Donnerstag, 28. März 2024

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Berliner Gethsemanekirche
Gedenken an chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo

Zum ersten Todestag des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo richtete die Berliner Gethsemanekirche einen Gedenkgottesdienst aus. Seine Witwe Liu Xia, die nach acht Jahren Hausarrest nach Deutschland ausreisen konnte, kam nicht. Doch viele Unterstützer drückten ihre Empörung über Peking aus.

Von Silke Ballweg | 14.07.2018
    13.07.2018, Berlin: Anlässlich des 1. Todestages von Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo nehmen der frühere Bundespräsident Joachim Gauck und die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller an einer Gedenkveranstaltung in der Gethsemanekirche im Bezirk Prenzlauer Berg teil
    Am 1. Todestag von Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo nehmen Ex-Bundespräsident Joachim Gauck und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller an einer Gedenkveranstaltung in der Gethsemanekirche teil. (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Nein, Liu Xia kam nicht. Wer gestern Abend gehofft hatte, einen Blick auf die erst vor drei Tagen nach Deutschland ausgereiste, chinesische Künstlerin werfen zu können, wurde enttäuscht. Sie sei zwar guter Dinge, aber körperlich labil, erzählte der in Deutschland lebende Exil-Schriftsteller Liao Yiwu. Er hat Liu Xia diese Woche bereits in Berlin getroffen:
    "Sie ist in guter Stimmung, aber körperlich ist sie schwach und sie braucht jetzt erst einmal etwas Zeit, um sich zu erholen."
    Gedenkreden von Herta Müller und Wolf Biermann
    Liao Yiwu ist einer von Liu Xias Freunden und telefonierte während der vergangenen Jahre regelmäßig mit ihr. Denn acht Jahre lang stand die heute 57-Jährige in China unter Hausarrest. Der Grund war ihre Ehe mit dem Demokratieaktivisten Liu Xiaobo. Im Beisein von Altbundespräsident Joachim Gauck erinnerte die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in Berlin an den chinesischen Bürgerrechtler. Ihn hatten die Behörden zuletzt 2009 ins Gefängnis geworfen.
    "Sein letztes Verbrechen war die Charta 08, aus diesem kommunistischen Einparteiensystem China eine freie und humane Gesellschaft zu machen, elf Jahre hat er dafür bekommen. Und seine Frau eine lückenlose Überwachung."
    Liu Xiaobo blieb bis zuletzt inhaftiert
    Schon seit Wochen war die Veranstaltung in der Berliner Gethsemane-Kirche geplant. Mit ihr wollten die Organisatoren an Liu Xiaobos Tod vor genau einem Jahr erinnern. Da verstarb der inhaftierte Friedensnobelpreisträger an Leberkrebs. Trotz seines bevorstehenden Todes durfte der Aktivist im vergangenen Sommer seine letzten Tage nicht in Freiheit verbringen, sondern blieb auch im Krankenhaus ein Gefangener Chinas. Und so kamen gestern viele Sympathisanten an den Prenzlauer Berg, um ihre Empörung über die chinesische Regierung auszudrücken:
    "Da ist sozusagen ein Land, wo wir alle viel Geld mit verdienen, das tritt die Menschenrechte mit Füßen. Da ist jemand, der hat Demokratie gefordert und dafür haben sie ihm sein Leben zerstört."
    "Ich habe eine Zeitlang in China gelebt und ich habe selbst erfahren, wie repressiv China sein kann. An seinem ersten Todestag wollte ich an Liu Xiabo denken und nun natürlich auch die Tatsache feiern, dass seine Frau das Land verlassen konnte."
    "Ach so, ich finde es spannend, auch Biermann zu sehen. Es ist ja auch ein historisches Gebäude, ich bin alter Berliner, Also, schöner Anlass, herzukommen."
    Freilassung "auf gar keinen Fall eine humane Geste"
    Ehefrau Liu Xia wurde im vergangenen Jahr zwar ans Krankenbett ihres Mannes gelassen. Doch kurz nach seinem Tod sperrten die Behörden sie de facto wieder in ihrer Pekinger Wohnung ein. Dass sie am Dienstag, einen Tag nach dem Deutschlandbesuch des chinesischen Premierministers Li Keqiang, überraschend nach Berlin ausreisen durfte, interpretierten viele nun als politisches Kalkül. Der Liedermacher Wolf Biermann dröhnte:
    "In einem ironischen Sinne verdankt sie ihre Freiheit dem verrückten Trump, den USA. Denn wenn die Chinesen nicht so viel Ärger mit den USA hätten, müssten sie sich nicht mit Europa so anschmieren."
    Und Tienchi Martin-Liao, die Vorsitzende des unabhängigen chinesischen Pen, meinte:
    "Mit Verlaub zu sagen, wurde Liu Xia als Geschenkpaket eingepackt und an Kanzlerin Merkel eingereicht, das ist auf gar keinen Fall eine humane Geste von der chinesischen Seite - im Gegenteil - das ist menschenverachtend."
    Nach acht Jahren Hausarrest ist Liu Xia nun in Deutschland. Doch ihre Freiheit ist immer noch beschränkt. Denn in der Vergangenheit hat die chinesische Führung auch ihren Bruder Liu Hui vorübergehend inhaftiert. Und Liu Xia weiß: Allzu chinakritische Worte von ihr in Deutschland könnten ihn in der Volksrepublik erneut hinter Gitter bringen.