexrodt: Ach wissen Sie, wir sind ja schon wieder bei den Koalitionsspekulationen. Jetzt ist wirklich eine Unzeit dafür. Außerdem treten wir mit der PDS und mit den Grünen für Neuwahlen ein. Wir sind deshalb nicht politisch identisch oder politisch nahe in Sachfragen. Ich habe das ja so gemacht, dass ich vorgeschlagen habe, ein Gremium parteiunabhängiger Persönlichkeiten damit zu betreuen - oder diese werden gewissermaßen Träger des Volksbegehrens. Und alle drei Parteien haben sich diesem Vorschlag unterworfen. Insofern ist Nähe da in dieser Frage - und doch Distanz in den politischen Inhalten.
Simon: Wenn wir noch mal zur Bankenkrise gehen: Müssten die verantwortlichen Politiker Ihrer Meinung nicht auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden?
Rexrodt: Ja, die juristischen Voraussetzungen sind ja auch gegeben. Es muss geprüft werden, ob die Vorstände und Aufsichtsräte ihrer Verantwortlichkeit entsprochen haben, auch die Wirtschaftsprüfer. Es wird ja, wie ich höre, auch in mehreren Fällen strafrechtlich ermittelt. Aber das alles ist das eine; das ist selbstverständlich. Das andere ist, dass natürlich auch politische Konsequenzen gezogen werden müssen. Das ist ja eine Senatsbank, sie gehört 56,5 Prozent dem Senat. Es gab eine Vermischung von politischen Mandaten und wirtschaftlichen Funktionen in dieser Bank. Das ist kein Betriebsunfall, wo - sagen wir mal - eine Wohnungsbaugesellschaft mal ein schlechtes Jahr hatte und ein paar Millionen verloren hat. Auch das ist schlimm, aber da kann man mit fertig werden. Hier sind wohl 6 Milliarden Mark durch den Schornstein gegangen. Das kann doch partout nicht ohne politische Konsequenzen bleiben.
Simon: Also eher eine grundsätzliche Fehlkonstruktion, dass Politiker Banken beaufsichtigen?
Rexrodt: Also, ich will mal so sagen: Politiker können Banken beaufsichtigen, wenn das private Banken sind und wenn sie das vom Beruf her machen. Aber wenn es eine öffentlich beherrschte - oder im Eigentum der öffentlichen Hand stehende - Bank ist, dann geht das nicht. Die Vermischung erfolgt ja nicht, wenn ein Politiker irgendeine privates Unternehmen betreut. Aber wenn ein Politiker der Führer der größten Regierungspartei ist - Fraktionsführer -: Wenn der eine Berliner Bank, die dem Senat und damit auch dem Einfluss der großen Koalition unterliegt - wenn der dort vorsteht - einem wichtigen Teilbereich - und über lange Zeit auch im Gesamtvorstand, dann ist das eine Vermischung von politischer und von wirtschaftlicher Macht, die unerträglich ist.
Simon: Günter Rexrodt war das, der Landesvorsitzende der Freien Demokraten in Berlin. Danke für das Gespräch. Es ist eine gemischte Truppe, die sich da zusammengefunden hat, um den Senat in Berlin zum Rücktritt zu zwingen, zur Not sogar mit einem Volksentscheid, wie es gerade Günter Rexrodt sagte. Vor dieser Sendung habe ich mit Gregor Gysi von der PDS gesprochen und ihn gefragt - seine Partei ist ja auch engagiert -, ob jetzt da in Berlin die ‚bunte Koalition der Verzweifelten' an der Arbeit sei.
Gysi: Ja, das kann man auch so bezeichnen. Man kann aber auch sagen, die ‚bunte Koalition der Entschlossenen' - also, einfach aus einer Verantwortung für die Stadt heraus. Man kann ja auch nicht zusehen, wie eine solch wichtige und eigentlich auch schöne und chancenreiche Stadt nun völlig in den Keller und an den Baum gefahren wird. Und da siegt dann auch manchmal die Vernunft, und dann überschreitet man auch bestimmte Hemmschwellen und sagt - OK, auch FDP, Grüne und PDS zusammen können sagen: ‚So geht's nicht weiter'. In der Frage sind sie sich einig; sicherlich nicht in der Frage, was dann kommt.
Simon: Die große Koalition zeigt ja keinerlei Willen, von selber abzutreten. Deswegen haben Sie ja zusammen mit den anderen kleinen Parteien den Volksentscheid gefordert. Vorausgesetzt, der Volksentscheid würde ein Erfolg, es käme zu Neuwahlen: Was kommt denn dann in Berlin für eine Koalition?
Gysi: Ja, das ist natürlich eine spannende und vor allen Dingen auch eine sehr berechtigte Frage, das werden auch viele Berlinerinnen und Berliner, die unterschreiben, wissen wollen. Natürlich gibt es drei theoretische Konstellationen: Die eine ist, SPD und CDU finden sich wieder zusammen. Das wäre nun die schlechteste aller denkbaren Varianten. Ganz ausschließen kann man das nicht. Aber selbst, wenn sie es täten, gäbe es mit Sicherheit neues Personal und neue Inhalte. Es wäre also selbst in diesem Falle nicht völlig umsonst. Aber ich hoffe, dass man das verhindern kann, dass beide Parteien in einem solchen Falle begreifen: Eine große Koalition in Berlin ist nicht mehr gewünscht. Dann gäbe es andere Konstellationen - das hängt dann sehr vom Wahlergebnis ab, darunter auch die Variante SPD/PDS, mit oder ohne Grüne usw., oder SPD/Grüne, ohne PDS - je nachdem, wie nun das Wahlergebnis aussieht. Ich denke, ein Weg an der PDS wird nicht vorbeiführen. Das wäre immerhin schon eine wesentlich bessere Konstellation, weil es einen Neuanfang signalisiert - inhaltlich und personell. Und dann kann man aber vielleicht auch noch über ganz ungewöhnliche Dinge nachdenken und sagen: ‚Außergewöhnliche Zeiten erfordern auch außergewöhnliche Konstellationen'. Das heißt: Wie wäre es eigentlich mit so einem Personenbündnis im Senat, das getragen wird von einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus - mit Leuten, die vielleicht gar nicht unbedingt parteipolitisch Karriere machen wollen.
Simon: Herr Gysi, haben Sie aus den großen Parteien - aus der SPD oder aus der CDU - irgendwelche Stimmen gehört, die so etwas mit unterstützen würden, ein Parteienbündnis?
Gysi: Das weiß ich nicht. Wissen Sie, das ist in Berlin alles schwer; keiner zeigt so richtig, was er will, alle sind voller Hemmungen und Beklemmungen. Ich habe mal, als die Krise anfing, mit Sozialdemokraten gesprochen und hab ihnen knallhart und direkt die Frage gestellt - weil sie auch von mir wissen wollten, was ich nun vorhabe - habe ich gefragt: Seid Ihr bereit, aus dem Filz auszusteigen oder soll der nur mit veränderten Personen fortgesetzt werden? - so direkt. Und da haben sie mich gefragt, was ich meine, und da habe ich gesagt: ‚Solange sie mich fragen, was ich meine, heißt das für mich, Sie wollen nicht aussteigen'. Und das wäre dann kein Neuanfang.
Simon: Wer aber dann auch immer in Berlin regiert: Die Schuldenlast ist ja für jede Regierung erdrückend. Will denn da überhaupt jemand die Wahlen gewinnen? Der müsste ja dann gegenüber dem Bürger die Kürzungen in allen Bereichen vertreten, die er ja vielleicht gar nicht selber verursacht hat.
Gysi: Also, irgend jemand hat ja schon gesagt: ‚Jetzt ist die Stadt so verschuldet, dass man auch an Herrn Gysi denken kann' - also mit anderen Worten, es käme jetzt auf gar nichts mehr an. Ich glaube, man muss Schwerpunkte festlegen. Also, man braucht ein eigenes Konsolidierungsprogramm und man braucht - wie gesagt - eine Vereinbarung mit Bundesregierung und Bundesländern - was aus der Hauptstadt werden soll, ob sie eine wollen, wie sie sie wollen. Es gibt ja auch eine gemeinsame Verantwortung. Und das eigene Programm: Da kann ich aus der Ferne und ohne den Berliner Haushalt jetzt exakt zu kennen nur drei Dinge sagen: Erstens: Wenn denn die Bank so verschuldet ist, wäre ich das erste mal bereit, ernsthaft über eine Privatisierung nachzudenken. Also, vielleicht ist es wirklich besser, man wird sie los als dass man sie behält und entschuldet. Und natürlich müssen die Sparkassen für Berlin auch in öffentliche Hand gerettet werden, das ist ganz klar. Aber was vielleicht viel wichtiger ist: Prioritäten. Ich denke, bei der Kultur können wir in Berlin nicht kürzen, und bei der Bildung muss man sogar noch 10 Prozent drauflegen - trotz der desolaten Lage. Und alles andere muss man in Größenordnung zur Disposition stellen - Bauten, Verkehr, Verwaltung. Und da muss man dann auch den Mut haben, sich mit Teilen der Wirtschaft und auch durchaus mit Teilen der Gewerkschaften anzulegen. Es wird nichts helfen. Den Mut muss man haben.
Simon: Man muss den Mut haben, Herr Gysi. Wären Sie - Ihre Partei - dann bereit, in Berlin diese Verantwortung zu übernehmen, auch wenn es Ärger gibt mit Ihrer Klientel?
Gysi: Also, so wie ich die Leute in der Fraktion dort einschätze und die, die Verantwortung tragen: Wissen Sie, das Ganze wird eine wahnsinnig schwierige Aufgabe. Aber ich habe ihnen dann gesagt: Wer im Dezember 89 den Versuch gewagt hat, den wir damals gewagt haben, der sollte zumindest vor der Schwierigkeit einer Aufgabe nicht schrecken. Man kann sich da zunächst nicht mit Ruhm bekleckern, aber es ist durchaus denkbar, dass man auch positiv in Erinnerung bleibt, wenn man die Stadt saniert bekommt. Und es führt doch gar kein Weg daran vorbei. Es muss auch Hilfen von außen geben, denn Berlin ist nun mal die Hauptstadt für ganz Deutschland. Das müssen auch mal die anderen akzeptieren und begreifen. Aber es muss auch in Berlin selbst wirklich ernstzunehmende Konsolidierungsbemühungen geben. Und dann müssen einfach die Prioritäten verändert werden im Vergleich zur bisherigen Politik.
Simon: Und unter diesen veränderten Prioritäten wären Sie - wäre die SPD - dann auch bereit, mit der leicht kompromittieren SPD oder mit der CDU zusammenzuarbeiten?
Gysi: Na, sehen Sie mal: Also, die CDU halte ich für sehr unwahrscheinlich. Und was die SPD betrifft, die schwankt - wie es ihrer Tradition entspricht - ständig im Winde. Wowereit hat eine Rede gehalten, die könnte man auch so verstehen, dass er zur Hälfte schon das Tischtuch durchgeschnitten hat mit der CDU, andererseits hatte Strieder kurz davor sich gerade an Diepgen gekettet und beide sich an ihren Sessel. Also ich denke, sie wird springen müssen; es wird ihr gar nichts anderes übrigbleiben, sonst wird sie auch ihre eigene Klientel zu einem beachtlichen Teil verlieren. Auf der anderen Seite sage ich mir: Wissen Sie, linke Parteien werden eh' nicht gewählt, wenn es einer Kommune besonders gut geht, sondern in der Regel dann, wenn es besonders schwierig wird. Das ist nun mal ihr Schicksal. Was meine Person betrifft, dazu will ich jetzt überhaupt nichts sagen. Es spricht vieles dagegen, es spricht natürlich einiges auch dafür. Aber ich hatte ja für mein Leben eigentlich erst mal eine andere Entscheidung getroffen und würde mich heute da sehr, sehr bedeckt halten. Es spricht - wie gesagt - vieles dagegen, andererseits ist es auch eine Herausforderung.
Simon: Das war ein Gespräch mit Gregor Gysi von der PDS, und das haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Rexrodt: Guten Morgen.
Simon: Herr Rexrodt, wieso fordern Sie, die Grünen und die PDS Neuwahlen? Würde es nicht reichen, wenn die zuständigen Politiker allein ihren Hut nehmen?
Rexrodt: Völlig richtig. Wenn sie die Größe hätten, ihren Hut nähmen und gingen und das Mandat zurückgäben, dann wäre alles erledigt und wir brauchten nicht diese Riesenanstrengung, den Kraftakt machen mit dem Volksbegehren. Aber offensichtlich tut das niemand, und unter der Überschrift ‚Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung' bleiben da CDU und SPD sitzen in den Positionen.
Simon: Wer sagt Ihnen denn - wenn Sie durchkommen mit dem Volksentscheid -, wer sagt Ihnen denn, dass die Berliner nicht wieder so wählen wie bisher, so dass es auch nur wieder zu einer großen Koalition reicht?
Rexrodt: Das sagen Ihnen der Mann und die Frau auf der Straße; die haben die ‚Schnauze voll'. Das war vor 6 Wochen - bevor Landowsky zurücktrat - noch anders. Da spielte bei den Berlinern sehr stark eine Rolle: Was wird denn, wenn wir Neuwahlen haben? Aber das Fass ist zum Überlaufen gekommen. Die Berliner wollen nur noch eines: Das ist eine andere Parteienkonstellation und das sind andere Gesichter, die die Stadt regieren. Und das ist auch das vornehmliche Ziel meiner Partei. So kann es nicht gehen, es kann nur besser kommen.
Simon: Mit wem wollte die FDP denn - vorausgesetzt, die FDP kommt wieder ins Abgeordnetenhaus - überhaupt zusammenarbeiten? Die Großen sind ja dann nach Ihrem Verständnis kompromittiert.
Rexrodt: Nun, zunächst einmal wollen und werden wir als eine starke politische Kraft ins Abgeordnetenhaus nach langen Jahren zurückkehren. Wir haben Rückenwind überall, und wir wollen eine politische Situation in der Stadt, wo an den Liberalen nichts vorbeigeht. Das andere wird sich finden. Wir können nicht vorher Koalitionsüberlegungen oder Gespräche machen; wir möchten einen politischen Wechsel, eine politische Wende in Berlin.
Simon: Um den Senat derzeit abzulösen - Stichwort ‚Politische Wende' -, kämpfen Sie ja Seite an Seite zur Zeit mit den Grünen und der PDS. Könnten Sie sich vorstellen, auch eine ganz bunte Koalition in Berlin zu machen?
Rexrodt: Ach wissen Sie, wir sind ja schon wieder bei den Koalitionsspekulationen. Jetzt ist wirklich eine Unzeit dafür. Außerdem treten wir mit der PDS und mit den Grünen für Neuwahlen ein. Wir sind deshalb nicht politisch identisch oder politisch nahe in Sachfragen. Ich habe das ja so gemacht, dass ich vorgeschlagen habe, ein Gremium parteiunabhängiger Persönlichkeiten damit zu betreuen - oder diese werden gewissermaßen Träger des Volksbegehrens. Und alle drei Parteien haben sich diesem Vorschlag unterworfen. Insofern ist Nähe da in dieser Frage - und doch Distanz in den politischen Inhalten.
Simon: Wenn wir noch mal zur Bankenkrise gehen: Müssten die verantwortlichen Politiker Ihrer Meinung nicht auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden?
Rexrodt: Ja, die juristischen Voraussetzungen sind ja auch gegeben. Es muss geprüft werden, ob die Vorstände und Aufsichtsräte ihrer Verantwortlichkeit entsprochen haben, auch die Wirtschaftsprüfer. Es wird ja, wie ich höre, auch in mehreren Fällen strafrechtlich ermittelt. Aber das alles ist das eine; das ist selbstverständlich. Das andere ist, dass natürlich auch politische Konsequenzen gezogen werden müssen. Das ist ja eine Senatsbank, sie gehört 56,5 Prozent dem Senat. Es gab eine Vermischung von politischen Mandaten und wirtschaftlichen Funktionen in dieser Bank. Das ist kein Betriebsunfall, wo - sagen wir mal - eine Wohnungsbaugesellschaft mal ein schlechtes Jahr hatte und ein paar Millionen verloren hat. Auch das ist schlimm, aber da kann man mit fertig werden. Hier sind wohl 6 Milliarden Mark durch den Schornstein gegangen. Das kann doch partout nicht ohne politische Konsequenzen bleiben.
Simon: Also eher eine grundsätzliche Fehlkonstruktion, dass Politiker Banken beaufsichtigen?
Rexrodt: Also, ich will mal so sagen: Politiker können Banken beaufsichtigen, wenn das private Banken sind und wenn sie das vom Beruf her machen. Aber wenn es eine öffentlich beherrschte - oder im Eigentum der öffentlichen Hand stehende - Bank ist, dann geht das nicht. Die Vermischung erfolgt ja nicht, wenn ein Politiker irgendeine privates Unternehmen betreut. Aber wenn ein Politiker der Führer der größten Regierungspartei ist - Fraktionsführer -: Wenn der eine Berliner Bank, die dem Senat und damit auch dem Einfluss der großen Koalition unterliegt - wenn der dort vorsteht - einem wichtigen Teilbereich - und über lange Zeit auch im Gesamtvorstand, dann ist das eine Vermischung von politischer und von wirtschaftlicher Macht, die unerträglich ist.
Simon: Günter Rexrodt war das, der Landesvorsitzende der Freien Demokraten in Berlin. Danke für das Gespräch. Es ist eine gemischte Truppe, die sich da zusammengefunden hat, um den Senat in Berlin zum Rücktritt zu zwingen, zur Not sogar mit einem Volksentscheid, wie es gerade Günter Rexrodt sagte. Vor dieser Sendung habe ich mit Gregor Gysi von der PDS gesprochen und ihn gefragt - seine Partei ist ja auch engagiert -, ob jetzt da in Berlin die ‚bunte Koalition der Verzweifelten' an der Arbeit sei.
Gysi: Ja, das kann man auch so bezeichnen. Man kann aber auch sagen, die ‚bunte Koalition der Entschlossenen' - also, einfach aus einer Verantwortung für die Stadt heraus. Man kann ja auch nicht zusehen, wie eine solch wichtige und eigentlich auch schöne und chancenreiche Stadt nun völlig in den Keller und an den Baum gefahren wird. Und da siegt dann auch manchmal die Vernunft, und dann überschreitet man auch bestimmte Hemmschwellen und sagt - OK, auch FDP, Grüne und PDS zusammen können sagen: ‚So geht's nicht weiter'. In der Frage sind sie sich einig; sicherlich nicht in der Frage, was dann kommt.
Simon: Die große Koalition zeigt ja keinerlei Willen, von selber abzutreten. Deswegen haben Sie ja zusammen mit den anderen kleinen Parteien den Volksentscheid gefordert. Vorausgesetzt, der Volksentscheid würde ein Erfolg, es käme zu Neuwahlen: Was kommt denn dann in Berlin für eine Koalition?
Gysi: Ja, das ist natürlich eine spannende und vor allen Dingen auch eine sehr berechtigte Frage, das werden auch viele Berlinerinnen und Berliner, die unterschreiben, wissen wollen. Natürlich gibt es drei theoretische Konstellationen: Die eine ist, SPD und CDU finden sich wieder zusammen. Das wäre nun die schlechteste aller denkbaren Varianten. Ganz ausschließen kann man das nicht. Aber selbst, wenn sie es täten, gäbe es mit Sicherheit neues Personal und neue Inhalte. Es wäre also selbst in diesem Falle nicht völlig umsonst. Aber ich hoffe, dass man das verhindern kann, dass beide Parteien in einem solchen Falle begreifen: Eine große Koalition in Berlin ist nicht mehr gewünscht. Dann gäbe es andere Konstellationen - das hängt dann sehr vom Wahlergebnis ab, darunter auch die Variante SPD/PDS, mit oder ohne Grüne usw., oder SPD/Grüne, ohne PDS - je nachdem, wie nun das Wahlergebnis aussieht. Ich denke, ein Weg an der PDS wird nicht vorbeiführen. Das wäre immerhin schon eine wesentlich bessere Konstellation, weil es einen Neuanfang signalisiert - inhaltlich und personell. Und dann kann man aber vielleicht auch noch über ganz ungewöhnliche Dinge nachdenken und sagen: ‚Außergewöhnliche Zeiten erfordern auch außergewöhnliche Konstellationen'. Das heißt: Wie wäre es eigentlich mit so einem Personenbündnis im Senat, das getragen wird von einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus - mit Leuten, die vielleicht gar nicht unbedingt parteipolitisch Karriere machen wollen.
Simon: Herr Gysi, haben Sie aus den großen Parteien - aus der SPD oder aus der CDU - irgendwelche Stimmen gehört, die so etwas mit unterstützen würden, ein Parteienbündnis?
Gysi: Das weiß ich nicht. Wissen Sie, das ist in Berlin alles schwer; keiner zeigt so richtig, was er will, alle sind voller Hemmungen und Beklemmungen. Ich habe mal, als die Krise anfing, mit Sozialdemokraten gesprochen und hab ihnen knallhart und direkt die Frage gestellt - weil sie auch von mir wissen wollten, was ich nun vorhabe - habe ich gefragt: Seid Ihr bereit, aus dem Filz auszusteigen oder soll der nur mit veränderten Personen fortgesetzt werden? - so direkt. Und da haben sie mich gefragt, was ich meine, und da habe ich gesagt: ‚Solange sie mich fragen, was ich meine, heißt das für mich, Sie wollen nicht aussteigen'. Und das wäre dann kein Neuanfang.
Simon: Wer aber dann auch immer in Berlin regiert: Die Schuldenlast ist ja für jede Regierung erdrückend. Will denn da überhaupt jemand die Wahlen gewinnen? Der müsste ja dann gegenüber dem Bürger die Kürzungen in allen Bereichen vertreten, die er ja vielleicht gar nicht selber verursacht hat.
Gysi: Also, irgend jemand hat ja schon gesagt: ‚Jetzt ist die Stadt so verschuldet, dass man auch an Herrn Gysi denken kann' - also mit anderen Worten, es käme jetzt auf gar nichts mehr an. Ich glaube, man muss Schwerpunkte festlegen. Also, man braucht ein eigenes Konsolidierungsprogramm und man braucht - wie gesagt - eine Vereinbarung mit Bundesregierung und Bundesländern - was aus der Hauptstadt werden soll, ob sie eine wollen, wie sie sie wollen. Es gibt ja auch eine gemeinsame Verantwortung. Und das eigene Programm: Da kann ich aus der Ferne und ohne den Berliner Haushalt jetzt exakt zu kennen nur drei Dinge sagen: Erstens: Wenn denn die Bank so verschuldet ist, wäre ich das erste mal bereit, ernsthaft über eine Privatisierung nachzudenken. Also, vielleicht ist es wirklich besser, man wird sie los als dass man sie behält und entschuldet. Und natürlich müssen die Sparkassen für Berlin auch in öffentliche Hand gerettet werden, das ist ganz klar. Aber was vielleicht viel wichtiger ist: Prioritäten. Ich denke, bei der Kultur können wir in Berlin nicht kürzen, und bei der Bildung muss man sogar noch 10 Prozent drauflegen - trotz der desolaten Lage. Und alles andere muss man in Größenordnung zur Disposition stellen - Bauten, Verkehr, Verwaltung. Und da muss man dann auch den Mut haben, sich mit Teilen der Wirtschaft und auch durchaus mit Teilen der Gewerkschaften anzulegen. Es wird nichts helfen. Den Mut muss man haben.
Simon: Man muss den Mut haben, Herr Gysi. Wären Sie - Ihre Partei - dann bereit, in Berlin diese Verantwortung zu übernehmen, auch wenn es Ärger gibt mit Ihrer Klientel?
Gysi: Also, so wie ich die Leute in der Fraktion dort einschätze und die, die Verantwortung tragen: Wissen Sie, das Ganze wird eine wahnsinnig schwierige Aufgabe. Aber ich habe ihnen dann gesagt: Wer im Dezember 89 den Versuch gewagt hat, den wir damals gewagt haben, der sollte zumindest vor der Schwierigkeit einer Aufgabe nicht schrecken. Man kann sich da zunächst nicht mit Ruhm bekleckern, aber es ist durchaus denkbar, dass man auch positiv in Erinnerung bleibt, wenn man die Stadt saniert bekommt. Und es führt doch gar kein Weg daran vorbei. Es muss auch Hilfen von außen geben, denn Berlin ist nun mal die Hauptstadt für ganz Deutschland. Das müssen auch mal die anderen akzeptieren und begreifen. Aber es muss auch in Berlin selbst wirklich ernstzunehmende Konsolidierungsbemühungen geben. Und dann müssen einfach die Prioritäten verändert werden im Vergleich zur bisherigen Politik.
Simon: Und unter diesen veränderten Prioritäten wären Sie - wäre die SPD - dann auch bereit, mit der leicht kompromittieren SPD oder mit der CDU zusammenzuarbeiten?
Gysi: Na, sehen Sie mal: Also, die CDU halte ich für sehr unwahrscheinlich. Und was die SPD betrifft, die schwankt - wie es ihrer Tradition entspricht - ständig im Winde. Wowereit hat eine Rede gehalten, die könnte man auch so verstehen, dass er zur Hälfte schon das Tischtuch durchgeschnitten hat mit der CDU, andererseits hatte Strieder kurz davor sich gerade an Diepgen gekettet und beide sich an ihren Sessel. Also ich denke, sie wird springen müssen; es wird ihr gar nichts anderes übrigbleiben, sonst wird sie auch ihre eigene Klientel zu einem beachtlichen Teil verlieren. Auf der anderen Seite sage ich mir: Wissen Sie, linke Parteien werden eh' nicht gewählt, wenn es einer Kommune besonders gut geht, sondern in der Regel dann, wenn es besonders schwierig wird. Das ist nun mal ihr Schicksal. Was meine Person betrifft, dazu will ich jetzt überhaupt nichts sagen. Es spricht vieles dagegen, es spricht natürlich einiges auch dafür. Aber ich hatte ja für mein Leben eigentlich erst mal eine andere Entscheidung getroffen und würde mich heute da sehr, sehr bedeckt halten. Es spricht - wie gesagt - vieles dagegen, andererseits ist es auch eine Herausforderung.
Simon: Das war ein Gespräch mit Gregor Gysi von der PDS, und das haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.