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Berlusconi will "nur beherrschen"

Silvio Berlusconis Regierung sei von "Verdorbenheit und Bestechungsmanövern gezeichnet", sagt Monica Frassoni. Nach dem Misstrauensvotum vom Dienstag sei die politische Lage nicht viel klarer.

Monica Frassoni im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Er war bereits mehrfach totgesagt und doch kam er immer wieder, Italiens umstrittener Ministerpräsident Silvio Berlusconi, mit dem eine ganze Latte von Skandalen und Skandälchen verbunden ist. Und auch diesmal hat er es geschafft und bei der Abstimmung über einen Misstrauensantrag im Abgeordnetenhaus eine hauchdünne Mehrheit hinter sich gebracht. Dort war es zuvor zu Handgreiflichkeiten gekommen, nachdem eine Abgeordnete angekündigt hatte, für Berlusconi und gegen den Misstrauensantrag der eigenen Fraktion zu stimmen. – Am Telefon begrüße ich dazu Monica Frassoni. Sie ist Co-Vorsitzende der europäischen Grünen in Brüssel. Guten Morgen, Frau Frassoni.

    Monica Frassoni: Guten Morgen!

    Heckmann: Frau Frassoni, ein Ministerpräsident stellt sich einem Misstrauensantrag und erzielt eine Mehrheit. Wir sind also Zeugen eines zutiefst demokratischen Vorgangs geworden, oder?

    Frassoni: Ja, aber das ist eine Demokratie über einen persönlichen Wettbewerb zwischen Fine und Berlusconi und durch auch einen Wahlankauf gewonnen worden ist, und ich glaube auch, das ist sehr schwierig, mit nur drei Stimmen Mehrheit zu regieren. Ich glaube auch, dass Herr Berlusconi wirklich nicht regieren kann, er will nur beherrschen, und das ist eigentlich das Problem von Italien, also eines der Probleme von Italien.

    Heckmann: Aber dass es Stimmenkauf gegeben hat, das ist eine reine Vermutung. Beweisen lässt sich das nicht?

    Frassoni: Vielleicht nicht mit Geld. Ich glaube, das war ein politischer Wahlankauf. Das heißt, es gibt wirklich keine Idee, was wir in Italien machen wollen. Das ist das Problem. Ich glaube, seit ungefähr einem Jahr gibt es keine Regierung in Italien, die eine Vision hat für die Zukunft. Es gibt nur einige Aktionen der Regierung, aber nicht eine echte Regierung. Ich glaube, Herr Berlusconi will wie gesagt eine Kompetition gewinnen, eine Gewalt-Kompetition machen, aber eigentlich nicht wirklich regieren. Das ist das, was uns von der Opposition auch total traurig macht, weil es gibt keine Debatte, was wir machen wollen, und ich glaube auch, es gibt ein Problem der Demokratie, auch wenn eine Wahl im Parlament stattgefunden hat, weil diese Regierung von Berlusconi total von Verdorbenheit und Bestechungsmanövern gezeichnet ist.

    Heckmann: Möglicherweise spielte kein Geld eine Rolle, sagen Sie, aber Angebote politischer Natur. Aber gehört das nicht auch zur Politik dazu, Angebote zu machen, dadurch Mehrheiten zu erzielen?

    Frassoni: Ja, natürlich, aber das Problem ist, mein Problem ist nicht so viel, dass er mit drei Stimmen gewonnen hat, sondern was das bedeutet für Italien. Werden wir eine echte Regierung haben? – Nein! – Werden wir eine stabile Position haben? – Nein! – Werden die Wahlen, die vielleicht diese zukünftige Regierung machen wird, gut für Italien? – Nein! – Also ich glaube, das ist wie eine große Decke auf dem Land, die eigentlich nicht die Lösung sein wird.

    Heckmann: Könnte aber gut sein, Frau Frassoni, dass das viele Italiener ganz anders sehen. Berlusconi hat ja damit argumentiert, ich stehe für Stabilität in turbulenten Zeiten. Die meisten Italiener, viele Italiener könnte das überzeugt haben, denn laut einer Umfrage dürfte seine Partei bei einer Neuwahl wieder stärkste Kraft werden.

    Frassoni: Ja. Ich glaube, das ist eigentlich ein Problem auch für die Leute, die nicht mit Berlusconi sind, weil sie waren eigentlich bis jetzt nicht bereit, eine echte Alternative für die Leute zu beschreiben. Und auf jeden Fall, was jetzt Berlusconi möchte ist eigentlich nicht klar. Es gibt Leute die sagen, okay, er will jetzt zur Wahl gehen, um eine größere Mehrheit zu gewinnen, aber er weiß, dass das vielleicht nicht möglich ist. Deswegen ich glaube, das was seit gestern los ist, ist wirklich nicht eine Lösung für das Land. Wenn er nicht eine breitere Regierung finden wird, dann werden wir in Wahlen gehen und diese Wahlen werden vielleicht keine echte Mehrheit bilden. Deswegen ist heute die Situation nicht viel klarer als gestern.

    Heckmann: Aber, Frau Frassoni, haben Sie denn wirklich Zweifel daran, dass es Berlusconi gelingt, neue Partner zu finden in seinem Bereich?

    Frassoni: Ja, ich habe große Zweifel, weil auch die Leute, die gestern für ihn gestimmt haben, nicht dafür sind, was er als Priorität machen will, das heißt, sich von Prozessen und all den Problemen mit der Justiz abzuschirmen. Das ist eigentlich das Problem. Es gibt keine Einheit, was gemacht werden muss.

    Heckmann: Es gibt ja jetzt zwei Möglichkeiten, Frau Frassoni. Das haben Sie ja gerade eben schon selbst angedeutet. Entweder findet er neue Partner und bekommt eine größere Mehrheit, oder ihm misslingt es und Italien steht dann irgendwann wieder vor Neuwahlen. Was bedeutet das für das Land, was bedeutet das auch für die EU? Europa steckt in einer schweren Schuldenkrise und Italien ist eines der am stärksten verschuldeten Länder der Welt.

    Frassoni: Ja. Ich muss sagen, bevor er geht und er und seine Mehrheit geht, das ist das Beste für das Land. Das ist meine Idee, meine Meinung. Deswegen mein Problem ist nicht die Wahlen. Die Wahlen sind eine sehr wichtige demokratische Gelegenheit und ich will, dass die Opposition gewinnt. Aber wie jetzt Italien gemacht ist, wir werden keine echte Wahlkampagne haben. Wir werden eine Kampagne ohne Regeln haben, ohne eine echte Debatte, und deswegen: Der Gewinner ist wirklich nicht klar. Deswegen ist auf jeden Fall die Unruhe in dem Panorama von Italien in den nächsten Monaten. Deswegen bin ich wie gesagt nicht sehr ruhig, auch vor der internationalen Situation für Italien, weil das ist nicht ein Glaubwürdigkeitspartner für Europa, er hat keine Wichtigkeit in der Debatte von der Zukunft des Euro und so weiter, und wir brauchen, dass Italien eine positive Rolle spielt, und jetzt ist seine keine positive Rolle. Ich glaube, wir werden eine Unruhigkeit in der politischen Situation, aber auch in der sozialen Situation in Italien bekommen. Sie haben vielleicht gestern gesehen, dass wir Tumulte hatten, nicht nur im Parlament, sondern auch außerhalb des Parlaments, und es gibt eine sehr große Entfernung vieler Leute von den Politikern insgesamt, aber auch von der Regierung, und ich bin nicht sicher, dass Herr Berlusconi so einfach gewinnen wird. Aber ich bin auch nicht sicher, dass die Opposition gewinnen wird. Das ist eine Situation, die eigentlich nicht einfach ist, und deswegen was wir machen müssen ist, eine eigene Alternative zu bilden.

    Heckmann: Italien vor unruhigen Zeiten. Wir haben gesprochen mit Monica Frassoni. Sie ist die Co-Vorsitzende der Grünen in Europa. Frau Frassoni, besten Dank!

    Frassoni: Danke! Auf Wiedersehen.

    Heckmann: Auf Wiederhören.

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