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Berlin
Wie Muslime auf die Anschläge von Paris reagieren

Nach dem Überfall auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" haben muslimische Verbände in Deutschland die Tat verurteilt. Niemand dürfe sich ermächtigen, im Namen des Islam Morde zu begehen; kein Mensch dürfe sich anmaßen, den Propheten zu rächen, hieß es. In Berlin besuchte Justizminister Heiko Maas eine Moschee.

Von Kemal Hür | 10.01.2015
    Die türkische Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin.
    Die türkische Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin. (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    Ein kleiner Friedhof in Berlin-Neukölln mit muslimischen Grabsteinen, dahinter steht die Şehitlik-Moschee mit zwei Minaretten. Es ist Freitagmittag. Bald beginnt das wichtigste Gebet der Muslime. Die vielen Männer, die in die Moschee gehen, schauen mit fragenden und staunenden Blicken auf die dicht an dicht stehenden Medienvertreter und die Fernsehkameras. Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD hat sich kurzfristig angekündigt und besucht die Moschee.
    "Dies ist ein offenes Haus. Viele Berlinerinnen und Berliner können sich hier informieren über den Islam. Und das halte ich für ganz wichtig gerade bei den gegenwärtigen Diskussionen, wie wir in Deutschland zusammenleben. Und das halte ich für ganz wichtig in einer Phase, in der es welche gibt, die das, was in Paris geschehen ist, versuchen zu instrumentalisieren, um diese Gemeinschaft zu spalten."
    Maas: Kein Kampf der Kulturen in Deutschland
    In Deutschland dürfe es keinen Kampf der Kulturen geben, sagt Maas. Und er lehnt es ab, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, wie von einigen Politikern nach dem Anschlag in Paris gefordert wurde. Diese werde es nicht geben. Während im Hof der Wind stärker wird, bittet der Vorsitzende der Moschee Ender Çetin die Medienvertreter, hineinzugehen.
    "Vielen Dank, dass Sie uns besucht haben, Herr Minister. Das ist eine positive Wertschätzung für uns. – Also an alle Pressevertreter: Die Empore, Innengalerie, ist offen für Pressevertreter. Da können Sie jetzt hochgehen. Und wir gehen mit dem Minister in den Hauptraum."
    Der Gebetsraum ist voll. Die Männer sitzen in Reihen, einige beten. Der Imam spricht über die Bedeutung des Koran. Der Justizminister setzt sich mit einigen Moscheevertretern auf den Boden. Nach dem Fototermin verlässt er die Moschee. Der Imam beginnt mit der Predigt. Sie enthält heute auch eine Erklärung zu dem Mordanschlag in Paris. Der Imam bezeichnet die Tat als einen Angriff gegen die Menschlichkeit und die gesamte Menschheit, und er verurteilt sie als abscheulich. Die Erklärung wird auch auf Deutsch verlesen.
    Mit dem Gebetsruf stellen sich mehr als 200 Muslime in Richtung Südosten in Reihen auf und beten gemeinsam.
    Nach dem Gebet bleiben viele noch im Hof und unterhalten sich bei einem Glas Tee. Zwei junge Männer gehen in Richtung Ausgang. Wie die meisten Muslime, sagen auch sie, niemand darf sich anmaßen, im Namen des Islam einen Mord zu begehen.
    "Es kann ja nicht sein, dass einfach zwei Leute den Islam retten, indem sie Menschen töten. Das geht ja gar nicht. Bin der Meinung, dass die Menschen nicht klar denken können und seelische Probleme haben. "
    Nicht provozieren lassen
    Karikaturen über den Propheten und den Islam finden sie beleidigend, aber man dürfe sich davon nicht provozieren lassen.
    "Man kann natürlich, um jemand zu provozieren, so was verbreiten, das ist klar. Aber man muss einfach cool bleiben und das einfach weg lachen. Was soll ich dazu noch sagen?"
    "Wir verlangen auch, dass man Respekt gegen Islam hat. Natürlich wenn sich dazu einer nicht gut äußert, oder so, dann ist Gewalt keine Lösung. Dann muss man in politische Wege Lösung suchen."
    Eine junge Frau, die Karikaturen über Religionen generell ablehnt, bezeichnet die Mörder von Paris als Feinde des Islam. Heute dürfe man im Namen der Religion keine Kriege führen. Im Koran gebe es zwar Verse, die zum Töten aufrufen, aber man müsse diese Stellen im historischen Kontext lesen. Diese Verse stammten aus der Zeit, als der Islam noch im Entstehen war, sagt sie.