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Berliner Gedächtniskirche
Diplomatic Choir tritt mit syrischem Exilorchester auf

Der Diplomatic Choir im Außenministerium ist ein Kuriosum: Diplomaten aus aller Welt, die in Deutschland stationiert sind, singen hier gemeinsam nach der Arbeit - allerdings ohne dabei von der Arbeit zu sprechen. Nun ging das Ensemble in Sachen Völkerverständigung noch einen Schritt weiter: In Berlin trat es mit einem syrischen Exil-Orchester auf.

Von Christiane Habermalz | 19.04.2016
    Im Auswärtigen Amt ist man es durchaus gewohnt, Zwischentöne anzuschlagen. Doch was hier jeden Dienstag von 18 bis 20 Uhr durch die Flure schallt, ist für das Ministerium am Werderschen Markt, selbst unter dem bekanntermaßen kulturaffinen Amtschef Frank-Walter Steinmeier, doch eher ungewöhnlich.
    Einmal wöchentlich probt hier "The Diplomatic Choir". Er wurde 2013 von Angehörigen des Diplomatischen Korps gegründet und hat sich zu einem hochprofessionellen Ensemble entwickelt. Die Sängerinnen und Sänger kommen aus 15 Nationen, die Vielfalt ist so groß, dass es noch nicht mal eine gemeinsame Sprache gibt: Die einen sprechen kein Englisch, die anderen kein Deutsch. Verständigungsschwierigkeiten gibt es dennoch kaum, politische Differenzen zwischen den Nationen spielen keine Rolle, sagt Chorleiterin Barbara Leifer:
    "Sie sind von so vielen verschiedenen Orten der Welt, und dann wir kommen zusammen und es gibt Russische und Ukrainer, aber sie kommen zum Chor und die größte Sorge oder Problem, das wir haben, ist ein Tempo oder Rhythmus. Oder nein, das ist zu schnell oder der Bass ist zu laut!"
    "Die Stimmung ist toll. Also nach politische Arbeit in Botschaften etwas ganz anderes machen, also singen, das macht uns allen Spaß. Musik ist eine besondere Art von Sprache und Verständnis, das ist, was uns verbindet."
    Ungewöhnliche Dirigentin
    Tenor Ante Cicvaric ist Gesandter der Republik Kroatien, neben ihm steht die Sopranistin Mylah Ann Rubio, Kulturattaché der Botschaft der Philippinen in Berlin. Sie und ihr Mann José Mari singen Soloparts im Diplomatic Choir, beide sind exzellente Sänger.
    "Ich habe während meiner College-Zeit im Universitätschor gesungen, und danach wollte ich einfach immer singen. Und mit anderen Menschen zu singen ist unglaublich erfüllend. Mein Aufenthalt in Berlin ist dadurch viel angenehmer."
    So ungewöhnlich wie die Zusammensetzung der Sängerinnen und Sänger ist auch die Chorleiterin und Dirigentin selbst. Barbara Leifer ist New Yorkerin, sie kam mit ihrem Mann, einem Schweizer Diplomaten, nach Berlin. Die Pianistin und Sängerin setzt auf die Integrationskraft der Musik. Selber Jüdin, dirigiert sie mit dem Diplomatic Choir ein Ensemble aus mehrheitlich Christen - für das kommende Konzert in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche mit dem Titel "Konzert ohne Grenzen" soll ein muslimisches Orchester dazu kommen: Das "Syrian Expat Philharmonic Orchestra". Das Exil-Orchester wurde vergangenen Herbst von syrischen Profi-Musikern gegründet, die seit ihrer Flucht über mehrere europäische Länder verteilt leben. Ihr Debüt-Konzert gaben sie am 22. September in Bremen.
    "Ich habe sie gehört, und ich habe nur gesagt: Wow! Das war unglaublich! Und ich habe den Direktor gesprochen nach dem Konzert, und ich habe ihn gefragt, könntest du mit uns spielen. Und er hat gesagt: Ja. Sure!
    "Sie sind alle gut ausgebildete Musiker, sie haben am Konservatorium in Damaskus studiert. Sie sind alle aus Syrien, aber sie wohnen jetzt hier und sie können alle nicht wieder zurückgehen."
    Spannungen sind bei Diplomaten kein Problem
    Das Exil-Orchester wurde von dem in Bremen lebenden Kontrabassisten Raed Jazbeh gegründet. Über Facebook machte er die aus Syrien geflüchteten Musiker ausfindig, viele kennen sich noch von früher. Es sei ein Experiment, Geld verdienten sie noch nicht, doch es sei ihnen wichtig, zu zeigen, dass Syrien nicht nur aus Krieg und IS besteht, sagte Jazbeh anlässlich der Orchestergründung. Der gemeinsame Auftritt mit dem "Diplomatic Choir" , in der Berliner Gedächtniskirche, bei dem unter anderem "Gloria" von Vivaldi gegeben wird, ist ein weiterer Schritt in die Öffentlichkeit. Nach der ersten gemeinsamen Probe habe man zusammen gekocht, erzählt Leifer. Und dabei erfahren, dass auch die syrischen Musiker beim Musizieren nie über Politik reden. Jeder habe anderes erlebt im Krieg, wer auf welcher Seite stand, will man lieber nicht so genau wissen. Die Musik aber verbinde auch sie. Und falls es doch mal zu Spannungen kommen sollte: No problem. Im Chor gibt es ja genügend Diplomaten.