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Bernd Lange (SPD) zu US-Strafzöllen
"Herr Trump bricht internationales Handelsrecht"

Noch will der SPD-Politiker Bernd Lange nicht von einem Handelskrieg sprechen. In den USA gebe es immer noch Kräfte, die an einem regelbasierten Handelssystem festhalten wollten, sagte er im Dlf. Nun gelte es, mit diesen Kräften im Dialog zu bleiben, um die "Irrfahrt" des US-Präsidenten einzugrenzen.

Bernd Lange im Gespräch mit Jasper Barenberg | 16.06.2018
    Die Flaggen der USA und Chinas bei einer Pressekonferenz in Peking.
    Im US-Parlament gebe es kaum noch Personen, die Trump in Sachen Strafzölle unterstützen, sagte Bernd Lange im Dlf (picture alliance / dpa / Getty Images / Feng Li)
    Jasper Barenberg: Einmal mehr macht Donald Trump in Washington ernst: Weil er Chinas Handelspolitik als unfair geißelt und beurteilt, verhängt er, wie angedroht, Strafzölle. Waren im Wert von 50 Milliarden US-Dollar werden vom 6. Juli an mit einem Aufschlag von 25 Prozent belegt. Peking kündigte bereits umgehend Vergeltung an: Die Führung will mit Abgaben in gleicher Höhe und Stärke antworten. Schon befürchtet auch die deutsche Wirtschaft Auswirkungen auf die heimischen Unternehmen, und auch in den USA wird die Handelspolitik im Weißen Haus durchaus kontrovers diskutiert, wie Thorsten Teichmann aus Washington berichtet.
    Und am Telefon ist der SPD-Politiker Peter [Anmerkung der Redaktion: Der Gesprächspartner heißt nicht Peter, sondern Bernd Lange] Lange, Vorsitzender im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments. Schönen guten Morgen, Herr Lange!
    Bernd Lange: Guten Morgen, Herr Barenberg!
    Barenberg: Stehen wir noch kurz davor oder sind wir eigentlich schon mitten drin in einem ausgewachsenen Handelskrieg?
    Lange: Krieg würde ich noch nicht sagen, aber Herr Trump bricht internationales Handelsrecht, und das ist ein seriöses Problem, und insofern ist die Zeit sehr unsicher geworden, und das schadet natürlich Handel und vernünftigen Investitionen.
    Barenberg: Was könnte denn das, was Sie einen Handelskrieg nennen oder was ein Handelskrieg sein könnte, was könnte das noch verhindern?
    Lange: Wir reden natürlich insbesondere mit den Kräften in den USA, die nach wie vor rational ein regelbasiertes Handelssystem erhalten wollen. Mit den Mitgliedern des Repräsentantenhauses des Kongresses, die Senate und vielen Stakeholdern müssen sehen, Herr Trump hat ja inzwischen richtige Wagenburgmentalität entwickelt, der kaum Kontakte zu seinen eigenen Ministerien hat. Deswegen gilt es, genau mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten, um die Irrfahrt des Präsidenten einzugrenzen. Er basiert im Moment ja seine Aktivitäten auf delegierten Rechtsakten, die das Parlament dem Präsidenten schon vor langer Zeit, 1962 eingesetzt und 1974 ein anderes, gegeben hat, und jetzt gibt es die ersten Ansäte im Kongress, diese delegierten Rechte wieder ins Parlament zurückzuholen. Da ist eine ganze Menge Musik in der Innenpolitik der USA, und darauf bauen wir.
    "Eine Eskalation schadet allen"
    Barenberg: Sie sind also noch guter Hoffnung, dass man doch noch so etwas wie Gespräche führen kann und Verhandlungen, eine Verhandlungslösung anstreben sollte.
    Lange: Na ja, eine Eskalation schadet ja allen. Sehen Sie jetzt die Zölle, die er als Abschottung gegenüber China erhebt, trifft natürlich auch europäische, auch deutsche Unternehmen. Also aus den USA werden 150.000 Autos europäischer Produktion nach China exportiert. Siemens in China exportiert Elektronikturbinen in die USA. Also da sind auch europäische Unternehmen von betroffen, und das kann alles nicht im Interesse der internationalen Gemeinschaft sein, und deswegen müssen wir natürlich weitere Verhandlungswege anstreben, aber auf der anderen Seite auch klar zeigen, die Rote Karte, wir akzeptieren dieses Verhalten nicht.
    Barenberg: Die Rote Karte zeigen heißt in diesem Fall, was Europa angeht, in einem ersten Schritt, Zölle auf eine ganze Reihe von Waren aus den USA, Bourbon Whisky zum Beispiel oder Jeans. Muss man da sagen, das schadet vor allem einem, nämlich dem deutschen Konsumenten?
    Lange: Diese Maßnahmen zum einen sind nicht eskalierend, beziehen sich nur auf etwa die Hälfte des Volumens der Abschottungszölle der USA, und zum zweiten sind sie sehr zielgerichtet in Sektoren, wo zum Beispiel republikanische Senatoren ihren Wahlkreis haben, um hier noch mal zu sagen, guckt euch an, was das für Konsequenzen hat. Außerdem ökonomisch spielt das nicht so eine ganz große Rolle. Wichtiger ist auch, dass wir gemeinsame Partner, mit Kanada, mit Japan, mit Indien, bei der WTO auch eine Klage einreichen gegen die USA, weil wir in der Tat das regelbasierte System weiter stärken wollen.
    Barenberg: Wo Sie die WTO erwähnen, da sagen ja die Kundigen, dass Verfahren vor der WTO wahrscheinlich viele, viele Jahre dauern werden und ganz fraglich ist, ob am Ende ein klarer Erfolg stehen könnte. Können wir uns das leisten, haben wir die Zeit?
    Lange: Leider ist es so, ich glaube, nicht viele Jahre, aber ein Jahr muss man einkalkulieren, ehe ein Urteil gesprochen wird, aber das ist eben der rechtsbasierte Weg, und da sind wir auch sicher, dass wir gewinnen werden. Diese Gesetze, wie gesagt, von '62 und von '74, auf die sich der US-Präsident beruft, sind ja vor der WTO-Gründung erlassen worden und widersprechen der WTO eindeutig. Wir hatten schon selbst mal als Europäische Union ein Verfahren gegen die USA wegen dieses Gesetzes von '74, und da war der Richterspruch kurz vorher erlassen, und dann haben die USA erklärt, sie würden dieses Gesetz nie wieder anwenden. Soweit zur Rechtstreue von Vereinbarungen. Da gibt es, glaube ich, keine Frage, aber in der Tat, dieses Jahr gewinnt der Präsident mit seinen illegalen Maßnahmen.
    Barenberg: Wenn wir uns jetzt noch mal vor Augen führen, was in der Auseinandersetzung mit China gerade passiert, dann deutet doch alles darauf hin, dass jetzt genau Reiz und Reflex sozusagen, dieser Automatismus weitergeht, dass Schlag auf Schlag jetzt China reagiert auf die USA und die USA dann wieder auf Zölle. Steht uns das nicht auch ins Haus, mit anderen Worten: Sind Sie sicher, dass es sowas wie Zölle der USA insbesondere bei der Automobilindustrie geben wird?
    Lange: Also er hat ja Untersuchungen eingeleitet. Die dauern auch ein paar Monate, und das ist ja erst mal das innenpolitische Ziel, was er hat, bis zu den Midterm-Wahlen im November diese Sache am Kochen zu halten, in der irren Annahme, damit könnte er Wähler in der alten Industrie in den USA überzeugen. Das Verfahren durchläuft ja mehrere Schritte mit öffentlichen Anhörungen und auch Einbringen von Interessen von Stakeholdern. Ich glaube nicht, weil wir inzwischen ja so verwobene Wertschöpfungsketten haben, dass das wirklich toleriert wird von den Kräften in den USA. Ich glaube erst einmal, das ist ein politischer Theaterdonner, um bei den Wahlen zu punkten.
    Barenberg: Aber wie oft haben wir das bisher schon gesagt, dass es nur politischer Theaterdonner ist, und dann hat genau das gemacht, was er angekündigt und angedroht hat?
    Lange: Ja, in der Tat, das Risiko besteht, und das größte Problem, diese Unsicherheit, selbst wenn man mit dem Handelsminister in den USA redet, ist immer der letzte Satz: aber am Ende entscheidet der Präsident. Also das wird man nicht ganz ausschalten können. Bloß die Dimensionen, um die es dann gehen wird, auch was die Betroffenheit der amerikanischen Industrie anbetrifft, sind bei der Frage der Autos natürlich viel, viel größer als bei dem Stahl.
    "Die Irrfahrt der USA begrenzen"
    Barenberg: Das gilt ja auch für die andere Seite, insbesondere für die deutsche Automobilindustrie. Sind Sie eigentlich sicher, dass dann die europäische Solidarität auch mit Deutschland in diesem Fall halten wird?
    Lange: Ja, weil wir auch eine sehr europäische Automobilindustrie haben. 200 Herstellungsfabriken in ganz Europa, 3.000 Hauptzulieferer und eine ganze Reihe Subzulieferer in der ganzen Europäischen Union. Das ist wirklich nicht ein deutsches Problem. Die ganzen Teile dieser Wertschöpfungskette, die werden ja nicht in Deutschland produziert. Nein, nein, nein, ich glaube, der positive Aspekt dieser ganzen misslichen Situation ist in der Tat, dass die europäische Einheit gestärkt wird, und wir müssen glaube ich, auch mit dieser Einheit im Zusammenspiel mit anderen Partnern weltweit stärker operieren, um hier auch die Irrfahrt der USA zu begrenzen.
    "Letztendlich führt das zu Lieferengpässen und höhren Kosten"
    Barenberg: Zum Schluss, Herr Lange, alle sagen ja, US-Präsident Donald Trump schadet sich mit diesem Kurs eigentlich selbst, er schadet der eigenen Wirtschaft im Land. Wann werden das die Amerikaner eigentlich zu spüren bekommen?
    Lange: Zum einen ist das natürlich auch eine sehr stark symbolische Geschichte, die er da macht. Jetzt beim Stahl sind 1.000 Ausnahmeanträge, weil bestimmte Stahlsorten benötigt werden, weil Unternehmen in Schwierigkeiten sind, und diese Ausnahmeanträge finden sich jetzt auch schon bei Maßnahmen gegenüber China.
    Insofern gibt es natürlich auch ein Stück weit Versuche, dieses zu unterlaufen, aber letztendlich führt das zu Lieferengpässen, zu höheren Kosten, und da gibt es ja in fast allen Sektoren heftigste Widerstände, und wenn Sie die Diskussion im Parlament sich angucken, da finden Sie kaum noch einen, der Trump unterstützt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.