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Bernhardt: Steinbrücks Plan "ist ein falscher Ansatz"

Im Koalitionsstreit über den Umgang mit Steueroasen hat der CDU-Finanzpolitiker Otto Bernhardt den Ansatz von Finanzminister Peer Steinbrück als falsch bezeichnet. Der CDU-Politiker warf dem Minister vor, alle Unternehmen, die Handel mit Ländern wie der Schweiz betrieben, unter einen Generalverdacht zu stellen. Zudem wäre das ein Alleingang Deutschlands, so Bernhardt.

Otto Bernhardt im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Den Kampf gegen Steuerhinterziehung führt Finanzminister Peer Steinbrück aber derzeit auf zwei Ebenen. Zum einen möchte er Regierungen, die bislang das Bankgeheimnis extrem streng auslegen, zu mehr Offenheit drängen - Stichwort "Kavallerie und Indianer". Dazu hat der Finanzausschuss heute Bankenvertreter zu einer Anhörung geladen. Zum anderen möchte Peer Steinbrück auch im Inland die Regelungen verschärfen und hier schwelt direkt der nächste Koalitionskrach. Am Telefon ist nun Otto Bernhardt. Er ist der finanzpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Bernhardt!

    Otto Bernhardt: Guten Morgen!

    Engels: Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Steinbrück zum Kampf gegen Steuerhinterziehung wird nun aufgrund des Widerstands der Union im Kabinett zum dritten Mal verschoben. Was haben Sie denn gegen seinen Plan?

    Bernhardt: Sein Plan geht von falschen Voraussetzungen aus und ist ein falscher Ansatz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Der Vorschlag des Ministers bedeutet, dass alle treuen Steuerzahler, die zufällig geschäftliche Beziehungen mit Ländern haben, die den OECD-Standard nicht einhalten, steuerlich bestraft werden sollen und mit erheblicher Bürokratie überschüttet werden sollen. Dies lehnt nicht nur die Union ab, sondern wir haben ja heute eine umfangreiche Anhörung von Fachleuten; fast alle Experten lehnen dies ab. Dies wäre im Übrigen ein Alleingang Deutschlands. Kein anderes Land bestraft seine Bürger, die mit Ländern wirtschaftliche Kontakte haben, die den OECD-Standard nicht einhalten, und wir können uns sicher gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten solche Alleingänge nicht leisten.

    Engels: Sie sprechen es an; wenn es nach Herrn Steinbrück geht, geht es darum, auch eidesstattliche Auskunft über Geschäfte zu geben, wenn ein Konto in einer so genannten Steueroase geführt wird. Andererseits: Wenn man sich nichts vorzuwerfen hat, dann ist es doch eigentlich kein Problem, das offenzulegen.

    Bernhardt: Es bedeutet zunächst einmal in erheblichem Umfang zusätzliche Bürokratie und dann ja das Schwert, wenn bestimmte Informationen nicht rechtzeitig erfolgen, dann soll die Möglichkeit bestehen, Aufwendungen im Ausland nicht mit Gewinnen im Inland zu verrechnen. Wir stellen uns die Frage, warum soll Deutschland in so schwierigen Zeiten einen Sonderweg gehen, den kein anderes Land geht. Der Ansatz ist falsch! Der Finanzminister geht davon aus, wenn eine Firma mit solchen Ländern wirtschaftliche Kontakte hat, Schweiz, Österreich, zum Teil seit 20, 30 Jahren, dass dahinter im Wesentlichen Steuerhinterziehung steht. Ich sage vorsichtig, dies ist ein Generalverdacht der wirtschaftlich Tätigen. Den haben diese nicht verdient. Der Staat sollte mit seinen Bürgern anders umgehen, wie übrigens alle anderen Staaten der Welt das machen.

    Engels: Aber es ist ja erwiesen, dass Billionen von Euro in den Steueroasen liegen, und wenn deutsche Kunden gezielt zu ausländischen Töchtern ihrer Hausbank gehen, um sich dort ein Konto einrichten zu lassen, dann spricht doch auch einiges für einen Steuerhinterziehungsverdacht, oder nicht?

    Bernhardt: Und da ist jetzt ein Ansatzpunkt, den wir sicher heute in der Anhörung mit den anwesenden Banken hinterfragen werden. Das hat aber nichts zu tun mit den Leuten, die wirtschaftliche Kontakte in die Länder haben; jetzt sprechen wir über Leute, die im Ausland Konten haben und denen dabei sogar zu einem erheblichen Umfang, wenn die Informationen stimmen, deutsche Banken helfen. Wir stellen uns die Frage, warum zum Beispiel alle Landesbanken oder fast alle, die immerhin öffentlich-rechtlich sind, in so genannten Staaten, die nicht OECD-Standard haben, Töchter haben und Konten vermitteln, Anlagen vermitteln. Das ist ein ganz anderes Thema. Hier ist der richtige Ansatz für eine Bekämpfung, dies ist ein Ansatz, den machen wir mit, aber wie gesagt nicht die Leute "bestrafen", die seit Jahrzehnten wirtschaftlichen Kontakt mit Österreich, der Schweiz und vergleichbaren Ländern haben.

    Engels: Herr Bernhardt, wie wollen Sie das denn dann bekämpfen? Wie sieht Ihr Alternativplan aus?

    Bernhardt: Zunächst einmal - und es ist eine erhebliche Bewegung bereits in dieses Thema gekommen - durch Verhandlungen mit diesen Staaten, den OECD-Standard endlich einzuhalten, und in den letzten Wochen haben fast alle der zur Diskussion stehenden Staaten entsprechende Erklärungen abgegeben. Im Übrigen haben wir bereits die rechtlichen Bestimmungen gemeinsam in der Großen Koalition zum Thema Steuerhinterziehung erheblich verstärkt. Die Bevölkerung weiß es kaum. Steuerhinterziehung ist lange kein Kavaliersdelikt mehr. Es gibt Strafen bis zehn Jahre. Wir haben sogar eingeführt, dass bei erheblicher Steuerhinterziehung Telefonüberwachung möglich ist. Wir haben die Verjährungsfristen gemeinsam auf zehn Jahre für schwere Steuerhinterziehung verlängert. Das heißt, wir haben hier etwas getan, und dann haben wir gemeinsam im Dezember einen Antrag im Deutschen Bundestag verabschiedet, der zahlreiche Maßnahmen vorsieht - insgesamt 10, um das Thema stärker in den Griff zu bekommen. Dabei geht es nicht nur um Steuerhinterziehung durch Schwarzgelder im Ausland, sondern ein viel größeres Thema ist der Umsatzsteuerbetrug, der uns viele Milliarden kostet. An diese Themen wollen wir heran und im Mittelpunkt der heutigen Anhörung stehen sieben Anträge von Fraktionen, darunter unser Generalbeschluss, zehn weitere Maßnahmen in Richtung Steuerehrlichkeit konsequent zu verfolgen.

    Engels: Herr Bernhardt, das klingt aber so, als ob Sie dem Vorhaben von Herrn Steinbrück überhaupt keine Chance mehr geben werden. Wird das der nächste Koalitionskrach?

    Bernhardt: Ich gehe mal davon aus, nachdem auch der neue Wirtschaftsminister deutlich erklärt hat, dass er diesen Ansatz nicht mittragen kann und wird, und es eigentlich keinen ernst zu nehmenden Verband in Deutschland gibt, der den Vorschlägen des Finanzministers folgt, glaube ich nicht, dass es so verwirklicht wird, wie der Referentenentwurf es vorsieht. Ich gehe davon aus, dass wir Maßnahmen treffen, abgestimmt, europatauglich. Das was der Minister vorlegt ist nach Auffassung fast aller Fachleute auch nicht europatauglich, verstößt gegen erhebliche Bestimmungen des europäischen Rechtes. Ich betrachte das, was der Minister gemacht hat, als eine Wahlkampfmaßnahme, um zu zeigen, wir sind die, die Steuerhinterziehung bekämpfen. Nur das ist zu einfach gedacht. Wir alle in der Großen Koalition - und ich würde es ausweiten auf den Deutschen Bundestag - wollen Steuerhinterziehung bekämpfen, aber mit geeigneten Mitteln und nicht durch einen Generalverdacht gegen alle, die wirtschaftliche Kontakte mit solchen Staaten haben.

    Engels: Otto Bernhardt, der finanzpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Bernhardt: Bitte!