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Bessere Bildung für Roma

Viele Roma leben ohne fließendes Wasser, ohne Strom und Kanalisation. Nur rund 40 Prozent haben die Grundschule bis zum Ende besucht – der europäische Durchschnitt liegt bei 97 Prozent.

Von Mirko Schwanitz |
    Eine Straße in Stolipino, einem Stadtviertel in Bulgariens zweitgrößter Stadt Plovdiv. Der Wind treibt Plastiktüten vor sich her, es riecht nach verbranntem Gummi. Ein Mann, der sich als Bojan vorstellt, macht sich an einem rauchenden Müllcontainer zu schaffen.

    Wir können nur leben, wenn wir die Müllcontainer der Reihe nach durchsuchen, sagt Bojan.

    "Seht, hier gibt es zum Beispiel Reste von Kohl. Auch Plastikflaschen. Damit heizen wir unsere Öfen. Ich schäme mich schon lange nicht mehr. Der Hund schämt sich auch nicht, wenn er Brot sucht."

    Wie Hunde behandelt, so fühlen sich die meisten Menschen, die in Stolipino leben: 45.000 Roma. Viele Frauen und Mädchen arbeiten als Prostituierte, Männer lungern auf der Straße herum. 70 Prozent der Menschen im Viertel sind arbeitslos.

    "Alle sagen, dass wir faul sind. Aber das ist nicht wahr. Ich zum Beispiel stand 13 Jahre an einer japanischen Drehmaschine, habe jeden Tag zwei Schichten gearbeitet. Als die politische Wende kam, wurden wir Zigeuner als erste entlassen. Zur Begründung sagte man mir, ich hätte nur einen Acht-Klassen-Abschluss."

    Ein paar Straßen weiter ein helles Haus. Durch ein Tor geht es in einen Innenhof. Im Gebäude ein kleines Klassenzimmer. Still ist es hier. Vier Frauen und sechs Männer beugen sich über Schulhefte. Ein Mann geht durch die Reihen, korrigiert hier und da.

    "In diesem Raum hier haben wir vor Jahren ein Projekt gestartet. Wir helfen einigen Menschen, ihre mittlere Reife nachzuholen. Zwei weiteren Gruppen bringen wir Lesen und Schreiben bei. Unser Ziel ist es, in diesem Wohnviertel eine Art Intelligenz heranzubilden. Das ist der einzige Weg. Wenn die EU und unser Bildungsministerium das begreifen, dann können wir die Probleme der Romaminderheit hier lösen."

    Anton Karagisiossov ist der Leiter der Hilfsorganisation "Roma". Für ihn ist der Mangel an Intellektuellen innerhalb der Minderheit eines der Hauptprobleme dafür, dass Regierungen kaum Ansprechpartner haben, wenn es darum geht, die Situation der Roma in Europa zu verbessern. Er selbst träumt von einer Kette von Bildungseinrichtungen: von Romakindergärten über Schulen bis hin zu Gymnasien, wie es in Ungarn Realität ist. Die Erfahrungen der Stadt Pecs würden zeigen, wie die Integration der Roma gut funktioniere.

    Groß und lichtdurchflutet steht das Mahatma Ghandi-Gymnasium inmitten eines Pecser Wohngebietes. Fast könnte es eine ganz normale Schule sein, flatterte nicht über dem Eingang eine blaugrüne Fahne mit rotem Wagenrad. Wofür steht die Fahne?

    "Die Idee zu dieser Schule wurde 1994 geboren. Die meisten Kinder hier sind Roma. Wir wollen sie so ausbilden, dass sie das Abitur ablegen können. Nur so werden wir erreichen, dass Roma auch in die Hochschulen und Universitäten kommen."

    Direktorin Erzebeth Orsos-Ghida ist stolz auf ihre ersten Erfolge: Als das Pecser Roma-Gymnasium seine Tore öffnete, lernten hier gerade einmal 54 Schüler. Inzwischen sind es 250. Judith gehörte zu den ersten Absolventen. Heute studiert die 22-Jährige Französisch und unterrichtet am Ghandi-Gymnasium als Lehrerin Lohvari, eine der drei von den ungarischen Roma gesprochenen Sprachen.

    "Ich bin wahnsinnig froh, dass ich diese Chance bekommen habe. Ich bin die erste aus meinem Dorf, die studiert. Auch meine Schwester wird nun auf diese Schule gehen und ich bin ganz sicher, dass auch sie studieren wird."

    Inzwischen entscheiden sich 60 Prozent der Abiturienten für ein Hochschulstudium. Das Projekte wie das in Stolipino oder das Gymnasium in Pec erfolgreich sind, hat einen Grund: Anton Karagiossov in Bulgarien und Erzebeth Orsos-Ghida in Ungarn sind selbst Roma. Sie wissen, worauf es ankommt. Doch der Bau von Schulen allein genüge nicht fasst Direktorin Orsos-Ghida die Erfahrungen beider zusammen.

    "Sie müssen mit den Eltern reden. Schulen ohne Sozialarbeit, das kann angesichts der Lebenssituation und der Kultur der Roma nicht funktionieren. Wir sind so erfolgreich, weil wir mit den Eltern sprechen, weil wir dafür sorgen, dass die Kinder auch wirklich zu uns kommen können. Denn viele haben nicht einmal das Geld für den Schulbus."

    Es ist für Erzebeth Orsos-Ghida jedoch ein Rätsel, warum das bis heute einzige erfolgreiche Modell der Roma-Integration in Europa von keinem Staat übernommen wurde und warum selbst Ungarn sich weigert, weitere solche Schulen einzurichten.