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Besser als ihr Ruf

Plattenbau und Chemie, alles grau, trist und öde - mit diesem schlechten Image hat die Realität wenig zu tun. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lockt mit innovativer Werbekampagne, familiärer Atmosphäre und günstigem Lebensunterhalt auch Studenten aus dem Westen an.

Von Thomas Kramer | 06.01.2011
    " Das Problem Halles ist immer noch, dass die Stadt bundesweit relativ unbekannt ist und auch relativ unbekannt ist, dass es dort eine Universität gibt. Der Name Leipzig ist selbst bei denen bekannt, die noch nie dort gewesen sind. Bei vielem, was man mit Leipzig verbindet, denkt man automatisch, die könnten auch eine Universität haben. Bei Halle fällt das nicht jedem sofort ein."

    Udo Sträter ist Professor für Kirchengeschichte, außerdem 262. Rektor der MLU Halle-Wittenberg, der größten Uni Sachsen-Anhalts. Seine Worte benennen eines der Halleschen Kernprobleme: das Schattendasein gegenüber Leipzig. Per S-Bahn sind es in die Messestadt gerade mal 27 Minuten. Leipzig boomt, Halle schwächelt. Doch damit soll jetzt Schluss sein, so Sträter. Beispiel: die Kampagne OpenUniver-City!

    "Das ist die erste Kampagne dieser Art, die auch technisch etwas Neues bringt; sie ist komplett in 3D durchgeführt. Das können Sie jetzt schon im Internet sehen, und die dafür notwendige, spezielle Brille, um den richtigen Durchblick zu bekommen, die kriegen Sie bei uns kostenlos."

    Die gemeinsame Kampagne von MLU und der renommierten Burg Giebichenstein Kunsthochschule wurde ausgezeichnet als bestes Marketingkonzept des Jahres. Fotogalerien, Videoclips, Plakate - alles komplett in 3D. Günstige Übernachtungs-Plätze, eine virtuelle Schnitzel-Jagd - die Stadt wirkt geradezu elektrisiert. Das große Finale: der Uni-Informationstag am 9. und 10. April.

    "Das Ganze soll dazu dienen, Studierende und Studierwillige mit der Tatsache bekannt zu machen, dass die Stadt lebens- und liebenswert ist."

    Dazu passend: Zum Sommersemester soll erstmals die Marke von 20.000 Studierenden überschritten werden. Jenes Fünftel der Studierenden, die aus dem Westen kommen, fast schon ist es ein Viertel. Nachgefragt auf dem Campus:

    "Also ich heiße Christina, ich bin jetzt aus Würzburg hergezogen und ich bin jetzt Ersti. Ich studiere Wirtschaftswissenschaften und als Nebenfach Psychologie. Ich war auch sehr erstaunt, als jetzt die ersten Vorlesungen angefangen haben, wie locker das alles ging. Ich hab mir das ein wenig spießiger vorgestellt. Wo ich sehr erstaunt war, dass mir so viele ältere Semester immer geholfen haben, weil ich irgendwie verplant geguckt hab, dass sie gleich zu mir hin sind und gefragt haben, kann ich helfen."

    "Ich heiß Frank Sandrock und studiere internationales Finanzmanagement, das ist ein Kooperations-Masterstudiengang zwischen der Uni Bratislava und Halle. Der Studiengang soweit ist schon recht überfüllt, oder speziell die Bachelor-Studiengänge. Vorteil wäre natürlich, dass es keine Studiengebühren gibt, dass man relativ preiswert in Halle wohnen kann."

    " Ja, ich bin die Carolin und komme aus dem Harz. Ich studiere hier in Halle Latein und Altgriechisch auf Lehramt. Das Positive sind die schönen, kleinen Institute, dass man aufgenommen wird, dass man sich aufgenommen fühlt, dass man ein familiäres Klima hat und viele Bekanntschaften hat."

    Halle ist die klassische Voll-Uni, vergleichbar mit seinen mitteldeutschen Nachbarn Jena, Göttingen und Leipzig. Trotzdem: Der Campus hat sich einen pittoresken Charme bewahrt. Hie und da bauliche Nuancen in moderner Verglasung: dezent, nicht pompös. Derzeit entsteht ein neues Zentrum für Geistes- und Sozialwissenschaften, direkt neben dem studentisch geprägten Paulusviertel, einer Art Prenzlauer Berg in Miniatur.

    Die klassischen Probleme, Sparzwang und überfüllte Hörsäle, die kennt man auch in Halle. 20.000 Studierende! Der finanzielle Rahmen der Uni, er ist ausgelegt für 13.000. Dennoch: Der letzte, gemeinsame Antrag von MLU und der Schiller-Universität Jena für ein Exzellenzcluster, er scheiterte nur knapp. Termine 2011:

    "Wir schauen natürlich auch auf die Entscheidung in der Vorrunde der Bundes-Exzellenzinitiative, da ist die MLU mit drei Anträgen, einem Cluster-Antrag, zwei Graduiertenschulen dabei. Und da hoffen wir sehr, dass wir im März das positive Signal bekommen, dass wir die Hauptanträge ausarbeiten können."

    Ab 2012 könnte es dann zusätzliche Forschungsgelder geben. Dazu die bundesweite Aufmerksamkeit - Sträters Augen glänzen. Doch in Sachen Spitzenforschung hat es auch 2010 schon Erfolge gegeben:

    "Dadurch, dass eine Kollegin aus den Biowissenschaften, Frau Bonas, den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft bekommen hat. Das ist eine sehr große Auszeichnung und gilt so als der deutschlandinterne Nobelpreis."

    Wer den Dekan der Martin-Luther-Universität hört, hat keinen Zweifel, dass Halle unter seiner Ägide noch einiges schafft und viel von sich reden macht.