Mittags um kurz vor eins herrscht Hochbetrieb vor der Bahnhofsmission am Zoo. Immer in Schüben werden die Berliner Obdachlosen eingelassen, damit auch jeder einen Platz am Tisch bekommt und in Ruhe essen kann. Grinsi – wie er hier genannt wird - kommt gerade vom Flaschensammeln. Er hat eine knallrot gefärbte Haarsträhne und hält in der einen Hand eine Bierflasche und in der anderen eine Plastiktüte. Er ist 31, schwer alkohol- und drogenabhängig und einer von rund 700 Gästen, die täglich in die Bahnhofsmission kommen:
"Ich komme ursprünglich aus Sachsen. Dann eine Ausbildung gemacht und nach der Ausbildung das ganze Geld in Alkohol und Drogen ausgegeben. Dadurch bin ich dann auf der Straße geblieben. Ich hatte meinen Schlafsack gehabt, ich habe mich überall hingelegt, da wo es trocken war, da hingelegt".
"Ich komme ursprünglich aus Sachsen. Dann eine Ausbildung gemacht und nach der Ausbildung das ganze Geld in Alkohol und Drogen ausgegeben. Dadurch bin ich dann auf der Straße geblieben. Ich hatte meinen Schlafsack gehabt, ich habe mich überall hingelegt, da wo es trocken war, da hingelegt".
"Die Mieten steigen exorbitant"
Zurzeit hat Grinsi zum Glück einen Platz in einer Unterkunft. Es gibt 20.000 Berliner Wohnungslose, die dauerhaft in Wohnheimen untergebracht sind, aber auch schätzungsweise 8.000 bis 10.000, die in Notunterkünften oder im Freien, im Tiergarten oder unter Brücken übernachten, schätzt die Berliner Stadtmission, die die Bahnhofsmission am Zoo betreibt. Und die Zahl wächst und wächst, sagt Elke Breitenbach, die linke Berliner Sozialsenatorin:
"Das Armutsrisiko vieler Menschen in Berlin und auch anderswo ist gestiegen. Es gibt einfach viele Menschen, die Transferleistungen beziehen und ihre Miete nicht mehr bezahlen können, die Mieten steigen exorbitant."
"Das Armutsrisiko vieler Menschen in Berlin und auch anderswo ist gestiegen. Es gibt einfach viele Menschen, die Transferleistungen beziehen und ihre Miete nicht mehr bezahlen können, die Mieten steigen exorbitant."
Flüchtlinge und Zuwanderer landen inzwischen genauso auf der Straße wie Akademiker und Familien mit Kindern. Seit der EU-Osterweiterung kommen nach Berlin vor allem immer mehr Menschen aus Osteuropa, inzwischen seien es über 60 Prozent ihrer Gäste, sagt Ortrud Wohlwend, die die Notübernachtung am Hauptbahnhof betreibt.
"Es ist halt so, wenn man die Grenzen offen hält, dann reisen nicht nur die Reichen, sondern dann sind die Grenzen für alle offen und da muss man eben bedenken, dass auch arme Menschen dorthin gehen, wo es ihnen vermeintlich besser geht, wo sie eben denken, zuhause verdiene ich zwei Euro pro Tag und hier kriege ich acht Euro in der Stunde, wenn ich sie dann tatsächlich bekomme."
"Es ist halt so, wenn man die Grenzen offen hält, dann reisen nicht nur die Reichen, sondern dann sind die Grenzen für alle offen und da muss man eben bedenken, dass auch arme Menschen dorthin gehen, wo es ihnen vermeintlich besser geht, wo sie eben denken, zuhause verdiene ich zwei Euro pro Tag und hier kriege ich acht Euro in der Stunde, wenn ich sie dann tatsächlich bekomme."
Vielen Osteuropäern geht es in Berlin besser als Zuhause
Viele bekommen sie nicht. Sie scheitern aus den unterschiedlichsten Gründen, können sich eine Wohnung in Berlin nicht leisten und landen dann obdachlos zum Beispiel in einem Zelt im Tiergarten:
"Winter ist scheiße, kalt, Winter ist kalt, scheiße, schlafen, Schlafsack, scheiße. Hier sind weitgehend Polen und auch Russen, aber da ist Dennis und ick, wir sind Deutsche, ja, ja. Ab und zu kommt die Polizei, mich haben sie gefragt, ob ich zur Fahndung ausgeschrieben bin, natürlich nicht, da ist ja klar, dann wird man mitgenommen, aber hier sind keine Straftäter. Das sind ganz arme Menschen, das Obdach nimmt sie nicht auf, das ist ja total überfüllt, überall pennen sie, schlafen unter der Brücke und ach, Franklinstraße und Notübernachtung."
"Winter ist scheiße, kalt, Winter ist kalt, scheiße, schlafen, Schlafsack, scheiße. Hier sind weitgehend Polen und auch Russen, aber da ist Dennis und ick, wir sind Deutsche, ja, ja. Ab und zu kommt die Polizei, mich haben sie gefragt, ob ich zur Fahndung ausgeschrieben bin, natürlich nicht, da ist ja klar, dann wird man mitgenommen, aber hier sind keine Straftäter. Das sind ganz arme Menschen, das Obdach nimmt sie nicht auf, das ist ja total überfüllt, überall pennen sie, schlafen unter der Brücke und ach, Franklinstraße und Notübernachtung."
Dennoch geht es den Osteuropäern in Berlin, mit Suppenküchen, Wärmestuben und Notübernachtungen immer noch besser als Zu Hause. Jahrelang habe man die Zeltlager im Tiergarten geduldet, nun wird es zu viel, sagt Stephan von Dassel, der grüne Bezirksbürgermeister von Berlin Mitte.
"Wir möchten dann, dass diese Menschen zurückkehren in ihre Länder, aber natürlich muss man sich auch überlegen, was ist, wenn die nicht gehen wollen, wenn die sagen, vielen Dank, aber ich bleibe hier weil es geht mir hier besser, ich glaube dann kann staatliches Handeln noch nicht aufhören und dann muss man auch Menschen gegebenenfalls nötigen, Deutschland zu verlassen."
"Wir möchten dann, dass diese Menschen zurückkehren in ihre Länder, aber natürlich muss man sich auch überlegen, was ist, wenn die nicht gehen wollen, wenn die sagen, vielen Dank, aber ich bleibe hier weil es geht mir hier besser, ich glaube dann kann staatliches Handeln noch nicht aufhören und dann muss man auch Menschen gegebenenfalls nötigen, Deutschland zu verlassen."
Forderung nach einem Obdachlosen-Gipfel im Kanzleramt
Das ist nicht so einfach. Die meisten osteuropäischen Obdachlosen stammen aus EU-Ländern. Da Freizügigkeit herrscht, können sie sich grundsätzlich aufhalten, wo sie wollen. Man kann sie nicht Abschieben, nur zur freiwilligen Rückkehr überreden. Obwohl die Bezirke die Kosten für die Rückfahrt übernehmen, klappt das selten. Gebraucht wird eine Lösung auf europäischer Ebene, sagt Ulrike Kostka von der Caritas und fordert einen Obdachlosen-Gipfel im Kanzleramt:
"Es muss die Frage geklärt werden, was mit Menschen geschieht, wenn die hier landen und wenn sie keinen Zugang zur Arbeit finden. Da ist eine Gesetzeslücke da, und reine Überbrückungsleistungen und eine Rückfahrkarte helfen nicht, sondern offensichtlich bleiben die Menschen hier länger und wir müssen Verelendung vermeiden und es ist auch wichtig, die Menschen in den Heimatländern darüber aufzuklären, dass sie hier nur bedingte Chancen haben. Dieses Thema wird zunehmen und deshalb kann man es nicht nur den Ehrenamtlichen überlassen, die sozialen Fragen Europas zu lösen."
Sowohl die Suppenküchen, als auch der Tiergarten sind mit dem Problem überfordert. Viele der Menschen aus Osteuropa haben außerdem hier keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach will sie nun erstmal unterbringen:
"Wir hätten gerne erstmal eine umfassende Beratung für diese Menschen, weil viele von ihnen Opfer von Arbeitsausbeutung sind oder suchen Arbeit, andere haben ein Suchtproblem und das wird man auch nur lösen können, wenn man sie vorübergehend irgendwo unterbringen kann."
"Es muss die Frage geklärt werden, was mit Menschen geschieht, wenn die hier landen und wenn sie keinen Zugang zur Arbeit finden. Da ist eine Gesetzeslücke da, und reine Überbrückungsleistungen und eine Rückfahrkarte helfen nicht, sondern offensichtlich bleiben die Menschen hier länger und wir müssen Verelendung vermeiden und es ist auch wichtig, die Menschen in den Heimatländern darüber aufzuklären, dass sie hier nur bedingte Chancen haben. Dieses Thema wird zunehmen und deshalb kann man es nicht nur den Ehrenamtlichen überlassen, die sozialen Fragen Europas zu lösen."
Sowohl die Suppenküchen, als auch der Tiergarten sind mit dem Problem überfordert. Viele der Menschen aus Osteuropa haben außerdem hier keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach will sie nun erstmal unterbringen:
"Wir hätten gerne erstmal eine umfassende Beratung für diese Menschen, weil viele von ihnen Opfer von Arbeitsausbeutung sind oder suchen Arbeit, andere haben ein Suchtproblem und das wird man auch nur lösen können, wenn man sie vorübergehend irgendwo unterbringen kann."
Prognose: demnächst 1,2 Millionen Obdachlose
Aber gerade das kann man nicht. Zwar hat Berlin die Zahl der Notübernachtungsplätze im Winter jetzt auf 1.000 aufgestockt, es fehlen aber Möglichkeiten, Menschen auf Dauer und ganzjährig unterzubringen, kritisiert Thomas Specht, von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe:
"Die Kommunen sind rechtlich verpflichtet nach Ordnungsbehördengesetz, alle obdachlosen Menschen, das ist juristisch betrachtet eine Störung der öffentlichen Ordnung, so heißt es juristisch nun mal leider, diese Störung zu beseitigen, und das hat sie zu tun durch die Bereitstellung von Unterkunftsplätzen. Und die Kommunen, einige Kommunen, wie auch Berlin stellen für die Gruppe der Zuwanderer aus der osteuropäischen Union diese Unterkünfte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung, ich sage klar – das ist rechtswidrig."
Um Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit zu bekämpfen, müsse vor allem der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland beseitigt werden, so die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Sie prognostiziert bis 2018 einen Anstieg der Zahl der wohnungslosen Menschen auf 1,2 Millionen bundesweit.
"Die Kommunen sind rechtlich verpflichtet nach Ordnungsbehördengesetz, alle obdachlosen Menschen, das ist juristisch betrachtet eine Störung der öffentlichen Ordnung, so heißt es juristisch nun mal leider, diese Störung zu beseitigen, und das hat sie zu tun durch die Bereitstellung von Unterkunftsplätzen. Und die Kommunen, einige Kommunen, wie auch Berlin stellen für die Gruppe der Zuwanderer aus der osteuropäischen Union diese Unterkünfte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung, ich sage klar – das ist rechtswidrig."
Um Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit zu bekämpfen, müsse vor allem der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland beseitigt werden, so die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Sie prognostiziert bis 2018 einen Anstieg der Zahl der wohnungslosen Menschen auf 1,2 Millionen bundesweit.