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Berliner Schaubühne
Theater, die Politik und die AfD

Unter dem Titel "Die Zeit ist aus den Fugen" stand eine Diskussion an der Berliner Schaubühne, die sich eigentlich um die Aufgaben des Theaters in politisch beunruhigenden Zeiten drehen sollte. Doch im Zentrum der Debatte stand vor allem der Umgang mit der AfD.

Von Barbara Behrendt | 17.10.2016
    Die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz wurde von Jürgen Sawade von 1975 bis 1981 umgestaltet.
    Welche Rolle kann das Theater in der Gesellschaft übernehmen? (dpa / picture alliance / Hubert Link)
    Am Ende versucht das Publikum es zu richten:
    "Ich würde gern von euch allen dort wissen: Was glaubt ihr, was die Handlungsstrategien der Theater sein können in den nächsten zwei, drei, vier Jahren?", fragt eine Zuschauerin, als die Diskussion in den letzten Zügen steckt.
    Endlich!, denkt man da. Vielleicht arbeiten sich die Theatermacher nun doch noch zum angekündigten Thema vor: der Rolle des Theaters in der politisch so aufgeheizten Gesellschaft. Thomas Ostermeier, Ulrich Matthes, Falk Richter und Maxi Obexer haben zwar über manches Wichtige in den vergangenen 90 Minuten gesprochen, über die AfD, den Umgang mit rechter Gesinnung in Sachsen, die Verantwortung der Medien – nur eben nicht über das, worin nun einmal die eigentliche Expertise dieser Regisseure, Autoren und Schauspieler liegt: das Theater.
    Nun also die Zuschauerfrage als letzte Möglichkeit, die gesellschaftspolitische Aufgabe der Kunst zu beleuchten. Aber nur dem Schauspieler Ulrich Matthes gelingt eine nachdenkliche Schlussbemerkung, die übers PR-taugliche Referieren eigener Arbeiten und Spielpläne hinausgeht:
    "Ich hoffe, mich mit all meiner Energie, die eine zutiefst private wie eine zutiefst politische ist, in eine Arbeit hineinzubegeben. Und dann hoffe ich, dass sich diese Energie, die natürlich auch immer wieder scheitert, auf irgendeine Weise sowohl im Privaten wie im Politischen auf Menschen überträgt. Wenn das gelingt, ist schon viel gewonnen."
    Kunst und Einfluss auf Politik
    Das mag nun nicht nach einer bahnbrechenden Erkenntnis klingen – und doch ist es eine persönliche Antwort auf die Kernfrage des Abends, zu der man die anderen Diskutanten ebenfalls gern gehört hätte. Genügt es einem Autor und Regisseur wie Falk Richter, der für sein AfD-kritisches Stück "Fear" an der Schaubühne von eben dieser Partei verklagt wurde, eine gewisse "politische Energie" zu übertragen? Hat Kunst überhaupt einen politischen Auftrag? Wie positioniert sich Schaubühnen-Intendant Thomas Ostermeier zu dieser Frage, der doch zuvor nebenbei erwähnt hatte:
    "Das Theater ist weder eine politische noch eine soziale Bewegung."
    Und was würde die Autorin Maxi Obexer entgegnen, die mit ihrem Doku-Stück "Illegale Helfer" ein lupenreines Agitprop-Drama vorgelegt hat, das in der Flüchtlingsfrage nur schwarz und weiß kennt?
    Aber ein Gespräch darüber kommt kaum zustande – der Umgang mit der AfD steht im Vordergrund. Während Matthes zugibt, dass seine Empathie mit Blick auf AfD-Wähler ziemlich versagt, will Ostermeier auch die politisch Linke nicht aus der Verantwortung lassen:
    "Ich glaube, wir haben auch als Linke einen Anteil daran, was passiert ist. Es ist auch ein Versagen der europäischen Sozialdemokratie."
    "Ewig in diesem AfD-Sumpf herumzuwühlen ist extrem unproduktiv"
    Regisseur Falk Richter pocht darauf, dass die gesamte Gesellschaft aufgerufen sei, die Demokratie zu verteidigen. Obexer verliert bei so viel AfD schließlich die Geduld:
    "Dieses Gerede über die AfD, es wird überall dasselbe sein – ich weiß nicht, ob die Debatte so wirklich gewinnbringend ist. Ich beanspruche meine Kunst und das Theater als einen Ort des Widerstands. Wir sollten uns endlich mal die Frage stellen, was wir als Theater unternehmen, was wir als Autorinnen unternehmen, als Publikum. Ewig in diesem AfD-Sumpf herumzuwühlen ist extrem unproduktiv."
    Hier wurde die Debatte zwar hitziger – aber nicht produktiver. Obexer, das zeigte sich zumindest, möchte als Mitgründerin des "Neuen Instituts für Dramatisches Schreiben", den politischen Austausch zwischen Autoren fördern – gern auch in Zusammenarbeit mit Aktivisten.
    Ist das also die Richtung, die das Theater einschlägt? Autoren schreiben gemeinsam mit Aktivisten gesinnungstüchtige Stücke – und auf den Brettern wird die Demokratie tagesaktuell verteidigt? Ist das Theater also doch eine politische Bewegung? Wozu spielen? Die Grundfrage des Abends blieb, trotz Einsatz des Publikums, allenfalls ein Nebenschauplatz.